Karl Erb (1926–2018)
Seine TV-Premiere brachte ihm einen Rüffel ein

Vor fünf Jahren verstarb die TV-Legende Karl Erb. Warum einst das Fluchen seiner Tochter am Sender zu hören war. Und weshalb er gleich dreimal verheiratet war.
Publiziert: 05.09.2023 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 05.09.2023 um 07:51 Uhr
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Karl Erb: Zwischen 1955 und 1984 kommentierte er fürs Schweizer Fernsehen.
Foto: Si
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Daniel LeuStv. Sportchef

Spätsommer 1955. Karl Erb ist zu jenem Zeitpunkt 29 Jahre alt, hat sich bereits als Sportjournalist bei zahlreichen Zeitungen einen Namen gemacht und weilt gerade in Zermatt in den Ferien, als ihn Jan Hiermeyer anruft. Der damalige Sportchef des Schweizer Fernsehens sagt: «Wir können von der RAI erstmals eine Direktübertragung von einem Autorennen übernehmen, haben aber keinen Kommentator. Sie gehen doch als Journalist nach Monza. Würden Sie für uns arbeiten?»

Erb muss nicht lange überlegen und sagt zu. Am 11. September 1955 wird deshalb erstmals seine Stimme in die Schweizer Wohnstuben übertragen. Nicht zur Freude aller, wie Erb später mal Blick erzählt: «Als Staatspräsident und Erzbischof eintreffen, lasse ich einige giftige Bemerkungen fallen, was mir später einen Rüffel einträgt: ‹Kritik an ausländischen Staatsoberhäuptern ist zu unterlassen.›»

Als Erbs Stimme knapp drei Jahrzehnte später ein letztes Mal im Schweizer Fernsehen zu hören ist, fällt die Kritik um einiges wohlwollender aus. «Er war der letzte grosse Sportreporter des Schweizer Fernsehens», urteilt damals zum Beispiel die TV-Legende Kurt Felix. Und die «NZZ» schreibt: «Erb war der erste Schweizer Fernsehstar im Bereich des Sports.»

Erb und sein «Weltcup-Baby»

Zwischen seinem Debüt 1955 und seinem TV-Abschied 1984 hinterliess der gebürtige Berner mit Zürcher Dialekt beim Schweizer Fernsehen und den Zuschauern deutliche Spuren. Und zwar in vielen Sportarten: Leichtathletik, Reiten, Rad, Formel 1. Und natürlich im Ski, wo er gegen 1000 Rennen als Speaker oder TV-Journalist kommentierte. In einer Zeit, die mit der heutigen nicht mehr vergleichbar ist. Erb hat damals die Zeiten noch selbst handgestoppt, weil es keine Einblendungen gab. Oder er hat als Journalist während der Rennen in Kitzbühel auch mal das Zimmer mit Abfahrer Andreas Rüedi geteilt. 

Seinen ersten Einsatz als Speaker hatte er 1953 in Grindelwald übrigens nur, weil der Mann, der ursprünglich dafür vorgesehen war, verschlafen hatte und Erb kurzerhand für ihn einsprang.

Ein Name ist dabei unzertrennlich mit dem von Erb verbunden: Bernhard Russi. Unvergessen, wie er dessen WM-Siegesfahrt 1970 in Val Gardena kommentierte, vor Freude laut schrie und danach mit den Tränen zu kämpfen hatte. Oder als Erb während den Olympischen Spielen 1972 in Sapporo die Goldfahrten von Russi und Maite Nadig aus dem fernen Japan begleiten durfte. Apropos Nadig: Einmal fragte Erb sie: «Wie war der Schnee?» Ihre Antwort: «Weiss!»

Die Wege von Erb und Russi kreuzten sich nicht nur beruflich. Als Erb 1976 Vater wurde, fragte er Russi, ob er Götti von Andrea werden wolle. Russi wollte. Erb nannte Andrea übrigens sein «Weltcup-Baby», weil er es regelmässig zu den Rennen mitnahm. «Sie schlief in ihrem Körbchen neben mir in der Reporterkabine immer tief wie ein Murmeltier», verriet er einst der «Schweizer Illustrierte». Nur einmal habe sie sich bemerkbar gemacht, während des zweiten Slalomlaufs in Kitzbühel. «Phil Mahre fädelte ein und stürzte.» Da habe Andrea laut gerufen: «Gopf, dä muess halt uufpasse.» Ein Satz, der über den Sender ging.

