Immer, wenn man glaubt, das Fussballbusiness habe die letzten Hemmungen verloren, wird man eines Besseren belehrt. Das Rad dreht immer weiter.
200 Millionen im Jahr. Also 550'000 Franken pro Tag (!) soll Cristiano Ronaldo nach dem geplanten Wechsel zu Al-Nassr in Saudi-Arabien verdienen. Diesen Betrag hat ein Büezer nach einem stressigen Arbeitsleben auf seine alten Tage in der Pensionskasse angespart.
Für das exorbitante «Schmerzensgeld» wird die Ronaldo-Gattin halt ihre Agent-Provocateur-Unterwäsche unter einem schwarzen Umhang verstecken müssen.
Und für 85'000 Franken Stundenlohn wird der gute Cristiano mit der kalten Schulter der Scheichs vorliebnehmen müssen, sollte er pro Spiel nicht mindestens zwei Sololäufe mit Toren abschliessen. Dass die Saudis kicken können und der Stern Ronaldos in der Wüste endgültig erlöschen könnte, ist ein realistisches Szenario. Den Sinkflug hat er eingeleitet.
Der Golden-Boy des Fussballs, der die Kommerzialisierung des Geschäfts wie ein Katalysator beschleunigt hat, setzt zum letzten Mal neue Massstäbe. Zumindest lohnmässig. Und er zieht auf die Arabische Halbinsel. Wie vor ihm schon Fifa-Boss Gianni Infantino. Der Transfer und der geplante Wechsel zu den sprudelnden Quellen passen perfekt in die Zeit.
Denn auch der Spuk in Katar neigt sich dem Ende entgegen. Viele, die vor Ort waren, sind geblendet von der funkelnden Prunkfassade, den kurzen Wegen und der schieren Schönheit der heruntergekühlten Stadionpaläste.
Trotzdem: Eine Fussball-WM sollte mehr sein als eine Demonstration von Reichtum und Grossmannssucht in weitgehend steriler Atmosphäre. Mehr als eine Aneinanderreihung von 64 Spielen an einer Perlenkette. Sie sollte, wie jede sportliche Grossveranstaltung, eine vielfältige Inspiration für die Jugend dieser Welt sein.
Natürlich, das ist eine romantische Vorstellung. Aber man darf sie nicht aus dem Blick verlieren. Auch so gesehen ist und bleibt diese WM kein funkelnder Edelstein. Sondern ein lästiges Sandkorn im Auge des Betrachters.
Die WM als Chance und Mahnmal
Die WM in Katar ist aber auch eine Chance. Vielleicht ein Mahnmal. Vielleicht für viele Menschen der Moment zu verstehen, in welche Richtung respektive welche Sackgasse sich der Sport nicht noch weiter bewegen sollte. Aber vielleicht ist auch hier wieder der Wunsch der Vater des Gedankens.
Eine sportliche Ernüchterung ist Katar auch für die «goldene» Schweizer Spielergeneration. Sie sind Opfer der selbst geschürten Erwartungshaltung. Der Unterschied zu Portugal? Die Natispieler haben sich in einen Rausch geredet und die Demut verloren. Und kurieren jetzt ihren Kater von Katar. Die Portugiesen haben sich in einen Rausch gespielt.
Zurück zu Ronaldo. In der Gegend, in der ich meine Ferien verbringe, müsste der Hotelgärtner aus Burma für einen einzigen Monatslohn von CR7 exakt 6950 Jahre lang arbeiten.
Was mit 200 Millionen sonst möglich wäre
Man könnte mit diesen 200 Millionen wohl auch jedes afrikanische Dorf mit einem neuen Lederball beglücken. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. In Bezug auf die Bundesratswahlen: Mit den 200 Millionen könnte man auch 20'000'000 Portionen Rösti bestellen. Admiral Baume-Schneider aus dem silvesterlichen «Dinner for One» hätte damit nicht nur zu trinken.
Allerdings: Für ganz alles reicht auch das Ronaldo-Salär nicht. Die bald fälligen Bonuszahlungen an die Manager der abstürzenden Credit Suisse könnte man damit nicht einmal ansatzweise bezahlen.
Trotzdem betreibt die Bank, wie der Weltfussballverband Fifa, ein «Management by Jeans». An jeder wichtigen Stelle eine Niete.