Nicht überall, wo Tom Lüthi draufsteht, ist auch Tom Lüthi drin! «Ich transportiere von Zigaretten über Schokoriegel bis Medikamente und Katzenfutter alles», sagt Danny Müller, ein LKW-Fahrer mit besonderem Truck. Sein Strassen-Gigant ist der bunte Hund in der Flotte von Logistik-Unternehmen Planzer. Der optische Auftritt ist komplett im Design von Markenbotschafter Lüthi gehalten.
Genauso gigantisch wie Müllers Truck soll auch Lüthis Saison werden. Obwohl die Pandemie den Rennkalender völlig auf den Kopf gestellt hat, bleibt Toms Ziel unverändert: «Ich will um den WM-Titel fahren.» Statt ursprünglich 20 Grands Prix müssen für Lüthis Weltmeistertraum nun 13 Geisterrennen in vier Monaten ausreichen. Lüthi: «Es geht Schlag auf Schlag. Die Organisatoren haben viel Arbeit in das Schutzkonzept investiert, es sieht ausgereift aus.»
Das 14. Rennen in der Wertung – respektive das bereits gefahrene – scheint aus einer anderen Zeit zu stammen. Der Saisonauftakt am 8. März in Katar beginnt für Lüthi mit einer Enttäuschung (nur Rang 10). Aber der Re-Start 133 Tage nach dem Auftakt ist für den Emmentaler eine zweite Chance, es beim ersten GP nach langer Pause besser zu machen. «Katar muss ich vergessen», sagt Lüthi, «der Re-Start ist fast wie ein Neustart. Ich möchte in Jerez dort weitermachen, wo wir beim Wintertest aufgehört haben.»
Schutzkonzept goldrichtig
Im Februar knallt Lüthi eine Traum-Rundenzeit hin, drängt sich so als Titelfavorit auf. Mit Rang 2 am Testtag letzten Mittwoch, der einzigen Ausprobier-Möglichkeit vor dem ersten GP-Training am Freitag, rast der Emmentaler auf den zweiten Rang. Tom ist ready, beim ersten Geisterrennen der Töff-Geschichte Grosses abzuliefern. «Es wird komisch sein, vor leeren Tribünen zu fahren. Als ob sich niemand für uns interessiert.»
Mit Fans wäre das strenge Schutzkonzept aber niemals abgesegnet worden. Auch die Teams müssen sich an Kontingente halten, sodass im Fahrerlager nur rund 1700 statt wie sonst rund 5000 Menschen sind. Ein Zwei-Fahrer-Team in der Moto2 wie Lüthis deutscher IntactGP-Rennstall darf nur zwölf Personen aufbieten. Da hatte zunächst Rennfahrlehrer Alvaro Molina, eine Art Töff-Guru und für Lüthi ein wichtiger Vertrauensmann, keinen Platz. Aber nun ist der Spanier vor Ort. Da er auch für Moto3-Debütant Jason Dupasquier aus Sorens FR arbeitet, fand er im Kontingent von dessen Team Unterschlupf.
«Am Anfang war eine Leere da»
Lüthis Crew ist komplett. «In der Box und auf der Strecke werden wir unseren Job wie immer machen können. Das ist das Wichtigste.» Man spürt bei Toms Begegnung mit «seinem» Truck: Der Berner ist richtig heiss, endlich wieder Gas geben zu können. «Am Anfang der Corona-Pause war eine Leere da. Wir hatten keine Ahnung, wann es weitergeht.»
Doch der 125-ccm-Weltmeister von 2005 versichert, dass er keinen Tag mit Langweile zuhause in Linden BE verbracht hat. Daheim aufräumen und viel Training waren statt GP fahren auf dem Programm. «Die Fitness und Ausdauer wird bei 13 Rennen in vier Monaten sehr wichtig sein. Und man darf sich keinen Durchhänger erlauben», sagt Lüthi, dem 2019 wegen einer Schwächeperiode zur Saisonmitte der Titel entglitt.
Ob der Moto2-Routinier 2020 durchstartet, wird LKW-Fahrer Danny Müller in der nächsten Zeit auf den Schweizer Strassen spüren. Der Pilot des Lüthi-Brummis sagt: «Wenn Tom gut gefahren ist, winken und hupen mir die Leute öfters!»