Nati-Legende Türkyilmaz im Interview mit Nati-Coach Yakin
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«Schweiz schafft WM-Halbfinal»:Nati-Legende Türkyilmaz im Interview mit Nati-Coach Yakin

Dieses WM-Interview ist heiss
Muri «besticht» Kubi für Lobeshymne

Kubi und Muri war einst das Traumduo bei GC. Blick-Fussballexperte Türkyilmaz und Nati-Trainer Yakin reden über die WM, den VAR, Muris Mutter Emine und drücken sich dabei 50er-Noten in die Hand.
Publiziert: 15.11.2022 um 11:39 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2022 um 11:50 Uhr
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Blick-Experte Kubilay Türkyilmaz trifft Nati-Trainer Murat Yakin.
Foto: TOTO MARTI
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Michael WegmannStv. Fussballchef

Kubilay Türkyilmaz: Muri, welchen Mitspieler aus deiner Aktivzeit hättest du gerne an die WM mitgenommen?

Murat Yakin: Das beginnt ja schon mal gut, Kubi. Ich habe mein 26-Mann-Kader zusammen. Ist ein Joker erlaubt?

Türkyilmaz: Es gibt keine Joker.

Yakin: Politisch korrekt müsste ich jetzt wohl Marc Hottiger nennen, denn er arbeitet ja auch beim Schweizerischen Fussballverband. Aber ich nehme Stéphane Chapuisat. Das versteht sicher auch Hottiger.

Türkyilmaz: Und wen würdest du für die gute Stimmung mitnehmen?

Yakin: Am ehesten Fredy Chassot. Da wäre sicher immer was los.

Murat Yakin, ein Türkyilmaz in seiner Blütezeit hätte in Ihrem WM-Kader sicher einen Platz gefunden, oder?

Türkyilmaz: Heute gäbe es keinen Platz für Kubi. Der Fussball ist viel schneller und physischer geworden. Das Wichtigste ist heute rennen, schnell und lang. Muri hat eine Mannschaft beisammen, die sehr viel läuft. Für diese Art von Fussball wäre ich zu schnell müde.

Yakin: Kubi hat recht, das war eine andere Zeit damals. Aber von seiner Schlitzohrigkeit könnten wir sicher profitieren. Ich erinnere mich bestens, wie er sich ab und an in einem Laufduell im Strafraum selbst beim Gegner einhängte und einen Penalty herausholte.

Das würde heute mit VAR doch nicht mehr funktionieren?

Yakin: Oh doch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Kubi selbst den VAR überlistet hätte.

Murat Yakin, was haben Sie gedacht, als Türkyilmaz 1995 zu GC kam?

Yakin: Ich habe mich gefreut. Wir kannten uns ja aus der Nati. Er war ein cooler Typ, ein Charakter-Kopf. Sportlich war das Signal eindeutig: Wir hatten bei GC schon ein gutes Team, die Verpflichtung von Kubi stand für den nächsten Schritt. Was ja auch aufging, wir qualifizierten uns dann als erstes Schweizer Team für die Champions League.

Sie beide waren Ausnahmetalente, galten aber auch als ...

Yakin: … jetzt bin ich gespannt, was kommt.

Türkyilmaz: … gut, stark, genial?

Wir dachten eher an undiszipliniert oder trainingsfaul.

Türkyilmaz: Das war unsere Stärke. Es war ja nicht so, dass wir nicht trainieren wollten. Es war so, dass wir wussten, wie wir trainieren müssen. Wir beide kannten unsere Körper und wussten, wann eine Pause wichtig war. Wir hatten die Intelligenz, auf unsere Körper zu hören. Deshalb hatten sowohl Muri wie ich kaum muskuläre Verletzungen.

Sie hatten oft während Testspielen muskuläre Probleme.

Türkyilmaz: Das weiss ich nicht mehr so genau, ist ja schon lange her.

Yakin: Wir beide sind extreme Wettbewerbstypen. An den Match-Tagen waren wir bereit, mit unserer ganzen Energie, unserer Kraft. Unser Fokus lag auf der grossen Bühne, auf den Spielen.

Die GC-Mannschaft war damals oft im Ausgang anzutreffen. Oder ist das eine üble Verleumdung?

Yakin: Nein, nein. Es stimmt schon, dass wir uns neben dem Platz ein wenig Freiheiten herausgenommen haben. Das liegt vielleicht in unseren Genen, in unserer Kultur. Christian Gross hat das toll hingekriegt, er liess uns einige Freiheiten, weil er wusste, dass er sich bei den Spielen auf uns verlassen kann.

