Mit langen Schritten in Richtung Ziellinie sprintend, die Hände über dem Kopf zu einem Herz geformt, die Gegner einmal mehr abgetrocknet. So haben die Leichtathletik-Fans Sir Mo Farah (39) in bester Erinnerung. Es war sein Markenzeichen, ein Zeichen seiner wahnsinnigen Dominanz. Vier Olympiasiege (zwei über 10'000 Meter und zwei über 5'000 Meter) und sechs Weltmeistertitel sprechen für den Briten.
Doch der Glanz vergangener Tage ist verblasst. Die sportliche Gegenwart trist. Am Montag musste sich der Langstreckenläufer in London über 10'000 Meter dem Amateur-Läufer Ellis Cross (25) um vier Sekunden geschlagen geben. Mit einer Zeit von 28 Minuten und 44 Sekunden ist der Brite rund eine Minute langsamer als zu seinen besten Zeiten – bedenklich.
Erste Pleite gegen einen Amateur seit Ewigkeiten
Farah wirkt nach der bösen Klatsche resigniert: «Was die Leichtathletik angeht, war es das, glaube ich. Es muss mindestens 20 Jahre her sein, dass ich von einem Vereinsläufer geschlagen wurde.» Ein Abgang durch die Hintertür. Tatsächlich? Farah überlegt kurz und fügt dann an: «Die Weltmeisterschaft im Juli werde ich verpassen, aber eine Teilnahme an den Commonwealth Games oder den Europameisterschaften im August ist nicht völlig ausgeschlossen.» Wie seine Zukunftspläne genau aussehen werden, wird unter anderem auch seine Frau bestimmen, wie der Brite bestätigte.
Schottischer Rekord bei den Frauen
Eine Erklärung für das peinliche Abschneiden am Montag dürften zwei Verletzungen sein, die Farah im Vorfeld behindert hatten. Zum einen erlitt er eine Stressfraktur im Fuss und zum anderen zog er sich im Winter eine Muskelzerrung zu, die ihn drei Monate lang am Laufen hinderte. Sieger Ellis Cross ist das alles egal, er kann sein Glück kaum fassen: «Um ehrlich zu sein, kneife ich mich immer noch,» sagte er. «Ich habe soeben auf den Strassen Londons vor einer grossen Menschenmenge den wohl grössten Läufer aller Zeiten besiegt. Es ist unglaublich. Damit hatte ich nicht gerechnet.»
Bei den Frauen war Eilish McColgan nur zwei Sekunden davon entfernt, den 19 Jahre alten europäischen und britischen Rekord von Paula Radcliffe zu brechen. Ihre Zeit von 30 Minuten und 23 Sekunden bedeutete immerhin schottischer Rekord. (nab)