Dopingskandal um Chinesen
Wird Olympia-Bronze von Jérémy Desplanches nachträglich noch versilbert?

Der Genfer Schwimmer Jérémy Desplanches nimmt zum dritten Mal an Olympia teil. Möglicherweise muss er in Paris erneut gegen einen mutmasslichen Betrüger antreten.
Publiziert: 09.07.2024 um 16:59 Uhr
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Aktualisiert: 09.07.2024 um 17:04 Uhr
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Jérémy Desplanches gewann bei Olympia in Tokio 2021 die Bronzemedaille über 200 Meter Lagen.
Foto: keystone-sda.ch
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Patrick MäderAutor Blick Sport

Jérémy Desplanches, dieser Schlacks, diese Ikone des Schweizer Schwimmsports, ist gerade einer der glücklichsten Menschen auf Erden, so fühlt es sich an. Seit letzter Woche weiss der 29-jährige Genfer, dass er in Paris nicht nur in der Staffel antreten darf, sondern auch im Einzel, in seiner Paradedisziplin über 200 Meter Lagen.

In Paris wird er seine dritten Olympischen Spiele bestreiten. «Ich bin darüber sehr glücklich», sagt er. Lange musste Desplanches zittern. Die Limite für die 200 Meter Lagen hat er nicht geschafft, ein paar Hundertstel haben ihm dazu gefehlt. Nun profitiert er davon, dass die Organisatoren der Spiele diese Disziplin mit Wildcards aufstocken mussten. Er ist dabei, wie schon 2021 in Tokio, wo er sensationell Bronze gewann, wie schon 2016 in Rio, wo er als 22-Jähriger gegen übermächtige Gegner wie Michael Phelps und Ryan Lochte vergeblich um den Final-Einzug kämpfte.

Nun ist der Druck weg und er kann seine Karriere mit einem Highlight abschliessen. «2016 wollte ich Erfahrungen sammeln, 2021 um Medaillen kämpfen und 2024 kann ich jetzt jede Sekunde geniessen.» Nach Paris wird er seine Karriere beenden, wird mit seiner Frau Charlotte (29) auf Reisen gehen. «Im Januar geht es los, ich freue mich riesig darauf.»

«Das ist einfach nur traurig»

Doch zuvor hat er noch dieses eine grosse Ziel: «An eine weitere Olympia-Medaille zu glauben, wäre vermessen, aber die Halbfinals zu erreichen, das wäre riesig.» Möglich, dass er in einem seiner Läufe gegen den Chinesen Shun Wang antreten muss, den Olympiasieger über 200 Meter Lagen von Tokio. Damals nahm ihm der Chinese 1,16 Sekunden ab. Doch er war mutmasslich gedopt.

Shun Wang ist einer von 23 Sportlern, die vor Tokio positiv getestet wurden. Die Küche sei kontaminiert gewesen, behaupten die Chinesen und sprachen die Athleten von jeder Schuld frei. Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada folgte der Argumentation. Shun Wang durfte starten und wurde Olympiasieger.

Dieser Fall der offensichtlichen Vertuschung wurde erst im Frühjahr 2024 publik. Immer mehr Details kommen nun ans Licht und es werden kurz vor Olympiastart neue Hinweise kommen, welche die Argumentation der Chinesen ad absurdum führen und den Druck auf die Wada erhöhen könnten. Desplanches verfolgt die Sache interessiert, aber machtlos. «Wenn es Athleten gibt, welche einfach besser sind als ich, akzeptiere ich das. Ich habe gehofft, dass die beiden, die mich in Tokio geschlagen haben, fair und sauber waren. Offensichtlich ist das nicht so. Das ist einfach nur traurig», sagt er.

Bekommt er die Silbermedaille per Post?

«Die Dopingkontrolleure sind mir die ganze Zeit auf den Fersen. Und das ist auch gut so. Aber ich hoffe, dass es für alle gleich ist, und dass sie genauso unnachgiebig sind. Aber leider habe ich dafür keine Garantie.» Falls die Wada wegen des öffentlichen Druckes den Fall doch noch mal aufmachen sollte, den sie längst abgeschlossen haben wollte, könnte es theoretisch sogar sein, dass die Tokio-Bronzemedaille von Desplanches nachträglich versilbert wird.

Der Genfer zuckt die Achseln. Das hätte keinen Einfluss auf das Fazit seiner Karriere, mit der er extrem zufrieden ist. «Ich habe mit meiner Familie und meinen Sponsoren damals mit der Bronzemedaille um den Hals gefeiert. Sollte ich jemals die Silbermedaille nachträglich mit der Post erhalten, wird das nicht mehr dasselbe Gefühl auslösen. Ich würde ein Glas Champagner trinken gehen und dann ist es vorbei.»

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