Türkyilmaz: Zusammen ab und zu weggehen, das war auch unsere Stärke. Wenn du nicht mal zwischendurch den Kopf lüftest, lieferst du nicht solche Resultate.

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Yakin: Wenn es darauf ankam, hat Kubi immer geliefert. Einen Stürmer mit seinen Qualitäten gibts heute nicht mehr viele: So eine Schlitzohrigkeit, diese Laufwege, diese Kraft und so ein «Näsli» gibts heute kaum mehr.

Türkyilmaz: Muris Mutter Emine war damals auch sehr wichtig für unsere Erfolge bei GC. Sie war quasi immer da und kreierte so ein familiäres Umfeld. Sie war auch ein wenig meine Mutter. Ich habe leider meine Eltern früh verloren.

Yakin: Unsere Mami hatte immer grosse Freude an Kubi. Auch später in Basel hat sie ihn immer herzlich begrüsst, wenn sie ihm auf ihrem Dreirad begegnet ist. Sie hatte ihn gerne. Er war quasi ein Familienangehöriger.

Wie sind Sie mit Yakin als Nati-Trainer zufrieden?

Türkyilmaz: Er macht es sehr gut. Aber das verwundert mich nicht.

Warum?

Türkyilmaz: Ich spielte mit Muri zusammen, da war er 21 Jahre alt. Aber er dirigierte im Mittelfeld wie ein Spielertrainer. Ich orientierte mich an Muri, habe auch auf ihn gehört. Seine taktische Intelligenz war schon damals nicht zu übersehen …

Yakin schmunzelt, zieht eine Fünfziger-Note aus seinem Hosensack und drückt diese Türkyilmaz in die Hand. «Immer weiter so, du machst das hervorragend. Ich habe noch mehr …»

Türkyilmaz nimmt das Geld, steckt es ein und fährt unbeirrt fort. «Muri ist ruhig und mutig, er hat Vertrauen in seine Spieler, seinen Staff und in sich selbst. Für mich ist er der ideale Nati-Trainer. Er ist ein Manager-Typ wie Ferguson. Er organisiert gerne, vertritt die Nati hervorragend gegen aussen – und muss nicht jeden Tag auf dem Platz stehen.»

Jetzt macht Türkyilmaz die hohle Hand und hält sie Yakin hin. Grosses Gelächter.

Wäre Türkyilmaz auch ein guter Trainer geworden?

Yakin: Als Cheftrainer sehe ich ihn weniger. Kubi ist ein Freigeist. Aber als Stürmertrainer wäre er sicher für jedes Team Gold wert.

Es ist auffallend, dass aus Stürmern kaum grosse Trainer wurden. Aus Mittelfeldspielern jedoch zahlreiche. Warum ist das so?

Yakin: Das liegt wohl in der Natur der Sache: Stürmer müssen egoistischer sein. Mittelfeldspieler sollten aber immer das grosse Ganze im Fokus haben. Das Spiel organisieren, orchestrieren, dirigieren. Das hat schon viele Parallelen zum Trainer-Job.

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Türkyilmaz: Vielleicht ist es auch viel simpler: Wir Stürmer verdienen in unserer Karriere einfach viel mehr als ein Mittelfeldspieler oder Verteidiger und müssen deshalb nach dem Rücktritt nicht mehr arbeiten.

Yakin: Kubis Begründung gefällt mir. Wir lassen das so stehen.

Türkyilmaz: Was erwartest du von dieser WM?

Yakin: Zuletzt waren wir an den Turnieren immer gut. Wir haben eine tolle Truppe mit einigen Spielern, die in grossen Teams Leistungsträger sind. Wir dürfen grosse Erwartungen haben. Aber ich wehre mich, wenn jemand sagt: «Letztes Mal standen wir im Viertelfinale, jetzt muss die Halbfinal-Qualifikation her.» Das ist ein sportlicher Wettkampf, alles kann passieren. Alle sind ambitioniert.

Türkyilmaz: Aber?

Yakin: Bleiben wir von Verletzungen verschont, sind wir in der Lage, auch mal einen ganz Grossen wie Brasilien zu schlagen.

Türkyilmaz: Und dann darfst du nicht einmal anstossen, weil in Katar Alkohol ja verboten ist.

Yakin: In den Hotels wird Alkohol ausgeschenkt. Aber er ist sehr teuer. Du als Blick-Experte kannst uns bestimmt sagen: Wer wird Weltmeister und wie weit kommt die Schweiz?

Türkyilmaz: Ich tippe auf Brasilien als Weltmeister, Dänemark wird überraschen und du kommst mit der Nati bis ins Halbfinale.


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