Sergei Aschwanden (48), der ewige Kämpfer, nimmt einen neuen Kampf auf: Er will Präsident von Swiss Olympic werden. Der ehemalige Judo-Star muss dabei zwei mächtige Gegner aus dem Weg räumen, bevor er die Leitung des Dachverbands des Schweizer Sports und des Nationalen Olympischen Komitees der Schweiz übernehmen kann: die ehemalige Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold und den ehemaligen CEO von Swiss-Ski, Markus Wolf.
Der Bronzemedaillengewinner der Olympischen Spiele 2008 in Peking lässt sich nicht abschrecken. Der Olympia-Dritte von 2008, der dem Schweizerischen Judo- und Ju-Jitsu-Verband vorsteht, glaubt an seine Chancen. Der Familienvater ist ausserdem Grossrat der FDP (Liberaldemokratische Partei) im Kanton Waadt und leitet den Tourismusverband Porte des Alpes. Er setzt auf seine sportliche und politische Expertise, um zu überzeugen.
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Der Sohn eines Schweizers und einer Kenianerin sieht in der Vielfalt seiner Herkunft und seines Werdegangs ein Vorteil. Er will am 22. November die Nachfolge des Zürchers Jürg Stahl antreten.
Blick: Sergei Aschwanden, warum kandidieren Sie für das Amt des Präsidenten von Swiss Olympic?
Der Sport ist mein Leben. Und das mit einer 360-Grad-Sicht, denn ich war bislang als Spitzensportler, Trainer, Stratege und Funktionär in mehreren Verbänden aktiv. Ich habe mitbekommen, dass mich einige gerne an der Spitze von Swiss Olympic sehen möchten. Nach reiflicher Überlegung und zahlreichen Absprachen habe ich mich entschieden, mich für diese Wahl zur Verfügung zu stellen.
Können Sie uns etwas über Ihren sportlichen Lebenslauf erzählen?
Ich bin seit 30 Jahren im Sport aktiv. Zunächst als Breiten- und Nachwuchssportler. Dann als Spitzensportler und Profi. Dann wurde ich Vereinstrainer und Trainer von Jugend+Sport, dem wichtigsten Förderprogramm des Bundes. Schliesslich entwickelte ich mich als Sportfunktionär auf nationaler Ebene zum Präsidenten des Schweizerischen Judo- und Ju-Jitsu-Verbandes und auf internationaler Ebene zur Europäischen Judo-Union. Darüber hinaus bin ich seit über zehn Jahren politisch aktiv, was nicht zu unterschätzen ist. Sie werden übrigens bemerken, dass es derzeit ein Nationalrat ist, der an der Spitze von Swiss Olympic steht.
Ist diese doppelte Expertise wichtig?
Sie ist sogar unerlässlich. Ich denke, dass es notwendig ist, eine 360°-Sicht auf den Sport zu haben und dass man die politischen Mechanismen besonders gut kennen muss, um den Schweizer Sport dorthin zu bringen, wo er hingehört. Das ist bei mir der Fall. So denken jedenfalls die elf Kampfsportverbände – zwölf mit dem Verband, dem ich vorstehe – die meine Kandidatur unterstützen.
Was ist eigentlich der Job des Präsidenten von Swiss Olympic? Ist es reine Repräsentation?
Es ist eine strategische Funktion, deren Aufgabe es ist, die Hauptachsen des Schweizer Sports zu definieren. Dies gilt umso mehr, als wir auf wichtige Termine zusteuern. Ein Beispiel dafür sind die Olympischen Winterspiele, die wir 2038 ausrichten sollen, oder die European Championships, die wir ebenfalls erhalten könnten. Auf einer ganz anderen Ebene sind die steigenden Gesundheitskosten zu nennen. Wenn man die gesundheitlichen Vorteile von Sport kennt, weiss man auch, dass es wichtige Karten gibt, die man ausspielen kann, um die Sportvereine in diesem Land zu unterstützen.
Was werden Sie tun, wenn Sie von Ihren Kollegen gewählt werden?
Ich habe fünf Prioritäten. Die erste ist die Entwicklung des Schweizer Sports mit einer sektoralen Strategie, die mit den Verbänden entwickelt wird. Sehr grosse Verbände haben andere Bedürfnisse als kleinere. Swiss Olympic muss in der Lage sein, sich an diese unterschiedlichen Realitäten anzupassen. Darüber hinaus müssen wir den Athleten eine bessere Unterstützung bieten. Dies erfordert Koordination und Lobbyarbeit in Verbindung mit den in der Schweiz ansässigen internationalen Verbänden, dem IOC und dem Bund.
