Da steht er, der verrückte Norweger. Karsten Warholm, 27 Jahre alt. Seines Zeichens frisch gebackener Weltmeister von Budapest über die 400 m Hürden, aber auch Olympiasieger von Tokio und mit wahnsinnigen 45,94 Sekunden Weltrekordhalter über die Hürden-Bahnrunde.
Am Tag vor dem Weltklasse-Meeting im Letzigrund stellt er sich zusammen mit Wundersprinter Noah Lyles (USA) und Stabhochsprung-Überflieger Armand «Mondo» Duplantis (Sd) den Medien. Das Trio Grande wird von den Veranstaltern für den Donnerstagabend in globo als «Weltrekord-Jäger» präsentiert. Doch Warholm und Duplantis unterhalten sich vorerst nicht über den Weltrekord.
Der norwegische Champion zollt dem Extraterrestrischen aus Schweden seinen Respekt. «Ich bewundere dich, wie du bei so vielen Meetings als Alleinunterhalter den Zuschauern deine Traumflüge in den Himmel zeigst», sagt Warholm zu Duplantis. «So schnell wie du nach dem Absprung am Stab einrollst und mit den Beinen voran immer höher steigst – das schafft keiner so schön und so gut.» Die grossen Helden haben eben Respekt voreinander.
Als Duplantis fragt, «Wie hoch bist denn du mit dem Stab gesprungen, als du vor deiner Hürdler-Zeit noch Zehnkämpfer warst?», schaut Warholm ziemlich bescheiden und sagt: «4,40 Meter.» Duplantis: «Das ist für einen jungen Mehrkämpfer gar nicht so schlecht.»
Wie lange würde denn Duplantis für die 400 m Hürden brauchen? Der Schwede schüttelt den Kopf und sagt kurz: «Never! Das würde ich sicher gar nie schaffen.» Schliesslich einigen sich die beiden Skandinavier, angestossen von Sprint-Doppelweltmeister Lyles, irgendwann auf ein 100-m-Duell. Ein bisschen Spass muss sein – erst recht bei diesem Trio Grande ohne jedwelche Star-Allüren.
Wann kommt der nächste Weltrekord?
Back to business: Karsten Warholm, Sie sind in dieser Saison noch ohne Weltrekord, haben Sie für den Donnerstag im Letzigrund noch einen in den Beinen? Warholms Antwort: «Ich glaube nicht. Die WM hat doch viel Substanz gekostet, vor allem mental. Weltrekord kann ich zu jedem beliebigen Zeitpunkt, an jedem beliebigen Meeting schaffen. Weltmeister oder Olympiasieger kann man dagegen nur an einem ganz bestimmten Tag alle paar Jahre werden. Mein Traum wäre, den Weltrekord für den Olympiafinal im nächsten Sommer in Paris aufzusparen.»
Aber er wolle bei Weltklasse Zürich dennoch sein Bestes zeigen. Das heisst, er geht die erste Distanzhälfte an wie der Teufel und schaut dann, wie weit die Energie noch reicht. «Aber so schnell wie bei der Hallen-EM in Istanbul im Frühjahr will ich doch nicht anfangen. Da habe ich über 400 m flach für die ersten 200 m 20,8 Sekunden gebraucht. Zum Schluss war ich so kaputt, dass ich nicht mehr wusste, ob ich die letzten Meter jetzt vor- oder rückwärts laufe.»