Mit 2:00:35 unterbietet der Kenianer Kelvin Kiptum (23) in Chicago vergangene Woche den Marathonweltrekord von seinem Landsmann Eliud Kipchoge (38) um sagenhafte 34 Sekunden. Eine unglaubliche Zeit, die so wohl niemand erwartet hatte. Vor allem nicht von Kiptum. Denn: Bisher hat er lediglich an zwei Marathons teilgenommen.
Seine bisherige Bestzeit lief er im April in London in 2:01:25. Und nun dieser Exploit. Kein Wunder, fragen sich derzeit viele, wie es dieser junge Marathonläufer geschafft hat, innert kürzester Zeit seine Leistung derart zu verbessern. Sein Trainer Gervais Hakizimana (36) führt dies unter anderem auf die wöchentlich abgespulten Trainingskilometer zurück.
Demnach lege Langzeit-Dominator Kipchoge 220 Kilometer zurück, wohingegen Kiptum zwischen 250 und 280, manchmal sogar rund 300 Kilometer lange Strecken hinter sich bringt. Also mehr als eine Marathondistanz pro Tag! Ein absolutes Novum in der Szene. Klar lassen Zweifler und Skeptiker da nicht lange auf sich warten. Einer, der es trotzdem für umsetzbar hält, ist der mehrfache 5000-Meter-Meister Mohamed Abdilaahi (24): «Ich glaube, es ist möglich, diese Menge an Kilometer abzuspulen, wie es von seinem Trainer behauptet wird», sagt er bei Sport1. Eine Meinung, die auch der anerkannte Dopingexperte Professor Fritz Sörgel (73) teilt.
Viel Erfahrung gesammelt
Dennoch wird Kiptum schnell einmal verdächtigt, sich mit illegalen Substanzen einen Vorteil zu verschaffen. Dabei stützen sich die Kritiker besonders auf die zahllosen Dopingsperren kenianischer Leichtathleten in den vergangenen Jahren. Erst am Montag wurde mit Titus Ekiru ein weiterer Athlet aus dem Verkehr gezogen. Ganz erklären kann sich Kiptums Leistungen auch Dopingexperte Sörgel nicht. Dafür fehle es an wissenschaftlichen Analysen. Abgesehen davon lässt er die Frage offen, «ob es nicht doch irgendwelche geheimnisvolle Substanzen gebe, die unerlaubt sind».
Sucht man aber nach einem Erklärungsansatz für die ungewöhnliche Leistungssteigerung, könnte sein Alter eine entscheidende Rolle spielen. Mit 23 Jahren ist Kiptum wesentlich jünger als die stärksten Konkurrenten. Während Kiptum schon als Teenager grösstenteils bei Halbmarathons startete, holten sie sich ihre Grundschnelligkeit zuerst auf der Tartanbahn, ehe sie auf den Marathon wechselten.
Trotz herausragender Aussichten macht sich Trainer Hakizimana Sorgen um seinen Schützling. Er befürchtet, dass sich Kiptum bei seiner Trainingsintensität irgendwann verletzt: «Bei diesem Tempo droht er zu zerbrechen, ich habe ihm angeboten, das Tempo zu drosseln, aber er will nicht.» Auch hier stimmt Dopingexperte Sörgel dem Trainer zu. Doch wie bei so vielem bleibt Kiptum auch diesbezüglich ein Rätsel.