Der Duft von frischen Crêpes liegt in der Luft, Kinderlachen durchbricht die Dämmerung, und aus Boxen erklingen französische Weihnachtslieder. Mitten auf dem Eisfeld des Weihnachtsmarkts in Montbéliard (F) haben Angelica Moser (27) und Kevin Bozon (28) ein Gaudi. Der Eishockeyspieler des HC Ajoie sollte eigentlich in seinem Element sein – aber wegen den ungeschliffenen Kufen an den gemieteten Schlittschuhen muss selbst der Profi ständig aufpassen, dass er nicht hinfällt.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Seine Freundin filmt es amüsiert. «O Gott, wir sehen aus wie Anfänger!», ruft Angelica Moser ihrem Schatz zu, und die beiden kichern. Erst zu Mosers Geburtstag im Oktober hat der Flügelstürmer ihr Schlittschuhe geschenkt. Nicht die weissen damenhaften, nein, die schwarzen Hockeyschuhe. «Mit denen würden wir uns hier nicht so blamieren – wir gehen so gern zusammen aufs Eis», erzählt sie.
Moser und Bozon sind seit drei Jahren ein Paar, seit eineinhalb Jahren leben sie zusammen in einer Wohnung im jurassischen Courrendlin. «Das ist perfekt für uns. Er trainiert in Porrentruy, und ich bin in einer halben Stunde in Magglingen zum Trainieren.» Ob es Liebe auf den ersten Blick war? «Nicht direkt», sagt Moser. «Ja!», entgegnet hingegen Bozon etwas verlegen. «Ich wollte sie schon beim ersten Date küssen, wollte aber respektvoll sein, weil man das ja nicht macht.» – «Dafür aber dann beim zweiten, gell», erwidert Moser liebevoll. Das tiefe Verständnis für den anderen schweisst sie zusammen. Und Verständnis braucht es viel.
Enttäuschung in Paris
Angelica Moser hat eine Traumsaison hinter sich. Bei der EM in Rom gewann sie Gold. In Monaco sprang sie 4,88 Meter, stellte einen neuen Schweizer Rekord auf und erreichte Platz sechs der europäischen Allzeit-Bestenliste. Und dann Olympia. Bei 4,85 Metern riss sie zweimal und nahm dann 4,90 Meter in Angriff – scheiterte aber beim letzten Versuch. Mit 4,80 Metern belegte die Zürcherin den vierten Schlussrang. «Der vierte Platz ist der Schlimmste für einen Sportler. Danach fühlte ich mich leer. Enttäuscht, traurig, frustriert und einfach nur leer.»
Vier Monate später ist die ganz grosse Enttäuschung verflogen. Moser hat Geschichte geschrieben. Mit Rang vier war die Stabhochspringerin besser als jede andere Schweizer Leichtathletin bei Olympischen Spielen. «Ich weiss, dass ich Historisches geschafft habe. Aber ich hätte noch mehr schaffen können!» Sie seufzt.
Bozon ergänzt: «Als Sportler weiss ich, was sie durchmacht. Ich habe zu ihr nicht gesagt, dass es nicht das Ende der Welt ist. Das ist es in dem Moment nämlich.» Das Stabhochspringen sei für Moser wie Fliegen. «Ich war so nah dran, nach den Sternen zu greifen. Ich möchte diese Medaille.»
Sportlerfamilie
Die Hingabe an den Sport kommt nicht von irgendwo. Vater Severin Moser nahm als Zehnkämpfer 1988 an den Olympischen Spielen im südkoreanischen Seoul teil. Und ihre Mutter war Siebenkämpferin. Moser begann als Kind mit Kunstturnen, eiferte später ihrer älteren Schwester Jasmine nach, die mit dem Stabhochspringen begonnen hatte. Heute ist Angelica Moser die Beste der Schweiz. Und mit diesem Erfolg hat sie gerechnet: «Ich träumte schon immer gross. Man muss gross träumen, um Grosses zu erreichen.»
Auch Kevin Bozon stammt aus einer Sportlerfamilie. Vater und Bruder sind ebenfalls Eishockeyaner. Mit Bruder Tim spielt er in der französischen Nationalmannschaft – Papa Philippe ist Trainer. Der Flügelstürmer sagt: «Angelica ist wahnsinnig kompetitiv. Sogar gegenüber meinem Vater!» Philippe Bozon hat an vier Olympischen Winterspielen teilgenommen. «Ich muss also noch zwei machen, damit ich mehr habe. Drei hab ich ja schon!», ruft Moser, und beide lachen.
Zukunftsvisionen
Während Bozon gerade voll in der Saison steckt, hat Moser Winterpause. «Wenn seine Saison anfängt, geht meine zu Ende.» Das mache das Zeitmanagement manchmal etwas schwierig. Dafür können sie ihre Wettkämpfe gegenseitig besuchen. 2025 stehen für Moser eine Hallen-EM, eine Hallen-WM und eine Outdoor-WM an. «Ich will endlich so eine WM-Medaille», sagt sie keck. Jetzt wird aber erst mal Weihnachten gefeiert, im Kreis der Familie. Doch die Sterne bleiben in Reichweite. Zum Greifen nah für die nächste Saison und, wer weiss, vielleicht für Olympia 2028.