Zum bitteren Aus von Panini
Wir wollen Bildli und keine Sticker!

Ciao, ciao, Panini! Die Uefa stellt die Kult-Bildli ins Offside. Dafür gehört ihr eine geklebt, findet Blick-Reporter Daniel Leu.
Publiziert: 11.04.2022 um 14:04 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2022 um 07:37 Uhr
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Foto: sticker-worlwide.de
Daniel Leu

Die Einführung des VAR? Haben wir Fussball-Romantiker zähneknirschend akzeptiert. Die Erfindung der Nations League? Haben wir über uns ergehen lassen (auch wenn wir bis heute deren Modus nicht genau verstehen). Die WM im Winter in Katar? Haben wir uns mit uns selbst darauf geeinigt, dass sie stattfinden wird, wir sie aber gaaanz sicher schnöde ignorieren werden.

Warum wir das alles mit uns machen lassen? Weil es trotz der ganzen Kommerzialisierung immer eine Konstante gab: die Panini-Bildchen. Kaufen, tauschen, einkleben. So einfach kanns sein. Doch damit ist jetzt Schluss. Wobei dieser Satz nicht ganz korrekt ist, denn jetzt ist nicht jetzt, und Schluss ist nicht Schluss.

Deshalb hier die Fakten im Schnelldurchlauf: Der europäische Fussballverband Uefa hat vergangene Woche die Rechte an europäischen Turnieren nicht mehr an Panini, sondern an die US-Sticker-Firma Topps verkauft. An den nächsten beiden Europameisterschaften (nicht verkraftbar), an der Frauen-EM 2025 (Vorsicht Gender-Falle, schreiben wir teilweise verkraftbar) und der Nations League (2022/23, sehr verkraftbar!) wird es deshalb keine Panini-Bildchen mehr geben, sondern Topps-Sticker.

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Manch Laie mag jetzt monieren, es sei doch völlig egal, ob man in Zukunft Panini-Bildchen oder Topps-Sticker zu überhöhten Preisen in hässlich gelayoutete Alben klebe. Laie halt. Denn das ist ganz und gar nicht egal. Panini ist Kult! Panini ist Tradition! Panini ist ein Kulturgut! Wir wollen Bildli und keine Sticker!

Falls Sie jetzt einwenden, Bildli und Sticker seien doch das Gleiche, dann sei Ihnen gesagt: Faktisch stimmt das, nicht aber emotional.

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Das gute alte Butterfass

Der Mann, dem die Fussballwelt die Kult-Bildli zu verdanken hat, heisst Giuseppe Panini. 1961 hatte der Italiener zusammen mit seinem Bruder Benito die Firma gegründet. Zwei Jahre später traten auch die Brüder Umberto und Franco dem Unternehmen bei. Das erste Bild, das je gedruckt wurde, war damals jenes von Bruno Bolchi, dem Verteidiger und Mannschaftscaptain von Inter Mailand. Zur WM 1970 in Mexiko kam dann das erste WM-Album auf den Markt. Damals kostete eine Tüte noch fünf Rappen und enthielt zwei Bildchen.

Das Hauptproblem zu Beginn: Wie lässt es sich verhindern, dass gewisse Bildchen doppelt in einer Tüte landen? Des Rätsels einfache Lösung: mit Hilfe eines Butterfasses und eines Velos. Das Rad wurde damals mittels eines Velorahmens mit dem Fass (gefüllt mit den Bildchen) verbunden und von einem Studenten angetrieben. Wenig später kamen die Macher auf eine weitere Idee: Sie warfen die Bildchen in die Luft und mischten sie anschliessend kräftig mit einer Schaufel durch.

Für das Unternehmen aus Modena war es der Startschuss in eine glorreiche Zukunft. Und ja, auch Panini war kein karitativer Wohltäter, sondern ein nach Gewinn strebendes Unternehmen. Bei der letzten WM enthielt das Album unglaubliche sechshundertachtundsiebzig Bilder, und fünf Bildchen kosteten mittlerweile stolze 1.10 Franken.

Mathematik-Professor Paul Harper (den müssen Sie jetzt nicht unbedingt kennen) von der Universität Cardiff hatte 2018 für uns Fans verdankenswerterweise ausgerechnet, was uns ein volles Panini-Heft effektiv kostet. Wer nicht tauscht, der muss gemäss Wissenschaftler 967 Panini-Tüten kaufen und damit rund 1000 Franken ausgeben, um das Album vollzukriegen. Wer tauscht, drückt die Kosten auf 300 Franken runter.

Klammer auf: Wussten Sie übrigens, dass gemäss Harper das Besorgen der letzten 19 Bilder statistisch gesehen genauso lange dauert wie das Sammeln der 659 Sticker davor? Klammer zu.

Und wenn wir schon beim Thema Wissenschaft sind. Verena Hüttl-Maack (auch sie müssen Sie nicht unbedingt kennen), Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hohenheim, hat der «Bild»-Zeitung einst erklärt, was die Faszination der Panini-Bildli ausmacht. Ein wesentlicher Grund sei der sogenannte Ikea-Effekt. «Die Leute halten einen Tisch für wertvoller, den sie selbst zusammengebaut haben, als wenn er ihnen fertig zusammengesetzt vor die Nase gesetzt wird. Die eigene Leistung lässt die Sache wertvoller erscheinen.» Dasselbe Prinzip sei eben das Erfolgsgeheimnis von Panini, so Hüttl-Maack.

Tauschen bei Eiseskälte

Was uns all die klugen Leute sagen wollen: Panini-Bildchen sammeln und tauschen macht Spass, und ein volles Album löst bei uns Glücksgefühle aus. Aber eben, nicht mehr lange.

Die gute Nachricht zum Schluss: An der Winter-WM in Katar wird noch alles beim Alten bleiben. Mit anderen Worten: Es gibt den VAR, und wir dürfen bei Eiseskälte noch einmal Panini-Bildli tauschen. Danke!


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