Was war dein Hobby, als du ein Kind warst? Spieltest du Fussball oder Unihockey? Hast du getanzt oder Leichtathletik gemacht? Die Chancen dafür sind hoch. Wächst ein Kind in der Schweiz auf, betreibt es mit grosser Wahrscheinlichkeit Sport. Mit einer Ausnahme: wenn das Kind ein Mädchen mit Migrationshintergrund ist.
Diese Gruppe Kinder treiben in der Schweiz mit Abstand am wenigsten Sport. Eine Statistik des Bundesamtes für Sport aus dem Jahr 2020 liefert deutliche Zahlen: 30 Prozent aller ausländischen Mädchen von 10 bis 14 Jahren machen überhaupt keinen Sport. Werden die Mädchen älter, vergrössert sich dieser Wert sogar auf 37 Prozent.
Mehr Badminton
Das Phänomen ist seit Jahren bekannt. Den Handlungsbedarf erkannt haben aber erst wenige Sportverbände. Beim Schweizerischen Fussballverband ist beispielsweise ein Projekt in der Pipeline, das genau diese Gruppe Kinder abholen soll. Unter anderem ist ein Preis angedacht für jenen Club, der am meisten Mädchen für den Sport begeistern kann. Laut SFV-Sprecher Adrian Arnold soll die Kampagne im kommenden Jahr lanciert werden.
Swiss Badminton als Vorreiter
Drei Schritte weiter ist hingegen Swiss Badminton. Bereits zum dritten Mal finden in diesem Winter Trainings statt, die speziell auf Mädchen mit einem Migrationshintergrund abgestimmt sind. «Supergirls play Badminton», nennt sich das Projekt. «Wir arbeiten mit Vereinen aus der ganzen Schweiz zusammen. Mädchen, die noch nie ein Badmintonracket in der Hand hielten, werden dabei von gleichaltrigen Mädchen, die bereits im Verein sind, gecoacht», erzählt Nicola Schneiter, der beim Verband für das Projekt verantwortlich ist.
Eine Trainingslektion ausschliesslich für Mädchen gestaltet sich etwas anders – weil Mädchen und Jungs im sportlichen Bereich unterschiedlich ticken. «Besonders den jüngeren Mädchen ist das gemeinsame Erlebnis und der Spass viel wichtiger als der Wettkampf», erzählt Schneiter. Nach fast 30 durchgeführten Events habe sich noch kein einziges Mädchen nach einer Rangliste oder einer Siegerin erkundigt, erzählt Schneiter. Im Gegensatz zu Jungs, bei denen Gewinnen oft ganz oben auf der Prioritätenliste steht.
Sport verbindet ohne Worte
Damit wirklich jedes Mädchen, unabhängig von ihrer Sprache oder Herkunft, mitmachen kann, funktionieren die Lektionen auch ohne mündliche Anweisungen. Die Leiterinnen zeigen eine Übung vor, die Mädchen machen sie nach. Funktioniert etwas nicht auf Anhieb, helfen sich die Mädchen gegenseitig.
Auf die Probe gestellt wurde dieses Konzept nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs, erzählt Nicola Schneiter: «Keines der Kinder sprach ein Wort Deutsch, keine der Leiterinnen ein Wort Ukrainisch. Und die aufgebotene Dolmetscherin vergass den Termin. Da zeigte sich, dass man sich auch ohne Worte verstehen kann.»
Um die potenziellen Nachwuchsportlerinnen zu erreichen, ist der Verband auf Unterstützung angewiesen. «Die regionalen Verbände erhalten Flyer, die sie dann in Schulen, Asylheimen, Kinderbörsen oder Sozialdiensten verteilen.» Am Event selber sei es extrem wichtig, mit den Eltern zu sprechen, um eine Verbindung aufzubauen.
Hohe Erfolgsquote
Etwa jedes dritte Mädchen tritt nach einem Supergirls-Event einem regionalen Badminton-Club bei. Eine bemerkenswerte Quote. Natürlich hilft es, dass Swiss Badminton den Mädchen zum Einstieg ein Racket schenkt und den Mitgliederbeitrag für das erste Jahr übernimmt. Doch das Projekt zeigt auch langfristig Wirkung. Schneiter erzählt von einem Mädchen aus Eritrea, das lediglich ein paar Brocken Englisch gesprochen hat. «Mittlerweile spielt sie seit zwei Jahren im Verein und spricht das breiteste Berndeutsch.» Integration, wie sie im Bilderbuch steht.