Er kam, sah und sprang allen davon. Simon Ehammer, Zehnkämpfer, 20 Jahre alt. Der Appenzeller macht diesen Sommer mit Wahnsinnsleistungen auf sich aufmerksam: Im Weitsprung knackte er 2020 bereits dreimal die 8-Meter-Marke. Mit 8,15 m ist er schon jetzt die Nummer 2 in der ewigen Schweizer Bestenliste. Dabei ist der Weitsprung nur sein Nebengeschäft. Eigentlich ist Ehammers Disziplin der Zehnkampf – wo er ebenfalls Grosses schaffte: Im Juli gelangen ihm in Amriswil 8029 Punkte, in seinem erst zweiten Wettkampf bei den Aktiven.
Das sind Sphären, von denen Schweizer Mehrkämpfer zuletzt nur träumen konnten. Zum letzten Mal waren die magischen 8000 Punkte vor 17 Jahren geknackt worden. Die grossen Zeiten von Beat Gähwiler und Stephan Niklaus in den 80er-Jahren sind eine gefühlte Ewigkeit her. Zehnkämpfer? Interessieren in der Öffentlichkeit hierzulande kaum jemanden.
Leichtathletik neues Leben einhauchen
Das soll mit Ehammer wieder anders werden. Der Appenzeller will der Königsdisziplin der Leichtathletik neues Leben einhauchen. «Ich will den Mehrkampf wieder gross machen in der Schweiz», sagt er zu BLICK. Der Mann vom TV Teufen strahlt ein Selbstvertrauen aus, das vor ein paar Jahren manch einem hierzulande Angst gemacht hätte. Mittlerweile scheint er ausgezeichnet in die Generation der neuen Schweizer Leichtathleten zu passen, die früh schon grosse Ziele formulierten. Und sie dann vor allem auch erreichten.
Die grossen Pläne kommen nicht von ungefähr. Bei den U20 wurde er Europameister und WM-Dritter im Zehnkampf. Nun mischt er den Laden bei den Aktiven auf. Das Erstaunlichste: Er fängt gerade erst an. Was für andere der Karrierehöhepunkt war, schafft er in seiner ersten Aktivensaison. Die Ziele sind dementsprechend gross. «Ich will im Zehnkampf und im Weitsprung den Schweizer Rekord.» Und zwar bald. «Das sind die Ziele für diese und nächste Saison», sagt er – und man merkt, dass er sich etwas bremsen muss. «Dieses Jahr wäre es fast schon ein bisschen kitschig.» Denn eigentlich weiss Ehammer, derzeit noch mit einem 60-80-Prozent-Pensum in einem Sportgeschäft angestellt: «Es ist surreal, dass ich in diesem Alter schon diese Leistung bringen kann.»
Der angenehme Nebeneffekt: Schafft er die beiden Rekorde (Weitsprung: 8,27 m, Zehnkampf: 8244, inoffiziell 8334), hat er auch das doppelte Olympia-Ticket so gut wie sicher in der Tasche. «Olympia 2020 wäre für mich zu früh gekommen. Aber 2021 ist bei meiner aktuellen Entwicklung realistisch – obwohl meine Trainer und ich eigentlich für 2024 planen.»
Wurfdisziplinen haben noch Verbesserungspotenzial
Die Handbremse anziehen wird er ohnehin nicht. Vor den Mehrkampf-Schweizer-Meisterschaften am Wochenende sagt Ehammer, der als Titelverteidiger antritt: «Der erste Wettkampf der Saison ist nie der beste. Ich erwarte von mir eine Steigerung.» Heisst: Die 8029 Punkte vom Saisonstart sollen übertroffen werden.
Es wäre die nächste Bestätigung seines riesigen Potenzials. Das soll künftig weiter ausgeschöpft werden, indem er in den Wurfdisziplinen besser wird. Dort gibts noch deutliche Defizite. «Wir haben zunächst bewusst den Fokus auf die Schnellkraft gesetzt», so Ehammer. Das zahlt sich im Weitsprung und über die Hürden bereits aus. Nun wird an den Würfen gefeilt – damit irgendwann der ganz grosse Wurf gelingt.