Erst zitterte und weinte er vor lauter Emotionen, die nach dem gewonnenen Matchball gegen Carlos Alcaraz (21) in ihm hochkamen, dann feierte er ein rauschendes Fest. Novak Djokovic hat mit Olympiagold in Paris die letzte grosse Lücke in seinem Trophäenschrank gefüllt. Er hat mit 37 als Einzelsportler alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Das lässt Fragen zu seiner Zukunft aufkommen.
Fällt Djokovic jetzt in ein Motivationsloch?
Es ist nebst der körperlichen Komponente, die bei einem Spieler in seinem Alter immer mitspielt, die grösste Herausforderung für den Serben. Zuletzt hat er immer wieder durchblicken lassen, dass er Motivationsprobleme hatte, «und zwar auf konstanter Basis». Das gilt vor allem für die Tour und die kleineren Turniere. Djokovic hat schon vor den Olympischen Spielen keinen Hehl daraus gemacht, dass für ihn die Familie mit Frau Jelena (38) und den Kindern Stefan (9) und Tara (6) sowie die grossen Jahreshighlights wie Grand Slams oder Olympia Priorität geniessen. Jetzt wird sich der 24-fache Grand-Slam-Champion neu ordnen müssen.
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Kommt jetzt sein Rücktritt näher?
Kaum. Was Djokovic antreibt, ist ein innerer Konflikt mit sich selbst. Er habe das Gefühl, nie gut genug zu sein, verriet er nach dem Gold-Coup in Roland Garros. Sein Körper erlaubt ihm zudem noch immer, trotz Knieverletzung an den French Open, Leistungen auf allerhöchstem Niveau abzurufen. Solange Djokovic nicht innerlich ganz zur Ruhe kommt und weiterhin (fast) der ganzen Konkurrenz auf der Nase herumtanzt, wird der Rekordmann nicht aufhören. «Ich habe den Rücktritt nicht im Kopf, obwohl viele Leute das gerne sehen würden», sagte er kürzlich.
Wie hoch ist sein Olympia-Gold einzustufen?
Djokovic spricht in der Euphorie vom «womöglich grössten sportlichen Erfolg» seiner Karriere. In der Tat ist die Art, wie der Mann aus Belgrad zu Gold marschierte, beeindruckend. Erst vor zwei Monaten hatte er sich eine Meniskusverletzung im Knie zugezogen. Sein Start in Wimbledon war unsicher, trotzdem schaffte er es rechtzeitig, fit zu werden und gar in den Final einzuziehen. Wiederum drei Wochen später triumphiert er in Paris auf olympischer Ebene. Mit dem Druck, womöglich die letzte Gelegenheit dazu zu haben. Und mit dem aktuell besten Tennisspieler der Welt auf der anderen Seite des Netzes, French-Open- und Wimbledon-Sieger Alcaraz. Djokovics Goldmedaille ist eine Monsterleistung.
War dies sein Olympia-Abschied?
Möglich. Djokovic ist 37 Jahre alt, er spürt zunehmend, wie der Zahn der Zeit an ihm nagt. An den nächsten Sommerspielen in den USA wird er 41 sein – und niemand weiss, wie konkurrenzfähig er dann noch sein wird, sollte er tatsächlich noch auf Profilevel spielen. Doch Djokovic ist ganz Djokovic, wenn er sagt: «Ich möchte 2028 in Los Angeles dabei sein, ich geniesse es einfach, für mein Land zu spielen.»
Was gibt es noch zu holen für Djokovic?
Mit dem Karriere-Golden-Slam ist Djokovic in einen erlauchten Kreis aufgestiegen. Nur Steffi Graf (55), Serena Williams (42), Rafael Nadal (38) und Andre Agassi (54) ist es ebenfalls gelungen, in ihrer Laufbahn alle vier Grand Slams sowie Olympia-Gold im Einzel zu gewinnen. Graf ist dabei die Einzige, der dies in einem einzigen Jahr gelungen ist. Was Rekordjäger Djokovic noch fehlt, ist der 25. Grand-Slam-Titel, mit dem er den alleinigen Allzeit-Rekord halten würde – bislang hält er die Bestmarke zusammen mit der Australierin Margaret Court (82). Auch den Wimbledon-Rekord von Roger Federer (42, acht Trophäen) hat Djokovic noch nicht erreicht – er steht bei sieben. Und der sogenannte Grand Slam, also alle Major-Turniere innerhalb einer Saison siegreich abzuschliessen, blieb ihm bislang auch verwehrt.