Schützin Christen erzählt von Olympia-Enttäuschung
«Ich weinte in der Garderobe»

Olympiasiegerin Nina Christen verpasste in Frankreich die Titelverteidigung. Zwei Monate später blickt die Schützin auf die schwierigen Tage zurück, kritisiert den Verband und verrät ihre Zukunftspläne.
Publiziert: 13.10.2024 um 18:26 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2024 um 21:34 Uhr
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Nina und Nino: Christen trug mit Schurter in Paris bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele die Schweizer Fahne.
Foto: AFP

Auf einen Blick

  • Schützin Nina Christen reiste ohne Olympiamedaille in die Schweiz zurück
  • Nach dem Wettkampf weinte sie in der Garderobe mit anderen Athletinnen
  • Christen kam nicht mit dem gewaltigen Druck auf ihren Schultern klar
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Nicola AbtReporter Sport

Nina Christen (30) musste sich nach den Olympischen Spielen ein Alternativprogramm suchen. Die ersten zehn Tage waren für Medientermine reserviert. «Nur wenige Journalisten riefen mich an», erzählt die Olympiasiegerin. Sie verpasste in Paris die Titelverteidigung, reiste ohne Medaille nach Hause. Beim Wandern fand sie die Ruhe, um über das enttäuschende Olympia-Resultat nachzudenken. 

Nun spricht Christen über ihre Erkenntnisse. «Viele kleine Dinge haben nicht gepasst», beginnt sie zu erzählen. Schnell wird klar, dass Christen über gewisse Vorkommnisse nicht sprechen möchte. «Es gab äussere Einflüsse, die ich leider nicht kontrollieren konnte.» Das betrifft unter anderem ihren Gewehrtrainer Torben Grimmel. Der Verband liess ihn zu Hause. Die beiden der Schweiz zur Verfügung stehenden Akkreditierungen erhielten Pistolentrainer Mauro Biasca und Gewehrtrainer Enrico Friedmann. 

Schützen-Chef erklärt Trainerentscheid

Christen erfuhr von dieser Entscheidung vier Wochen vor den Olympischen Spielen. «Im Nachhinein gesehen, war es zu kurzfristig.» Die neue Situation beschäftigte Christen. «Dadurch konnte ich nicht meine ganze Energie in die Wettkampfvorbereitung stecken.» Daniel Burger, Chef Leistungssport bei den Schweizer Schützen, erklärt die Trainerwahl so: «Enrico Friedemann arbeitet näher mit den anderen Athleten zusammen. Torben ist zu weit weg.»

Was er damit meint? Friedemann ist Coach der Trainingsgruppe um die Olympia-Teilnehmer Christoph Dürr, Chiara Leone und Audrey Gogniat. Christen war als einzige Olympia-Teilnehmerin bei Grimmel. Ohne Akkreditierung wollte ihn Burger nicht dabei haben. «Du kommst nicht an die Athleten heran», so seine Begründung. Zudem würde es die Gruppendynamik stören.

Druck machte Christen zu schaffen

Sowohl mit dem Luftgewehr als auch in ihrer Paradedisziplin, dem Dreistellungsmatch, verpasste Christen das Finale der besten acht. Dahinter steckt mehr als nur die Abwesenheit des Trainers. «Ich hatte Mühe mit dem gewaltigen Druck.»

Als Titelverteidigerin stand sie im Vorfeld und während der Spiele unter besonderer Beobachtung. Obwohl sie sich mit ihrem Sportpsychologen Jörg Wetzel intensiv darauf vorbereitete, machte es ihr zu schaffen.

Zwischen den Wettkämpfen kam Fahnenträgerin Christen nicht zur Ruhe. «Ich zweifelte an mir, war immer leicht gestresst. Ich überlegte, was ich noch anders oder besser machen könnte. Teilweise herrschte ein Chaos in meinem Kopf.» 

Tränen in der Garderobe

Dass Christen ihre Bestleistung am Tag X nicht abrufen kann, merkte sie schnell. «Die Waffe bewegt sich leicht mehr als sonst. Ich spürte ein Ziehen im Körper. Bei einem kleinen Fehler begann ich bereits zu hadern.» 

Bevor die Enttäuschung in ihr hochkam, musste etwas anderes raus. «Ich weinte in der Garderobe – mit fünf anderen Athletinnen.» Auch sie starten als Favoritinnen, wie Christen sind sie daran zerbrochen. «Alles kam hoch. Die Emotionen und der ganze Druck, der auf uns lastete.» 

Die Schweizerin gab sich einen Abend Zeit, um mit ihren Olympia-Auftritten abzuschliessen. Am anderen Tag stand mit Chiara Leone eine Teamkollegin im Finale des Dreistellungsmatch. «Es wäre ihr und dem Team gegenüber nicht fair gewesen, wäre ich mit einer schlechten Laune aufgetaucht.» 

So sieht Christen ihre Zukunft

Leones Olympiasieg löste dann auch bei Christen grosse Freude aus. Da sie ihren eigenen Triumph in Tokio wegen der Corona-Pandemie nicht gebührend feiern konnte, genoss sie die Goldparty umso mehr.

Zurück in der Schweiz beschäftigte sich Christen mit ihrer Zukunft. «Ich dachte an den Rücktritt.» Bis eine Frage ihres Sportpsychologen vieles veränderte. «Wenn du in zehn Jahren auf deine Karriere zurückblickst. Ging sie dann so zu Ende, wie du dir das gewünscht hast?» Christen verneinte. 

Zehn Tage nach der Olympia-Enttäuschung stand sie wieder im Schiessstand. In der Vergangenheit fehlte ihr nach einem Grossereignis die Lust dazu. Deshalb verkündet Christen: «Es ist noch nicht der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören. Vorerst plane ich mit einem weiteren Jahr.» Bevor sie wieder ins Training einsteigt, will Christen ihre Ausbildung zur Helikopterpilotin abschliessen.

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