Faktenfreie Stammtisch-Diskussionen werden im modernen Sport immer weniger. Es gibt kaum eine These mehr, die nicht durch Zahlen be- oder widerlegt werden kann.
Seit letzter Saison folgt auch die Handball-Bundesliga dem Statistik-Trend, der im US-Sport seinen Ursprung hat, und macht ihre Spieler zu gläsernen Athleten. Vom härtesten Wurf über den schnellsten Sprint bis zur längsten Zeit in der Luft wird so ziemlich alles gemessen.
Zudem werden die traditionellen Statistiken wie Tore, Fehlwürfe oder Assists seit dieser Spielzeit zu einem möglichst aussagekräftigen Wert, dem sogenannten «Handball Player Index» (HPI), verrechnet. Dank des HPI sollen die Leistungen aller Spieler auf sämtlichen Positionen nach jedem Spieltag verglichen werden können.
Taskforce legt Formel fest
Und so wird der Player Index berechnet: Die Spieler beginnen vor einer Partie beim Ausgangswert 100. Mit jeder positiven Aktion wie Toren, Assists oder Paraden kommen Punkte dazu. Abzüge gibts für Fehlwürfe, Ballverluste oder Gegentore. Für einfache Treffer aus guter Wurfposition fliessen dabei weniger Zähler aufs Konto als für schwierigere Tore aus der Distanz. Entwickelt wurde die Formel von einer Taskforce bestehend aus Ex-Spielern, aktuellen Trainern sowie Wissenschaftlern.
Damit der HPI nicht nur ein Spielzeug für Statistik-Fans bleibt, wird er auch gleich als Basis für die MVP-Wahl benutzt. Denn nur jene sieben Spieler, die auf ihrer Position Ende Saison den besten HPI-Durchschnittswert haben, können von den Fans auch zum wertvollsten Bundesliga-Handballer gewählt werden. Eine fragwürdige Regel, da ein Flügelspieler einen viel kleineren Einfluss aufs Spiel hat als ein Torhüter oder ein Rückraumspieler und deshalb kaum je zum MVP gewählt wird.
Schmid nur auf Platz 62
Unser fünffacher MVP Andy Schmid wird es diese Saison nicht in die Wahl schaffen. Aktuell liegt der Schweizer mit einem Durchschnittswert von 115,8 nur auf Platz 62. Auf seiner Position Rückraum Mitte ist er Achter. Angeführt wird das Ranking vom Schweden Jim Gottfriedsson mit 136,1.
Ist Schmid seit seiner letzten MVP-Saison 2017/18 so viel schlechter geworden? Nein. Unter den jetzigen Regeln hätte er es womöglich damals schon nicht in die Auswahl geschafft. Da gewisse Qualitäten wie Leadership selbst von der besten Formel nicht abgebildet werden, kann der Wert eines Spielers für sein Team nicht ausschliesslich mit Statistiken belegt werden. Stammtisch-Diskussionen behalten also ihre Daseinsberechtigung.