Nein, so hatte sich die 33-jährige Elena Hartmann ihr Olympia-Debüt nicht vorgestellt. Durchnässt, mit blutendem Ellbogen und zerrissener Hose, steht sie nach dem Zeitfahren im Zielraum. Sie wird 17.
«Mir geht es gut, das sind nur Schürfungen – ein bisschen Haut ist weg», sagt sie. Man spürt sofort: Der seelische Schmerz ist deutlich grösser als der körperliche. «Ich hatte wirklich gute Beine und habe mir sehr viel vorgenommen. Am Start habe ich sogar vor Freude geweint. Und dann passiert das.»
Was die Bündnerin meint? Nach 15 Kilometern fährt sie auf der vom Dauerregen glitschig gewordenen Strasse zu schnell in einen Kreisel. Das Rad geht weg, sie knallt auf den Asphalt. Selbstkritisch meint sie: «Ich bin im Training eine Schönwetterfahrerin. Wenn es regnet, trainiere ich meistens drinnen. Das ist genau nicht gut – man muss auch im Regen fahren können. Allerdings war es heute zwischenzeitlich wirklich wie ein Eisfeld.»
Dygert stürzt und holt trotzdem Bronze
Hartmann ist längst nicht die Einzige, die den Asphalt küsst. Geschätzt ein Drittel aller Fahrerinnen geht zu Boden.
Die Amerikanerin Tylor Knipp (26) stürzt allein dreimal, ihre Landsfrau und Weltmeisterin Chloé Dygert (27) schafft das Kunststück, trotz eines Sturzes noch Bronze zu holen. Gold geht an Grace Brown (32, Aus), Silber holt Anna Henderson (25, Gb).
Sie wäre 2028 auch gern noch dabei
Zurück zu Hartmann. Auch im Strassenrennen in einer Woche wird sie, die erst seit einem Jahr Profi ist, noch antreten. Dieses steigt am 4. August. «Ich will einen versöhnlichen Abschluss», sagt sie.
Und dann? Immerhin arbeitet Hartmann zu 20 Prozent bei der Kantonspolizei Zürich und hat das Ziel, später voll und ganz in diesen Beruf zurückzukehren. «Aber ich spiele schon mit dem Gedanken, es noch mal mit Olympia zu versuchen. 2028 in Los Angeles wäre ich 37 Jahre alt – das geht noch.»
Schmunzelnd ergänzt sie: «Dann habe ich keine Ausrede mehr wegen meiner fehlenden Erfahrung.»