Blick: Mehr als 10’000 Fans im Wankdorf, der 1:0-Sieg gegen GC, womit YB als Erster in die Playoffs startet und bereits sicher im Europacup steht. Besser hätte Ihr Comeback als YB-Trainerin nach Ihrem Mutterschaftsurlaub nicht verlaufen können?
Imke Wübbenhorst: Dieser Moment, als klar war, dass wir die Quali gewonnen haben, war ein explosionsartiges und sehr intensives Gefühl.
Aber wohl kaum so intensiv wie die Geburt Ihres Sohnes.
Es war anders. Die Geburt war eher ein Gefühl von Zufriedenheit, Liebe, Geborgenheit und Nähe, etwas Tiefergehendes, das sich im Lauf der Zeit entwickelt. Ein Glücksgefühl, das überdauernd ist. Wenn man einen Erfolg mit dem Team einfährt, ist das eine kurzfristige Explosion, die man eben nur im Fussball hat. Wenn wir nun gegen Luzern aber rausfliegen, ist das alles nicht mehr viel wert.
Sie sind erst fünf Tage vor der Partie gegen GC zurückgekehrt …
Ich war immer sehr nahe am Team, flog auch mit meinem Partner und dem sechs Wochen alten Baby ins Trainingslager und habe alle Spiele gesehen. Ich war in engem Austausch mit Rolf (Kirchhofer – Red.), der das überragend weitergeführt hat. Auch unser Athletikteam hat darauf geachtet, dass wir in den gleichen Belastungen weiterarbeiten. Deswegen waren die Übergänge alle sehr geschmeidig.
In anderen Berufen ist man im Mutterschaftsurlaub 14 Wochen nicht im Betrieb. Wie ist das als Fussballtrainerin?
Ich wurde nie mit teaminternen Dingen belastet. Und ich hatte auch nie das Gefühl: Die brauchen mich, hatte aber auch nie Angst, dass man mir etwas wegnimmt, was einige Trainer haben, da sie vielleicht denken, sie seien unersetzlich. Ich konnte diese 14 Wochen zu 100 Prozent bei meinem Sohn sein und hatte eine superschöne Zeit.
Und wie war die Rückkehr?
Der Verein hat mich extrem gut unterstützt und mir offengelassen, wann ich zurückkehren will. Es war eine schöne Abwechslung für mich, aber ich wollte zurück, es hat in mir gebrannt. Ich glaube, es war für die Mädels cool, mal wieder einen anderen Trainer zu haben. Aber ich glaube, sie freuen sich, dass ich jetzt wieder da bin. Am ersten Tag war ich ein bisschen nervös, am Tag danach war bereits alles wieder verflogen. Es war ein guter Zeitpunkt, um zurückzukehren, denn ich mag Drucksituationen und Spiele, in denen es um alles geht.
Wie hat sich Ihr Leben als Mutter verändert?
Ich hatte nie den Plan, ein Kind zu bekommen. Mein Partner auch nicht, weil er schon zwei aus einer früheren Beziehung hat, die teilweise auch bei uns wohnen. Zudem haben wir einen Hund, wir waren schon Familie genug. Ich hatte nie das Gefühl, dass etwas fehlt, mein Leben war sehr erfüllt. Aber jetzt, wo das Baby da ist, fühlt sich alles noch besser, noch perfekter und vollendeter an.
Sie sind seit bald drei Jahren in der Schweiz. Mit Ihrer Mentalität haben sie auch schon angeeckt ...
Ich bin ein ganz besonderes Exemplar, wenn es um Direktheit geht. Wenn wir zwei Pole haben, befinde ich mich an dem einen und die meisten Schweizer vermutlich an dem anderen. Aber dank meines Partners und meines Co-Trainers komme ich immer besser damit zurecht (lacht).
Wie hat sich die Liga entwickelt?
Wenn man Spiele sieht, irgendwo in einem komischen «Käfig» mit nur einer Kamera, ist das schon gruselig, auch wenn es ein Top-Spiel ist. Deshalb ist es extrem wichtig, dass man in die Infrastruktur investiert: mehr Spiele in Stadien, mehr Kameras, andere Einstellungen. Und je grösser die Berichterstattung, desto mehr Fans gibt es, die diese Spielerinnen im Stadion sehen wollen. Dadurch kann man Identifikationsfiguren und Idole schaffen, so wie Iman (Beney) und Naomi (Luyet) bei uns. Die Fans sehen, dass sich der Frauenfussball entwickelt hat, sodass die Floskel, dass jede männliche Thekentruppe ein Super-League-Team schlagen würde, endlich verschwindet.
