Insider plaudern unfassbare Internas aus
Betreiben Kanadas Fussballteams systematische Spionage?

Die Drohnen-Spionage des kanadischen Fussballteams an den Olympischen Spielen schlägt hohe Wellen. Zwei Insider packen nun aus und erzählen, dass die Nationalteams schon in der Vergangenheit gleichermassen agierten.
Publiziert: 27.07.2024 um 13:37 Uhr
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Aktualisiert: 27.07.2024 um 19:18 Uhr
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Bev Priestman, Cheftrainerin des kanadischen Frauen-Nationalteams, wurde für die Olympischen Spiele suspendiert.
Foto: imago/ZUMA Press
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Cédric HeebRedaktor Sport

Die Cheftrainerin suspendiert, der Video-Analyst zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt und die Assistentin nach Hause geschickt – das kanadische Frauen-Nationalteam sorgt mitunter für die grössten Schlagzeilen an diesen Olympischen Spielen. Mit Drohnen wurde ein Training des Auftaktgegners Neuseeland, den sie am Donnerstag 2:1 bezwungen haben, gefilmt.

Was nach einem einmaligen Eklat klingt, scheint bei Kanada systematisch zu sein. Der TV-Sender TSN deckt auf, dass Spionagetricks bereits mehrfach angewendet wurde – auch bei den Männern. So wurde beispielsweise im November 2019 ein Training des US-Teams im Vorfeld der Nations-League-Begegnung gefilmt, wie zwei Quellen «mit Informationen aus erster Hand» erzählen.

Sie verraten, dass bei den Frauen Spionage schon einmal bei Olympia angewandt worden sei. 2021 spielte Kanada zum Auftakt gegen Gastgeber Japan, von dem zwei Trainings im Vorfeld aufgezeichnet wurden. «Aufgrund der strengen Auflagen (wegen der Corona-Pandemie, Anm. d. Red.) war es etwas schwierig damals, aber man hat Wege gefunden, um aus dem Hotel zu schleichen», erzählt einer der Insider. Man habe sich leicht hinter Büschen oder Wänden verstecken und die Einheiten filmen können. Das Spiel endete 1:1, Kanada wurde später Olympiasieger.

Staff-Mitglieder werden zur Spionage gezwungen

Auch vor dem WM-Qualifikationsspiel 2022 gegen Panama habe man versucht, Trainingseinheiten zu filmen. Und als die Nordamerikanerinnen dann 2023 an die WM nach Australien reisen wollten, zeigte sich, wie skrupellos scheinbar vorgegangen wird. Den Insidern zufolge wurden Mitglieder des Coaching-Staffs darauf hingewiesen, dass es zu ihrem Job gehöre, gegnerische Teams auszuspionieren. Eine Person soll sich geweigert haben, dies zu tun – seine Reise wurde kurzerhand gestrichen.

Solche Situationen seien nicht unüblich, sagen die TSN-Quellen: «In einigen Szenarien wurden die Leute unter Druck gesetzt. Man sagte ihnen: ‹Du musst 110 Prozent geben und das ist Teil deines Jobs – wenn du dich damit nicht wohlfühlst, hast du keinen Platz im Team.›»

Ein schlechtes Gewissen scheinen einige Coaches dabei nicht zu haben. Wie die anonymen Quellen weiter ausführen, sähen Trainer Spionage als «kompetitiven Vorteil» und würden es damit rechtfertigen, «dass es jeder tue». «Doch es ist Betrug», stellt eine der Personen klar.

Wird Olympia-Gold von 2021 aberkannt?

Der Vorteil, den das Trainer-Team aus dem Video-Material ziehen könne, sei erheblich: «Du lernst die Formation des Gegners kennen, die Aufstellung, wer die Elfmeter schiesst, wer die Standards tritt.» Der kanadische Verbandschef Kevin Blue versicherte der Fifa, dass sich die Spielerinnen im neusten Fall keinen Vorteil hätten verschaffen können und bat den Weltverband, das Team nicht von Olympia auszuschliessen und auch die gewonnenen Punkte gegen Neuseeland nicht abzuziehen.

Gleichzeitig versicherte er, dass sich der Verband vollumfänglich in Ermittlungen begeben werde, um diesen «systematisch ethischen Mangel» zu untersuchen. Wie er offenbart, sei es nämlich auch bei der kürzlich zu Ende gegangenen Copa América zu einem «versuchten Drohneneinsatz» seitens der Kanadier, die bis in den Halbfinal vorgestossen sind, gekommen.

Die Fifa hat derweil ebenfalls Untersuchungen eingeleitet. Diese widmen sich nicht nur dem aktuellen Fall, sondern vor allem auch jenem der vergangenen Sommerspiele. Es stellt sich die Frage, ob Kanada Olympia-Gold aberkannt werden muss.

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