Was gibt es sonst noch?
Swiss Olympic muss eine agile Organisation werden. Die Verbände stützen sich auf viele Freiwillige, die nicht unbedingt die Zeit haben, alles zu tun. Sie haben gezielte Bedürfnisse, die wir identifizieren müssen. Swiss Olympic, der Dachverband des Schweizer Sports und gleichzeitig das Nationale Olympische Komitee, muss zudem die Vernetzung der verschiedenen Organisationen unterstützen, Sponsoren finden und die Projektentwicklung der Verbände mit eigenen Mitteln fördern. Als Grossrat des Kantons Waadt hatte ich das Glück, die Initiative zu tragen, die verlangte, dass 1 Prozent des kantonalen Budgets für den Sport bereitgestellt wird. Ich würde sehr gerne in allen Schweizer Kantonen das Gleiche entwickeln.
Sie sind Romand und haben Wurzeln in Kenia. Sind das Hindernisse bei dem neuen Kampf, den Sie führen wollen?
Nelson Mandela sagte, dass der Sport die Macht hat, die Welt zu verändern. Ich teile seine Vision. Mein Vater stammt aus dem Urnerland, meine Mutter aus Kenia. Ich lebe seit vielen Jahren in der Westschweiz und habe über 20 Jahre lang auf der anderen Seite der Saane gelebt, von wo auch meine Frau stammt. Ich sehe diese Vielfalt eher als Reichtum an. Mein Werdegang ist ein Spiegelbild der Schweizer Gesellschaft, in die sich jeder integrieren kann, und der Sport ist ein perfektes Beispiel dafür.
Sie treten gegen die ehemalige Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold und den Ex-CEO von Swiss-Ski Markus Wolf an. Glauben Sie an Ihre Chancen?
Natürlich, sonst wäre ich nicht hier. Viele Verbände, die mir ihre Unterstützung zugesichert haben, haben mir gesagt, dass sowohl der politische als auch der sportliche Aspekt wichtig sind. Ich habe beides.
Welchen Gegner fürchten Sie am meisten?
Angst ist nie ein guter Ansatz. Im Sport konzentriert man sich auf sich selbst und auf die Prioritäten und Werte, die man verteidigen will.
In diesem Trio sind Sie der einzige Olympiamedaillengewinner. Ist das ein Vorteil für Sie?
Ich hatte dieses grosse Privileg und will es nicht verbergen. Es war ein langer Weg, eine aussergewöhnliche Erfahrung! Das ist eines der Elemente, die ich in meiner Kampagne hervorheben werde, denn in den Sphären des internationalen Sports ist das ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Wenn man Ihnen zuhört, hat man den Eindruck, dass Sie sich weniger für den Breitensport als für den Spitzensport interessieren.
Das ist überhaupt nicht der Fall! Der Breitensport braucht den Spitzensport und umgekehrt. Je breiter die Pyramide unten ist, desto höher ist sie. Und je höher die Spitze, desto mehr strahlt die Basis. Deshalb ist es so wichtig, die 120 Mitglieder von Swiss Olympic bei ihren Sportprojekten zu unterstützen. Vergessen Sie nicht, dass der Breitensport der Kitt zwischen den Generationen ist: Er fördert das Zusammenleben, bekämpft alle Formen von Diskriminierung und vermittelt Werte wie Respekt und Selbstüberwindung.
Sie haben bereits viele Hüte auf. Unter anderem als Direktor des Tourismusverbands Porte des Alpes und als FDP-Grossrat im Kanton Waadt. Wenn Sie zum Präsidenten von Swiss Olympic gewählt werden, werden Sie dann auf einige Ihrer Ämter verzichten?
Es stimmt, dass ich sehr engagiert bin und verschiedene Tätigkeiten gleichzeitig ausübe. Aber es versteht sich von selbst, dass ich an einem Scheideweg angelangt bin. Wenn Wahlen anstehen, werde ich einige meiner Ämter niederlegen.
Welche werden das sein?
Das steht noch nicht fest, aber ich habe bereits einige Ideen.
Denken Sie zum Beispiel an den Grossen Rat?
Wenn ich zum Präsidenten von Swiss Olympic gewählt werde, werde ich mein Mandat im Kantonsparlament aufgeben, aber nicht nur das.