Was hat sich für eine Trainerin verändert?
Die Breite ist viel grösser geworden. Auch in der Schweiz ist es inzwischen normal, dass die Mädchen Fussball spielen. Dadurch hast du ganz andere Möglichkeiten, zu rekrutieren. Vor ein paar Jahren, bevor ich zu YB kam, haben es viele aus dem Nachwuchs in die Frauen-Equipe geschafft. Jetzt kann ich mir die Besten rauspicken. Die anderen sind ebenfalls gut ausgebildet und wechseln dann vielleicht den Verein, was wiederum dafür sorgt, dass auch die Liga besser wird.
Wie ist das Niveau?
Vor ein paar Jahren war die Kritik berechtigt, weil die Defizite im athletischen Bereich noch gross waren. Aber das hat sich extrem gewandelt. Und es gibt Mannschaften wie Basel oder Servette, die – ob man das gut findet oder nicht – Spielerinnen aus dem Ausland rekrutieren und athletische, international erfahrene und gute Spielerinnen verpflichten. Die Spiele zwischen den Top-Teams sind qualitativ hochwertig.
Viele Spiele finden aber vor ein paar wenigen Hundert Fans statt.
Es ist unser Job, zu zeigen, dass die Mädels bereit, technisch und taktisch gut aufgestellt sind und einen guten Fussball zeigen. Dann hört auch dieses Gelabber auf, dass man alles andere lieber gucken will. Dann kommen die positiven Aspekte des Frauenfussballs noch mehr zum Tragen. Keine bleibt liegen und heult rum. Oder dass die Mädels nach den Spielen immer zu den Fans gehen und Autogramme geben.
Mehr als 10’000 Fans bei einem Frauen-Spiel in der Schweiz werden aber die Ausnahme bleiben.
Ein hoher Prozentsatz der Fans gegen GC war zum ersten Mal an einem Frauenspiel. Viele fanden es total cool und haben gesagt, sie werden wiederkommen. Das Spiel bot ja auch einiges an Drama und Spannung. Klar ist es eine Momentaufnahme – wie auch die 57’000 beim deutschen Pokal-Halbfinal zwischen dem HSV und Bremen. Aber die Zuschauerzahlen werden steigen, weil es eben Idole gibt, die man sehen will und immer besserer Fussball geboten wird.
Imke Wübbenhorst kommt am 10. Dezember 1988 in Aurich in Ostfriesland zur Welt. Während ihrer Karriere spielt die Mittelfeldspielerin und U-Nationalspielerin mehrheitlich beim HSV und bei Cloppenburg, wo sie ihre Trainerkarriere startet und später auch das Männer-Team trainiert. Medial für Aufmerksamkeit sorgt ihre sarkastische Antwort auf eine Frage eines Journalisten: «Ich bin Profi, ich stelle nach Schwanzlänge auf». Im April 2020 übernimmt sie den männlichen Viertligisten Lotte, wo sie Ende des Jahres wieder entlassen wird. Im Sommer 2022 wechselt sie zu den YB-Frauen. Wübbenhorst, die auch Lehrerin für Sport und Biologie ist, bringt am 6. Dezember 2024 ihren Sohn Bendt zur Welt und lebt mit ihrem Partner in Bern.
Imke Wübbenhorst kommt am 10. Dezember 1988 in Aurich in Ostfriesland zur Welt. Während ihrer Karriere spielt die Mittelfeldspielerin und U-Nationalspielerin mehrheitlich beim HSV und bei Cloppenburg, wo sie ihre Trainerkarriere startet und später auch das Männer-Team trainiert. Medial für Aufmerksamkeit sorgt ihre sarkastische Antwort auf eine Frage eines Journalisten: «Ich bin Profi, ich stelle nach Schwanzlänge auf». Im April 2020 übernimmt sie den männlichen Viertligisten Lotte, wo sie Ende des Jahres wieder entlassen wird. Im Sommer 2022 wechselt sie zu den YB-Frauen. Wübbenhorst, die auch Lehrerin für Sport und Biologie ist, bringt am 6. Dezember 2024 ihren Sohn Bendt zur Welt und lebt mit ihrem Partner in Bern.
