Noch nie war sie schneller: Mujinga Kambundji (30) lief diesen Sommer neue Schweizer Rekorde über 100 und 200 m, wurde Hallen-Weltmeisterin und holte an den Europameisterschaften Gold und Silber. Ein Traum-Jahr für die schnellste Frau des Landes.
Und doch knarzt es im Gebälk: Die Bernerin mischt die Karten neu, trennt sich von ihrem langjährigen Trainer Adrian Rothenbühler. Bereits nach der WM im Juli, die für Kambundji zu unruhig verlaufen war, gab es den ersten Schnitt: An der EM in München war nicht mehr Rothenbühler als persönlicher Betreuer der Bernerin dabei, sondern Ex-Sprinter Florian Clivaz, Kambundjis Lebenspartner, der schon länger Teil des Trainerteams ist. Konkrete Gründe werden keine genannt. «In dieser Saison gab es ein, zwei Sachen, die nicht gestimmt haben», sagt Kambundji. «Als Athletin muss ich klare Entscheidungen treffen können, wenn ich merke, dass meine Leistung leidet. Ich bin die Chefin, das ist manchmal hart für einen Trainer.»
Kommentar: Mujinga Kambundji hat keine Angst vor harten EntscheidungenFür die Zukunft heisst das: Clivaz übernimmt auch die Aufgaben von Rothenbühler, der im Krafttraining und in der Wettkampfbetreuung stark involviert war. Verbandscoach Patrick Saile bleibt als Sprint-Trainer Teil des Kambundji-Teams.
Rothenbühler hätte gerne weitergemacht
«Ich muss das akzeptieren, das ist ihr Entscheid», sagt Rothenbühler, Schweizer Trainer des Jahres 2019. «Ich hätte gerne mit den Kambundji-Schwestern weitergearbeitet.» Sein Ausspruch verrät es: Auch Mujingas jüngere Schwester Ditaji Kambundji (20) geht neue Wege. «Mit Mujingas Entscheid hat das nichts zu tun», sagt die EM-Bronzemedaillen-Gewinnerin über 100 m Hürden. «In meinem Fall ist es ein Trainerwechsel, wie es ihn für eine junge Athletin gibt. Für mich war klar, dass ein neuer Input hermuss. Wir haben eine gute Basis gelegt, nun muss ich technisch Fortschritte machen.» Auch sie wird künftig von Clivaz und Claudine Müller betreut, die in Basel als Hürdentrainerin in den letzten Jahren ausgezeichnete Arbeit geleistet hat.
Der Doppel-Wechsel ist bitter für Rothenbühler, der Anfang Jahr sein Pensum beim Bundesamt für Sport in Magglingen reduziert, auf die Karte Kambundji gesetzt hatte und jetzt ohne seine beiden hoffnungsvollsten Athletinnen dasteht. Wie geht es für ihn weiter? Schmeisst er als Leichtathletik-Coach hin? «Für einen Moment war das ein Thema», gibt er zu. Mittlerweile ist aber klar: Der Berner macht weiter, wird auch nächstes Jahr eine Trainingsgruppe anleiten. Ob er als Staffel-Nationalcoach weitermacht, ist noch nicht abschliessend geklärt.
Clivaz: Keine Ambitionen auf den Chef-Job
Eine illustre Gruppe hat jetzt dafür Florian Clivaz zusammen. Neben den Kambundji-Schwestern stösst auch 200-m-Schweizermeister William Reais (23) nach einem schwierigen Jahr zur Trainingsgruppe des Ex-Sprinters. «Ich bin dabei, weil ich mir von Mujinga etwas abschauen kann», sagt Reais.
Baut Clivaz in Bern gerade ein neues All-Star-Team zusammen? «Das ist überhaupt nicht der Plan», sagt er. «Die Athleten haben sich bei uns gemeldet, weil sie gesehen haben, dass das, was wir mit Mujinga gemacht haben, funktioniert hat.» Er sehe sich als Dienstleister, der für die Athleten Trainingspläne schreibe und die Saisonplanung mache. Aber im nächsten Sommer stehe für ihn das Anwaltspraktikum an. «Ich habe auch so genug zu tun, ich suche das Rampenlicht als Coach nicht.» Er sehe sich eher als Headcoach, «der die strategischen Linien vorgibt. Am Ende muss es ein Teameffort im Sinne der Athleten sein.»