Auf einen Blick
Alessandra Keller (28) hält sich die Ohren zu, bevor es neben ihr zum zweiten Mal knallt. Verantwortlich für den Lärm ist ihr Freund Nicolas Fischer – auf Kellers Wunsch. Ihr Lebensgefährte hält eine Konfettikanone in den Händen. Die Erste hat er bereits abgefeuert. «Davon bekommt man einen Gehörschaden», sagt die Mountainbikerin lachend.
Doch als die goldenen Schnipsel durch die Luft fliegen, sind alle Bedenken über mögliche Folgeschäden vergessen. Keller springt hoch und grinst. Zwei Jahre hat sie auf diesen Moment gewartet. «Ein tolles Gefühl», so die Gesamtweltcupsiegerin. Auch wenn es sich nicht ganz so abspielte, wie es sich die Nidwaldnerin ursprünglich vorgestellt hatte.
Der Mann für alles
Die Goldregen-Kanone sollte eigentlich direkt nach einem Sieg abgefeuert werden. «Mein Freund wusste, dass ich mir das wünschen würde.» Deshalb packte er den Goldregen die letzten zwei Jahre immer ein, wenn er seine Freundin an ein Rennen begleitete. «Nicolas ist im Rennzirkus meine private Beratungs- und Betreuungsperson», erklärt Keller. Seit fünf Jahren ist sie mit dem ehemaligen Rennfahrer zusammen, der unter anderem als Bike-Coach arbeitet.
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Wann immer es geht, ist er an ihrer Seite. Mittlerweile gehört er fast schon zum Team von Manager Ralph Näf und unterstützt, wo möglich. Während des Rennens gibt er Informationen über Funk weiter. Ansonsten hält er Keller den Rücken frei. Er bringt ihr Rad zum Mechaniker oder holt etwas aus dem Hotelzimmer, das sie vergessen hat – ohne Hektik.
«Er ist ein sehr ruhiger Mensch. Das hilft mir, denn ich bin tendenziell das Gegenteil.» Auch dank ihm fuhr Keller erneut eine starke Saison. Zum zweiten Mal gewann sie den Gesamtweltcup. Zudem triumphierte Keller in der Disziplinenwertung Short Track. Der perfekte Moment für einen Goldregen. Doch der blieb für einmal zu Hause liegen. Dass es nicht schon viel früher zum grossen Knall kam, lag daran, dass Fischer immer die Rennen verpasste, die Keller gewann.
Keller denkt vier Jahre voraus
Ihre Faszination für die goldenen Schnipsel erklärt Keller so: «Ich verbinde mit ihnen eine grosse Freude. So etwas sieht man entweder bei einem Sieg oder einer Hochzeit.» Ob und wann Fischer um ihre Hand anhalten wird, bleibt ein Geheimnis.
Klar ist, dass sich Keller irgendwann eine Familie wünscht. «Ich bin überzeugt, dass es möglich ist, während meiner Karriere Kinder zu haben. Aber nur mit dem richtigen Umfeld.» Das würde aktuell perfekt passen. Trotzdem sagt Keller: «Die Familienplanung hat noch Zeit und bleibt privat.»
Vorerst gilt ihr Fokus voll und ganz dem Sport. Die verpasste Olympia-Medaille in Paris hat Keller längstens verdaut. In ihrem Kopf schwirren bereits die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles herum. «Das ist mein ganz grosses Ziel.» Aktuell erholt sich Keller zu Hause von den jüngsten Strapazen.
Nächste Saison wartet ein besonderes Highlight
Sie gönnt sich eine längere Auszeit als sonst jeweils am Saisonende. Die ganze Olympia-Geschichte mit Selektion, Vorbereitung, Wettkampf und Verarbeitung hat ihr zugesetzt. Danach folgte gleich die Weltmeisterschaft. Zeit zum Durchatmen gab es in den vergangenen zwei Jahren kaum.
«Die Batterien wurden gegen Ende Saison leer. Ich spüre eine grosse Müdigkeit in mir.» Für ein weiteres Rennen mit einer längeren Anreise hätte ihr die Lust gefehlt. Untypisch für Keller. «Das bin eigentlich nicht ich. Normalerweise wäre ich total motiviert.»
Spätestens im Januar dürfte sich Keller wieder freuen, in den Flieger zu steigen. Dann geht es nach Südafrika. In ihrer «zweiten Heimat» absolviert sie ein mehrwöchiges Trainingslager. Mit dem Ziel vor Augen, in der kommenden Saison vor heimischem Publikum in Crans-Montana VS Weltmeisterin zu werden. Und im Goldregen zu feiern.
Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 18. Oktober 2024.