Es ist der grosse Horror aller Vendée-Globe-Segler: Bei vollem Tempo irgendwo auf offenem Meer mit einem Hindernis zusammenzustossen. So passierts dem Solo-Weltumsegler Boris Herrmann (39). Der Deutsche kracht mitten in der Nacht in ein Fischerboot – und das läppische 157 Kilometer vor dem Ziel.
«Das ist der schlimmste Alptraum, der mir bislang passiert ist», sagt Herrmann in einer Videobotschaft. 80 Tage lang hat er beim härtesten Segelrennen der Welt sensationell um den Sieg mitkämpft. Nun kommt der Deutsche mit seinem schwer beschädigten Boot als Vierter in den Hafen von Les Sables d'Olonne (Fr).
«Fotofinish» um den Sieg
Das Trio vor ihm kommt am 81. Tag innert weniger Stunden ins Ziel – so irre eng war das Rennen rund um den Globus noch nie. Es ist so eng, dass der Dritte zum Sieger erklärt wird: Denn Yannick Bestaven (48) bekommt eine 10:15-Stunden-Zeitgutschrift, weil er unterwegs einem Gegner in Seenot geholfen hat. Mit der Bonifikation reichts dem Franzosen zum grossen Triumph beim «Mount Everest der Meere».
Noch rund 5500 km vor sich hat Alan Roura (27). Der Genfer liegt mit seiner beschädigten Kiel-Hydraulik auf Rang 16. Gestartet zur verrückten Solo-Weltumseglung sind am 8. November in Frankreich 33 Skipper, darunter sechs Frauen – mit Clarisse Cremer (31) auf Rang 12 liegt eine Frau vor Roura. Auch Samantha Davies (46) war vor dem Schweizer platziert, als sie wegen einer Kollision aufgeben muss.
Roura über veraltetes Seebären-Image
Als BLICK mit Roura vor seinem Mega-Abenteuer über die weibliche Konkurrenz spricht, sagt er: «Holen Frauen starke Ergebnisse, wird viel Blödsinn geredet, es heisst dann, «sie hatten sicher nur ein super Boot.» Dabei ist die Wahrheit viel einfacher: Sie sind einfach sehr gute Seglerinnen! Für mich ist es völlig normal, dass Frauen stark segeln. Ich wäre stolz, eine Frau zu bezwingen, denn das ist eben alles andere als einfach.»
Vor dem Start zu seiner zweiten Vendée Globe wird Roura oft auf die sechs Frauen angesprochen. Aber der Genfer sagt: «Warum sollten es nicht 50 Prozent des Startfeldes sein? Man stellt sich das Segeln immer als total männlichen Sport vor, weil man das Bild eines alten Seebären vor sich hat. Das Image ist immer noch so, dass es nur um die Kraft in den Armen geht.»
«Frauen bereiten sich seriöser vor»
Doch auf hoher See kann die Kraft am Ruder, beim Trimmen, beim Segel-Setzen oder bei Reparaturen doch entscheidend sein? Roura: «Natürlich ist ein Mann bei einem einzelnen Manöver wegen der Körperkraft im Vorteil. Aber auf lange Sicht sind Frauen viel, viel stärker. Sie bereiten sich seriöser vor als Männer, deshalb sind ihre Leistungen so gut.»
Momentan ist es für Roura sowieso sekundär, wer vor ihm liegt. Er will sein «La Fabrique»-Schiff einfach nur noch ins Ziel bringen. Wegen diversen Pleiten, Pech und Pannen unterwegs hat er sein Top-Ten-Ziel längst über Bord werfen müssen.