Koks, Partys und brennende Toiletten
Das wilde Leben von Töff-Rockstar Barry Sheene (†52)

Barry Sheene war ein Rockstar auf zwei Rädern und liess nichts aus: Koks, Partys mit James Hunt und den Beatles und brennende Klos. Am Freitag wäre er 70 Jahre alt geworden.
Publiziert: 11.09.2020 um 18:58 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2020 um 19:50 Uhr
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Legendär: Barry Sheene auf seiner Suzuki mit der Nummer 7.
Foto: imago images/Thomas Zimmermann
Patrick Denner

Wie schon in all den Jahren zuvor waren die Teams beim finnischen Motorrad-Grand-Prix 1971 in Imatra auf einem herunter­gekommenen Sportgelände untergebracht. Mehr als 300 Menschen teilten sich zwei Toiletten und ein paar Duschen, was beinahe unerträgliche hygienische Zustände zur Folge hatte. Sonntagabends nach den Rennen schüttete Barry Sheene kurzerhand einen Kanister Sprit über das morsche Holzgebäude und zündete es an. «Die Toiletten waren ekelhaft, also brannte ich sie nieder», erklärte er anschliessend lapidar.

Typisch Sheene – dem am 11. September 1950 in London als Sohn eines ehemaligen ­Motorradrennfahrers geborenen Engländer eilte der Ruf ­voraus, frech, vorlaut und schlitzohrig zu sein. Bereits im Alter von 18 Jahren stieg er professionell in den Motorradsport ein. Nur zwei Jahre später bestritt er beim Grossen Preis von Spanien in der 125-ccm-Klasse auf einer privaten Suzuki sein erstes WM-Rennen und belegte auf Anhieb den zweiten Platz.

Kein Fitness, dafür viele Zigaretten

Allerdings plagten Sheene Anfang der 1970-Jahre grosse Geldsorgen. «Ich war arm wie eine Kirchenmaus. Ich hatte in Salzburg eine Woche vor dem deutschen Grand Prix nicht einmal genug Geld, um die Weiterfahrt nach Hockenheim zu bezahlen», sagte er später. Trotz dieser Probleme dachte das ­junge Talent mit dem draufgängerischen Fahrstil nicht einen Moment daran, aufzugeben. «Er hatte einen enormen Glauben an sich und sein Können», wusste sein ehemaliger Teamkollege Steve Parrish zu berichten.

Dieser Glaube führte ihn 1974 in die damalige Königsklasse bis 500 ccm. Fortan verlief Sheenes Weg – nicht nur finanziell – endgültig nach ganz oben. Auf ­einer Werks-Suzuki gewann er 1976 und 1977 insgesamt elf Rennen und wurde in beiden Jahren unangefochten Weltmeister. Seine Erfolge waren umso erstaunlicher, weil er als passionierter Raucher von Fitnesstrainings rein gar nichts hielt und es täglich auf 40 bis 60 filter­lose Zigaretten brachte. Die Sucht ging sogar so weit, dass er sich ein Loch in den Kinnschutz seines Helms bohrte, um Sekunden vor dem Start des Rennens noch an einer Filterlosen ziehen zu können.

Mit F1-Weltmeister Hunt um die Häuser

Doch selbst der zweifache Weltmeister blieb von schweren Stürzen nicht verschont. Am schlimmsten erwischte es ihn im Sommer 1982 in Silverstone – mit über 240 km/h fuhr er in das auf der Fahrbahn liegende Motorrad eines gestürzten Konkurrenten. Dabei brach er sich zahlreiche Knochen, die mit 27 Schrauben wieder zusammengesetzt werden mussten. «Wenn ich ein Rennpferd wäre, hätte man mich längst erschossen», kommentierte Sheene ­seinen Unfall mit Galgenhumor. Gerade einmal acht Monate nach diesem Horrorcrash gab er beim Grand Prix von Südafrika sein Comeback.

Abseits der Rennstrecke genoss der Publikumsliebling, der drei Fremdsprachen fliessend sprach, das Leben in vollen Zügen. Der gut aussehende und charmante Playboy eroberte die Herzen zahlloser Frauen, feierte die wildesten Partys und hatte nicht nur eine ausgesprochene Schwäche für Alkohol, sondern dem Vernehmen nach auch für Kokain. Mit dem Formel-1-Weltmeister James Hunt traf er auf einen Bruder im Geiste – beide pflegten einen ausschweifenden Lebensstil und zogen nachts öfter gemeinsam um die Häuser. Sheene brachte den Glamour in den Motorradsport: Er unterhielt Freundschaften mit den beiden Ex- Beatles Ringo Starr und George Harrison, fuhr einen Rolls-Royce, besass einen Hubschrauber und heiratete ein Fotomodell.

Krebs-Tod in Australien

Nach 102 Grand-Prix-Rennen mit 23 Siegen und 29 weiteren Plätzen auf dem Podium ­beendete der Lebemann 1984 seine Karriere als Rennfahrer. Vor allem wegen des Klimas – er litt an Arthritis – wanderte er kurz darauf nach Australien aus. Angeblich soll ihm zudem die englische Steuerfahndung auf den Fersen gewesen sein. In seiner neuen Heimat heuerte er beim Fernsehsender Channel Nine als Kommentator an und gelangte aufgrund seiner Redegewandtheit und Schlagfertigkeit schon bald zu grosser Popularität.

Im Juli 2002 wurde bei Sheene Magen- und Speiseröhrenkrebs diagnostiziert. Seine Weigerung, sich schulmedizinisch behandeln zu lassen, zeigte noch einmal seinen ganzen Individualismus. Er lehnte jeden chirurgischen Eingriff kategorisch ab und wollte sich nicht zerschnipseln lassen. «Ich bin mit einem kompletten Körper geboren worden, und ich werde mit einem vollständigen Körper sterben», gab er mit grosser Bestimmtheit zu Protokoll.

Stattdessen schwor er auf natürliche Heilmethoden, die sich aber letztendlich als er­folglos erweisen sollten. Am 10. März 2003 erlag Barry ­Sheene im australischen Surfers Paradise seiner schweren Krankheit. Die Welt des Motorradsports trauerte um eine seiner grössten Persönlichkeiten. Australiens Rennlegende Mick Doohan, von 1994 bis 1998 fünfmal in Folge Weltmeister der 500-ccm- Klasse, erklärte erschüttert: «Wir wussten zwar, wie krank er ist, doch sein Tod geht mir nahe. Ich bin sehr traurig und werde Barry vermissen.» Sheene hinterliess eine Frau und zwei Kinder.

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