Die Königsdisziplin der Leichtathletik ist zweifellos der 100-Meter-Sprint. Kein Wunder, warteten die Fans an den Olympischen Spielen am Wochenende gespannt auf diese Medaillen-Entscheidungen.
Den Anfang machten am Samstagabend die Frauen. Wie es sich für einen Final gehört, wurden die Athletinnen einzeln im Stadion begrüsst. Auch Mujinga Kambundji (32) hatte ihren Solo-Auftritt und wurde mit tosendem Applaus empfangen. So umjubelt der Einlauf auch war, er kam eher nüchtern und ohne spezielle Effekte daher.
Unterschied wie Tag und Nacht
Ganz anders am Sonntagabend bei den Männern. Bevor sich Noah Lyles (27) zum Sprint-König krönte, wurde den Zuschauern richtig eingeheizt. Das Stade de France wurde abgedunkelt, eine minutenlange Lichtshow – unterlegt mit Musik – läutete das Highlight ein, ehe ein Athlet nach dem anderen das Stadion betrat. Der Spannungsbogen wurde gespannt und fand seinen Höhepunkt mit dem Tausendstel-Entscheid zugunsten von Lyles.
Eine Disziplin, die mit zwei Shows wie Tag und Nacht zelebriert wird – das sorgt für viel Unverständnis. Wo bleibt die Gleichberechtigung, die sich das Olympische Komitee so gross auf die Fahne geschrieben hat? Auch die Frauen rufen über 100 Meter ihre Höchstleistung ab. Wir hätten uns für Mujinga Kambundji ebenfalls eine solche Show gewünscht. Denn wenn es eine verdient hätte, dass ihr Auftritt so pompös und spektakulär angekündigt wird, dann unsere Sprint-Königin. Nach den beiden Finals über 100 und 200 Meter vor drei Jahren in Tokio lief sie in Paris ihren dritten Olympia-Final. Ein vierter kann noch folgen. Auch über 200 Meter steht Kambundji im Halbfinal. Eine einmalige Leistung in der Schweizer Leichtathletik.
«Ein Fauxpas»
Auch SRF-Expertin Ellen Sprunger (37) kann am Sonntagabend nur den Kopf schütteln. Sie versteht nicht, wieso aus dem Final der Männer ein solches Spektakel gemacht wurde und aus dem der Frauen nicht. «Das geht gar nicht», sagt die ehemalige Siebenkämpferin und 200-m-Sprinterin. «Für mich ist das ein Fauxpas.»
Was die Organisatoren dazu bewegt hat, die beiden Sprint-Finals unterschiedlich zu inszenieren, wissen nur sie selber. Bei zwei Dingen konnten sie aber keinen Unterschied machen: Frauen und Männer mussten 100 Meter sprinten und bekamen jeweils die gleichen Medaillen.