Erst seit 1991 ein unabhängiger Staat. An der WM 1998 erstmals überhaupt startberechtigt. Mit vier Millionen Einwohnern nicht mal halb so viel wie die Schweiz. Wie hat Kroatien schon wieder geschafft, woran die Schweizer Nati auch in Katar krachend gescheitert ist? Nämlich den Einzug in einen WM-Viertelfinal, zum dritten Mal nach 1998 und 2018. Mehr noch: Die «Vatreni» (die Feurigen) treten in Katar als amtierender Vizeweltmeister an, 1998 in Frankreich wurden sie bei ihrer WM-Premiere sensationell Dritter.
Mladen Petric (41) muss es wissen. Der langjährige Profi (u.a. GC, FCB, Dortmund und Fulham) war Schweizer Junioren-Nationalspieler, ehe er sich auf A-Stufe für Kroatien entschied und 44 Mal im rot-weissen Karo-Leibchen auflief.
Der 41-Jährige zu Blick: «Wir sind ein kleines Land, aber der Stellenwert des Sports ist riesig. Nicht nur Fussball: Handball, Basketball, Ski, Tennis – überall haben wir grosse Erfolge gefeiert. Das Talent wird uns in die Wiege gelegt. Die meisten Kinder in Kroatien verbringen die Freizeit draussen mit Sport. Wer begabt ist, wird gefördert, statt gebremst. So lernen die Spieler in frühen Jahren, Verantwortung zu übernehmen.»
Zum Beispiel bei Dinamo Zagreb: Der erfolgreichste Verein Kroatiens ist eine zuverlässig sprudelnde Talentquelle und gemäss einer Studie europaweit der viertgrösste Produzent von Erstligaspielern.
An WM gilt: Sind Kroaten im Rückstand, gewinnen sie
Frühförderung und Talent sind das Eine – das Kernstück der kroatischen Erfolge ist jedoch ihre Mentalität. Anders gesagt: Punkto Infrastruktur hinkt Kroatien der Schweiz hinterher. Doch die Verwissenschaftlichung des Sports mit Datensezierung, Schlafüberwachung, etc. stösst an Grenzen, wenn die Einstellung nicht stimmt. Und in dieser Disziplin machen die Kroaten allen anderen Rückstand wett.
Petric hebt das Selbstverständnis hervor, mit der Kroatien in Spiele gegen vermeintlich stärkere Teams gehe: «Wir haben vor jedem Respekt, aber vor niemandem Angst. Wir reden nicht nur davon, gegen Fussball-Grossmächte wie Deutschland, England oder Argentinien bestehen zu wollen – das ist unsere tiefe innere Überzeugung.» Und der frühere Nationaltrainer Niko Kovac sagte mal: «Kroaten bestreiten gerne Wettkämpfe, vergleichen sich, wollen der Bessere sein. Das bildet einen starken inneren Antrieb.»
Und dann gibts noch diese Statistik, die viel aussagt über die Mentalität der Kroaten: An der WM 2018 lagen sie in der K.o.-Phase dreimal hinten, dreimal gewannen sie trotzdem noch, erst im Final war Frankreich zu stark. Trainer Zlatko Dalic sagte damals nach dem Halbfinal: «Einige haben auf einem Bein gespielt. Ich wollte auswechseln, aber niemand wollte runter.» Auch in Katar gabs in der Gruppenphase gegen Kanada und im Achtelfinal gegen Japan Siege, wenn man in Rückstand lag. Der heutige Viertelfinalgegner Brasilien sollte gewarnt sein – und sich auf eine Führung gegen Kroatien nichts einbilden.