Schweizer Toptalente zwischen Himmel und Hölle
Petrucciani im Glück, Joseph frustriert

Unterschiedliche Gefühlslagen bei den Leichtathletik-Toptalenten Jason Joseph und Ricky Petrucciani: Der eine sorgt für die erste Schweizer EM-Überraschung, der andere zieht enttäuscht von dannen.
Publiziert: 18.08.2022 um 12:48 Uhr
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Aktualisiert: 19.08.2022 um 12:45 Uhr
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Alles andere als schläfrig: Ricky Petrucciani gewinnt an der EM in München Silber über 400 m.
Foto: freshfocus
Emanuel Gisi

Nicht einmal Ricky Petrucciani (22) hatte Ricky Petrucciani auf der Rechnung. «Dass es zu einer Medaille reichen könnte, daran habe ich erst geglaubt, als ich über der Ziellinie war», sagt der Tessiner lachend. «Einfach unglaublich, was für ein Finale.»

Im 400-m-Rennen sorgt er für die erste Schweizer EM-Überraschung, als er auf der Zielgeraden so richtig aufdreht und sich in 45,03 hinter dem Briten Matthew Hudson-Smith die Silbermedaille holt. «Mein Coach hat mir gesagt, dass ich einfach kämpfen, kämpfen, kämpfen soll», sagt er später über das Rezept, das ihm Trainer Flavio Zberg mitgegeben hatte. «Auch wenn ich hinten liege.»

Spitz: «Ich halte ihm nachher eine schöne Rede»

Das gelingt ihm eindrücklich. Petrucciani, seit Jahren als einer der kommenden Stars der Schweizer Leichtathletik gehandelt, sprintet auf den letzten 100 Metern von Position 4 zu Silber, löst das grosse Versprechen erstmals bei den Aktiven ein.

Keine Selbstverständlichkeit nach einer schwierigen Saison, in der er lange überhaupt nicht auf Touren kam. «Ich halte ihm nachher noch eine schöne Rede, was für ein Gott er ist», sagt Lionel Spitz (21), der als zweiter Schweizer im Final auf Platz 7 landet. «Er hat eine grosse mentale Stärke, lässt sich nicht unterkriegen. Er schafft es nicht, eine ganze Saison schlecht zu laufen. Im Moment, wo er performen muss, performt er.»

Joseph: «Okay reicht nicht mehr»

Ganz anders die Gefühlslage bei Jason Joseph (23), einem anderen Schweizer Top-Talent. «Scheissdreck», ist das erste Wort, dass dem Baselbieter im Interview über die Lippen kommt. In 13,35 ist er über 110 m Hürden Vierter geworden, zwei Hundertstel hinter Bronze. «Der Lauf war okay. Es war nicht schlecht, aber okay reicht nicht mehr», sagt er. «Ich bin lange genug dabei, um liefern zu können, was von mir erwartet wird.»

Im Gegensatz zu Petrucciani kann er nach einer komplizierten Saison in München nicht zulegen. «Es war mühsam», sagt Joseph über sein Jahr. «Die WM ist nicht so gelaufen wie ich wollte, an der EM konnte ich nicht liefern. Okay reicht nicht mehr.»

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