Was war das für ein Start ins olympische Fussballturnier! Argentinien erzielt in der 16. Minute der Nachspielzeit das 2:2, woraufhin marokkanische Fans für einen Spielabbruch sorgten. Doch zwei Stunden später wird das Spiel nochmals fortgesetzt – und der Ausgleich der Argentinier wegen Abseits aberkannt!
«Eine Schande» sei das gewesen, sagt Trainer Javier Mascherano (40). Seine Mannschaft habe er aber schon für den Rest des Turniers eingeschworen. «Ich habe den Jungs gesagt, dass wir jetzt nach vorne schauen und versuchen müssen, die sechs Punkte zu holen, mit denen wir uns für das Viertelfinale qualifizieren können, und dass all das uns mit Energie und Wut auf das, was vor uns liegt, erfüllen sollte», sagt Mascherano nach dem chaotischen 1:2 gegen Marokko zum Auftakt.
«Es ist eine Schande, dass so etwas passiert und das Turnier vergiftet. So etwas würde nicht einmal bei einem Dorfturnier passieren», schimpft Mascherano, Olympiasieger von 2004 und 2008: «Es ist erbärmlich.» Schon unmittelbar nach dem Spiel bezeichnete der frühere Barça-Star die Ereignisse als «grösster Zirkus, den er je gesehen hat».
Nicht nur die Direktbeteiligten regen sich fürchterlich über den Wirrwarr auf, auch Superstar Lionel Messi (37) ist fassungslos. «Aussergewöhnlich», kommentiert der Olympiasieger von 2008 auf Instagram und setzt ein ungläubig schauendes Emoji dahinter.
Tor nach zwei Stunden aberkannt
Die Argentinier hatten nach einem vermeintlichen Treffer von Cristian Medina in der 16. Minute (!) der Nachspielzeit geglaubt, einen Punkt im Stade Geoffroy-Guichard gerettet zu haben. Doch dieser später aberkannte Last-Minute-Treffer löste nur eine heillose Verwirrung aus.
Aufgebrachte marokkanische Anhänger warfen erst mit Gegenständen und stürmten dann aus Protest das Spielfeld, die Mannschaften gingen im Glauben, das Spiel sei beendet, in die Kabinen. Selbst der offizielle Olympia-Liveticker vermerkte zunächst «end of play», Spielende, vier Minuten später dann aber auch: «interrupted» (unterbrochen).
Gut zwei Stunden nach den bizarren Szenen tauchten die beiden Mannschaften wieder auf dem Platz auf, vor mittlerweile leeren Rängen. Das Spiel sollte fortgesetzt werden – doch der erfahrene schwedische Fifa-Schiedsrichter Glenn Nyberg konsultierte erst einmal den VAR. Und entschied nach Ansicht der Videobilder auf Abseits, das Tor von Medina zählte nicht. Nyberg liess noch einmal drei Minuten nachspielen, dann war endgültig Schluss – über vier Stunden nach dem Anpfiff.
Argentinien reicht Beschwerde ein
«Das Ärgerliche daran ist, dass das Spiel unterbrochen wurde. Wenn man etwas überprüfen will, sollte man es direkt nach dem Vorfall überprüfen», sagte Mascherano: «Neben dem olympischen Geist muss auch die Organisation dem Standard des Turniers entsprechen, und das ist im Moment leider nicht der Fall.»
Der argentinische Fussballverband AFA hat aufgrund dessen Beschwerde beim Weltverband Fifa eingereicht. Die Geschehnisse von Saint-Etienne seien «bedauerlich», schreibt AFA-Präsident Claudio Tapia in sozialen Netzwerken. Die Fortsetzung der Partie sei nach der Stürmung des Feldes durch marokkanische Zuschauer sowie der «Gewalt» gegen die argentinische Delegation «sinnlos» gewesen und verstosse «gegen die Regeln des Wettbewerbs».
Erschwerend komme hinzu, dass die Meinung der Captains beider Teams nicht berücksichtigt worden sei. Diese hätten sich gegen eine Fortsetzung der Begegnung ausgesprochen. Es sei nun an der Fifa, «entsprechende Massnahmen zu ergreifen und die Verantwortlichen zu bestrafen», forderte Tapia. Mannschaftscaptain Otamendi sprach von einer «historischen Schande», die heimische Presse geht hart mit Gastgeber Frankreich ins Gericht.
Presse schäumt – Spieler während Training bestohlen
«Der organisatorische Beginn der Olympischen Spiele war katastrophal, als ob ihnen der Fussball egal wäre», schreibt die Zeitung Ole: «Die Olympischen Spiele, vom Absurden gestürmt. Frankreich startete mit Mängeln eines Dritte-Welt-Landes.» Immer wieder war in Argentinien das Wort «Papelon» zu lesen, also einer Blamage. «Nicht einmal dem exzentrischsten Romanautor wäre eine solche Horrorgeschichte eingefallen», titelt La Nacion. Die olympische Idee sei «der Lächerlichkeit» preisgegeben worden.
Schon vor dem Auftaktspiel gegen Marokko hatte die Albiceleste mit Nebenschauplätzen zu kämpfen. Wie Trainer Mascherano verrät, wurde Mittelfeldspieler Thiago Almeida am Dienstag während des Trainings bestohlen: «Sie sind ins Gebäude eingebrochen und haben Uhren und Ringe von ihm gestohlen.»
Viel Zeit zur Erholung haben die Argentinier nicht. Schon am Samstag treffen sie in Lyon auf den Irak, danach zum Vorrundenabschluss noch auf die Ukraine. Platz zwei würde zum Einzug in den Viertelfinal reichen.