Die Vorbehalte des Westens gegenüber dem WM-Gastgeber sind aus Sicht Dörigs legitim. «Die Kritik muss man annehmen können», so der Schweizer Botschafter. Es sei auch der Auftrag der Medien, ganz genau hinzuschauen, denn nicht alles in Katar sei paradiesisch. Die Meinungsfreiheit ist eingeschränkt, Homosexualität ist vom Gesetz her verboten und noch immer gibt es die Todesstrafe.
Katar hat in den letzten Jahren dank der WM aber auch Fortschritte erzielt. «Die Katarer haben einen Effort geleistet», sagt der Schweizer Botschafter. Ein Mindestlohn (ca. 270 Franken pro Monat) wurde eingeführt, das Kafala-System (keine Rechte für die Arbeitnehmer) abgeschafft, in den heissen Sommermonaten ist das Arbeiten in der Mittagshitze auf den Baustellen nicht mehr erlaubt. Dörig ist zuversichtlich, dass die Verbesserungen auch nachhaltig sind. «Ich denke, es ist ein gewisser ‹Point of no return› erreicht.»
Mehr als 200 Milliarden investiert
Rund 60 Sportveranstaltungen werden pro Jahr in Katar ausgetragen. Der Staat macht keinen Hehl daraus, sich mit der Austragung diverser Sportveranstaltungen einen Image-Gewinn zu versprechen. Das Ziel ist es, dereinst auch Olympische Spiele an den Persischen Golf zu holen. Im Hinblick auf die WM wurden rund 200 Milliarden in die Infrastruktur investiert. Von der Metro und den mehrspurigen Autobahnen dürften auch die Bevölkerung und die Wirtschaft profitieren.
Aber wie steht es um die allgemeine Sportkultur in Katar? «Man kann hier keinen FC St. Gallen erwarten, welcher 1879 gegründet wurde», so Dörig. Katar ist erst seit gut 50 Jahren unabhängig. Es gibt Schwimmbäder und Parks und die Aspire Academy im Osten der Stadt ist eine der modernsten Sportakademien der Welt. Im Februar gibt es einen nationalen Sporttag, an dem auch der Emir persönlich teilnimmt. «Vor allem die Jungen und die Männer sind auch ziemlich fussballbegeistert», so Dörig.
Der Schweizer Botschafter glaubt, dass Katar für die WM bereit ist. «Die Hardware – Stadien, Infrastruktur, Organisation, Sicherheit – wird funktionieren. Spannend wird sein, wie das Land mit den Soft-Fragen umgehen wird.» Die Einschränkung des Bierausschanks rund um die Stadien sorgte vor dem WM-Start für hitzige Köpfe. Dörig glaubt, dass Katar mit Augenmass handeln wird. «Es gelten die hiesigen Gesetze, aber wahrscheinlich wird auch das eine oder andere Auge zugedrückt.»