Kritische Berichterstattungen und Meinungen über die chinesische Regierung werden in China in den sozialen Medien zensiert, das Internet wird kontrolliert – das ist kein Geheimnis. Doch wie weit die kommunistische Partei unter Präsident Xi Jinping dabei geht, illustriert der jüngste Vorfall an den Asienspielen in Hangzhou.
Beim 100-Meter-Hürden-Final der Frauen leistet sich die chinesische Sprinterin Wu Yanni (26) einen Fehlstart und wird disqualifiziert. Anstatt das Urteil zu akzeptieren, diskutiert sie mit den Sportrichtern.
Zahl sorgt für Unmut
Schliesslich darf die Athletin doch noch einmal antreten. Yanni holt Silber hinter ihrer Landsfrau Lin Yuwei (24). Kurz nach dem Zieleinlauf liegen sich die beiden vermeintlichen chinesischen Medaillengewinnerinnen in den Armen. Dutzende Fotos werden dabei von den beiden Sportlerinnen gemacht. Kein Problem, oder? Für den chinesischen Staat offenbar schon.
Denn: Auf den Hüften von Yuwei und Yanni sind die aufgeklebten Startnummern sechs und vier zu sehen. Stehen die beiden umarmend nebeneinander, ergibt dies die Zahl 64 – und die ist in Chinas sozialen Medien nicht erlaubt. Sie steht für den 4. Juni 1989 und das Tian’anmen-Massaker. Damals bekämpfte die Armee mit brutaler Härte pro-demokratische Proteste auf dem Tiananmen-Platz in Peking, es wurden mehrere Hundert Menschen ermordet.
Bis heute versucht China, das Ereignis aus dem kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung zu streichen. Eine Auswertung von BBC zeigt, dass auf Chinas meistgenutztem Netzwerk Weibo die Bilder der beiden Athletinnen mit grauen Vierecken zensiert worden sind. Auch in anderen sozialen Medien trifft man auf das gleiche Phänomen. Ob tatsächlich die Regierung dahinter steckt, ist bislang nicht bekannt.
Übrigens: Yanni wurde nachträglich doch noch disqualifiziert. (men)