Sie haben auch schon Männer trainiert. Was sind die Unterschiede?
Wenn du Männer vor der Mannschaft kritisierst, dann können sie damit schlecht umgehen, fühlen sich angegriffen und finden eher, sie müssten schon eine Liga weiter oben spielen. Die Mädels zweifeln eher an sich. Der zweite Punkt ist die Leidensbereitschaft. Die Frauen kennen ihren Körper tendenziell besser und sind eher bereit, an ihre Grenzen zu gehen.
Was bevorzugen Sie?
Für mich ist wichtig, dass ich mit guten Menschen zusammenarbeiten kann, es tragfähige Strukturen und kompetente Leute gibt. Dies ist gerade in unteren Männer-Ligen in Deutschland teilweise schwierig. Da gibt es viele Mäzene, oft ist es Willkür, wie dort bezahlt wird oder eben auch nicht. Als Trainer bist du immer das schwächste Glied. Und wenn du jemanden über dir hast, der nicht viel Expertise hat und die Entwicklung des Teams nicht gut abschätzen kann, dann bist du diejenige, die fliegt.
Spüren Sie, dass die EM vor der Tür steht?
Praktisch alle haben mitbekommen, dass eine EM stattfindet, da haben der Verband und die Verantwortlichen einen guten Job gemacht. Viele sind gespannt, wie eine Frauen-EM sein wird. Bei unserem Spiel gegen GC waren viele begeistert, weil es so familiär war, der Spieltag muss ein Event sein. Da geht es nicht nur ums Spiel, um Choreografien, Fangesänge, Bier und Wurst, sondern eben auch um eine Hüpfburg für Kinder. Wir müssen uns eine Nische schaffen, die für Familien attraktiv ist, dass die Kinder kommen und spielen können.
Sie haben Iman Beney und Naomi Luyet angesprochen. Wie wichtig sind die beiden für YB?
Wir haben das Glück, dass wir solche Supertalente aus der eigenen Jugend rekrutieren konnten, weil sonst wären wir nicht in der Lage, solche Spielerinnen zu holen und zu bezahlen. Deswegen haben sie schon einen sehr besonderen Stellenwert. Für die Schweiz für die EM, aber auch für uns, weil wir uns für die Playoffs etwas ausrechnen.
Was macht die beiden besonders?
Beide haben eine absolute Sieger-Mentalität und lassen ihr Herz auf dem Platz. Sie wollen an sich arbeiten, sich entwickeln, verbessern. Iman ist sehr gradlinig, schnell und sehr gut im Antizipieren, mit einem guten Gespür für Räume und Situationen. Naomi ist der Typ Strassenkicker. Sie ist sehr gut im Dribbling und hat einen extrem guten Torabschluss. Mit rechts und links. Und sie ist ebenfalls schnell.
Widersprechen Sie mir, wenn ich sage, YB ist der Favorit auf den Titel?
Ich glaube an mein Team, aber wir sind nicht der Favorit auf den Titel – trotz des Quali-Sieges. Wir haben nicht die Breite von Servette und Basel. Bei uns müssen alle fit sein und einen guten Tag haben, dann können wir in Hin- und Rückspiel jeden Gegner schlagen.
Wer ist der Favorit und warum?
Servette ist sowohl individuell als auch taktisch die stärkste Mannschaft, hat sehr viel internationale Erfahrung und einen breiten Kader. Basel ist individuell auch sehr stark.
Wie schätzen Sie den Viertelfinal-Gegner Luzern ein?
Wir haben gegen Luzern zuletzt mit Ach und Krach gewonnen, zudem haben sie vor kurzem den Trainer freigestellt, das kann einen kurzfristigen Push geben. Und sie haben drei Spielerinnen, die vorher bei uns gespielt haben, die wollen es uns wohl zeigen. Luzern kann den Laden hinten zusammenhalten und ist immer für ein Tor gut. Darum werden sie schwer zu bespielen sein.