Sportarzt Walter O. Frey über Marathon-Todesfall
«Dann reicht die Restkraft des Herzens nicht mehr zum Leben»

Der verstorbene Schweizer Marathonläufer Adrian Lehmann litt an einer dermatologisch-rheumatologischen Erkrankung. Die Einschätzung von Sportarzt Walter O. Frey, ob er deshalb anfälliger für einen Herzinfarkt war.
Publiziert: 22.04.2024 um 21:14 Uhr
|
Aktualisiert: 22.04.2024 um 21:32 Uhr
1/5
In der Vorbereitungsphase auf den Zürich-Marathon verstorben: Langstreckenläufer Adrian Lehmann.
Foto: Claude Diderich/freshfocus
RMS_Portrait_AUTOR_1046.JPG
Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Er wollte sich seinen grossen Olympia-Traum erfüllen. Stattdessen stirbt Marathonläufer Adrian Lehmann (†34) am Tag vor dem Zürich-Marathon, bei dem er die Paris-Limite laufen wollte. Ein scheinbar kerngesunder Spitzensportler auf Olympia-Niveau verstirbt mit erst 34 Jahren und trotz schneller ärztlicher Hilfe fünf Tage nach seinem Herzinfarkt – wie kann das sein?

Walter O. Frey von der Zürcher Hirslanden Klinik ist mehrfacher Olympia-Arzt und sagt zu Blick: «Ein Herz kann auf zwei Arten akut versagen. Elektrisch via Rhythmusstörungen oder über eine eingeschränkte Blutzufuhr, was zu einem Absterben von Gewebe wegen Sauerstoffmangel, also einem Herzinfarkt, führen kann.»

Frey vermutet einen irreparablen Infarkt-Schaden

Frey kennt keine medizinischen Details von Lehmanns Fall. Aber dass der Oberaargauer trotz schneller Hilfe nicht mehr über den Berg kam, deute für den Sportarzt stark darauf hin, dass der Infarkt eine der Bluthauptzuleitungen zum Herzen betroffen habe. «Dann wird ein grosses Gebiet von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten. Irgendeinmal ist der abgestorbene Teil so gross, dass die Restkraft des Herzens nicht mehr zum Leben reicht.» Es handle sich um einen irreparablen Schaden.

Dazu, ob Lehmann womöglich an Herzproblemen litt, war zumindest öffentlich nichts bekannt. Bekannt war hingegen, dass beim Langstreckenläufer Ende 2018 eine Psoriasisarthropathie, eine dermatologisch-rheumatologische Erkrankung, diagnostiziert wurde.

Damals musste Lehmann monatelang pausieren und verlor wegen des Befunds den Status als Spitzensportsoldat, Lehmann galt plötzlich als dienstuntauglich. Erst ein extra angefertigtes Gutachten stellte fest, er sei trotz der Krankheit doch weiterhin diensttauglich. Lehmann erhielt den Armee-Status und die für den Spitzensportler beinhaltete finanzielle Unterstützung sowie die Trainingsmöglichkeiten in Magglingen BE zurück.

Kein offensichtlicher Zusammenhang mit Rheuma-Erkrankung

Sind Psoriasisarthropathie-Patienten anfälliger für Herzprobleme? Walter O. Frey ist auch Facharzt für Rheumatologie. Er würde eine direkte Verknüpfung zum Fall Lehmann nicht wagen. Aber Frey schildert, dass sich bei Patienten mit rheumatischen Gelenkschmerzen das Schmerzempfinden verändern kann: «Tritt irgendwo Schmerz auf, wird er aus Gewohnheit in die Rheuma-Schublade gesteckt. Selbst wenn es vielleicht auch einmal etwas anderes ist.»

Ob Lehmann auf diese Weise womöglich Anzeichen des Infarkts nicht bemerkt hat? Unmöglich zu sagen. Allerdings falle der tragische Todesfall aber sowieso in eine heikle Phase, wie Frey aus seiner Erfahrung als Sportarzt weiss. «In der intensiven Vorbereitung auf einen wichtigen Wettkampf kann ein Sportler gar nicht mehr so gut auf Zeichen des Körpers hören. Es geht um viel, er trainiert so hart, dass es sowieso wehtut, und beisst sich einfach durch.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?