«Ein gut bestücktes Bankkonto»

Was viele heute nicht mehr wissen: Erbs heimliche Liebe galt aber dem Fussball. Während des Zweiten Weltkriegs spielte er bei den GC-Junioren. Und als die Schweiz 1938 an der WM in Paris völlig überraschend Hitlers Grossdeutschland 4:2 besiegte, fieberte er am Radio mit. «In der Schule schrieben wir danach einen Aufsatz zum Thema ‹Der Match›. Ich las meinen Text der Klasse vor, und der Lehrer Günthard sagte: ‹Karl, du musst Sportjournalist werden.›»

1984 verabschiedete sich der damals erst 58-jährige Erb vom Fernsehen. Und zwar freiwillig. Zu Blick sagte er damals: «Ich war 200 Tage im Jahr unterwegs und langsam müde. Zudem sagte ich mir: Gott bewahre mich vor dem Altwerden am Mikrofon.» Und in der «NZZ» meinte er: «Ich hatte alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte: ein Haus, eine Familie und ein gut bestücktes Bankkonto.»

«Alt werden ist einfach ein Riesen-Seich»

Nicht nur das Berufsleben und das Bankkonto von Erb waren gut gefüllt, sondern auch sein Privatleben. Gleich dreimal war er verheiratet. Warum dies so war, erklärte er einst so: «Ich habe mir immer gesagt: Wenn es einmal so weit ist und du feststellst, dass die Reifen abgefahren sind, musst du wie in der Formel 1 rassig die Boxen ansteuern und dort vier neue aufziehen – möglichst in einer Zeit unter sieben Sekunden. Dann geht man wieder ins Rennen und kann nach einer Aufwärmrunde erneut mitmischen.»

Das sagt TV-Legende Beni Thurnheer über Karl Erb

«Karl Erb war der unbestrittene Sportreporter-Star am Schweizer Fernsehen, als dieses in den 60er- und 70er-Jahren in jedem Haushalt eine grosse Rolle spielte. Jeder Deutschschweizer kannte ihn. Er hat eine ganze Generation von Sportreportern beeinflusst, natürlich auch mich. Seinen hohen Ansprüchen galt es zu genügen, sonst folgte die Kritik auf dem Fuss – militärisch klar und mit dem harten Berner Schädel nicht verhandelbar. Nach Erbs Abgang versickerte diese Kritik-Kultur etwas. Schade, sie würde noch heute jedem Reporter guttun.»

«Karl Erb war der unbestrittene Sportreporter-Star am Schweizer Fernsehen, als dieses in den 60er- und 70er-Jahren in jedem Haushalt eine grosse Rolle spielte. Jeder Deutschschweizer kannte ihn. Er hat eine ganze Generation von Sportreportern beeinflusst, natürlich auch mich. Seinen hohen Ansprüchen galt es zu genügen, sonst folgte die Kritik auf dem Fuss – militärisch klar und mit dem harten Berner Schädel nicht verhandelbar. Nach Erbs Abgang versickerte diese Kritik-Kultur etwas. Schade, sie würde noch heute jedem Reporter guttun.»

2018 endete der Lebens-Grand-Prix von Karl Erb. Das hatte sich schon in den Jahren zuvor abgezeichnet. Gegenüber Blick sagte er 2017: «Alt werden ist einfach ein Riesen-Seich. Ich spüre ganz deutlich, dass ich mich in der Nachspielzeit des Lebens befinde. Es geht mir mit jedem Tag schlechter. Sobald ich spüre, dass ich meine Selbständigkeit komplett verliere, werde ich meinem Leben mit Hilfe der Sterbe-Organisation ein Ende setzen.» 

Im September 2018 schlief er im Alter von 92 Jahren im Beisein seiner Tochter und seiner Lebensgefährtin friedlich ein. Die Stimme des Schweizer Sports – sie ist seitdem für immer verstummt.

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