Gross war der Schock, als sich Granit Xhaka (29) am 26. September auf eine Art und Weise verletzte, die unglaublich anmutet: Der vom eigenen Mitspieler gefoulte Spurs-Spieler Lucas Moura trifft mit seinem Fuss Xhakas Knie. Die Diagnose: Innenbandriss. Drei Monate out. Der Captain verpasst die letzten vier WM-Qualifikationsspiele!
Ausgerechnet er, den der neue Nati-Coach Murat Yakin zum einzigen Unentbehrlichen erhoben hatte. Frei nach George Orwell in «Animal Farm»: Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als die anderen.
Yakin hat es vor den beiden Oktober-Länderspielen etwas anders formuliert: «Granit ist unersetzlich. Er ist der Anführer, der lautstark dirigiert, der die Mannschaft zusammenhält.»
Shaq blüht auf
Doch Pragmatiker Yakin jammert nicht. Er hat einen Plan B. Dieser sieht vor, Xhakas sportliche Rolle auf den Schultern von Denis Zakaria und Remo Freuler zu verteilen. Und Xherdan Shaqiri (30) gleich in doppelter Hinsicht mehr Verantwortung zu übertragen. Einerseits als Leader auf dem Platz und als Penaltyschütze, welcher in Anwesenheit von Xhaka natürlich Xhaka geheissen hätte. Andrerseits als Captain.
Und was wurde daraus? Penalty gabs keinen, also musste auch niemand schiessen. Und Shaq blühte mit grosser Spiellust auf und nahm seine Verantwortung als Captain am Round-Table-Gespräch zu Beginn des Zusammenzugs, an der Pressekonferenz vor dem Nordirland-Match und im Team wahr. Und er reagierte glänzend bei der unsäglichen UCK-Jacken-Provokation.
Xhaka keine Option für Italien-Spiel
Dieses Aufblühen hat zum einen mit der neuen Situation des Kraftwürfels in Lyon zu tun, wo er nun Führungsspieler ist. Andrerseits aber auch mit Xhakas Absenz. Shaqiri hat mehr Raum sich zu entfalten, mehr Luft zum Atmen ohne den dominanten Arsenal-Legionär.
Doch ist Xhaka deswegen gleich ersetzbar geworden? Hat man ihn wirklich nicht vermisst, wie es SRF-Mann Sascha Ruefer in seiner Analyse fast schon boulevardesk zugespitzt sagte? Nein, natürlich nicht. Vermisst hat man Xhaka nur deswegen nicht, weil es gegen die drittklassigen Nordiren und Litauer ging. Im EM-Viertelfinal gegen Spanien hat man Xhaka sehr wohl vermisst. Und man wird es auch am 12. November in Rom tun, wenn es zum Showdown am Tiber kommt. Denn Xhaka hat keine Chance, da wieder mitzutun.
Nati-Captains gemeinsam in den Playoffs?
Also wird es erst im neuen Jahr den ersten gemeinsamen Auftritt der Nati-Captains Nummer eins und zwei geben. Im September war Shaqiri verletzt. Nun ist es Xhaka. Es wird spannend sein zu beobachten, wie das ausschaut, wenn beide zusammen einrücken. Yakin hat nach dem Bulgarien-Spiel Zeit, das Zusammenleben von Xhaka und Shaqiri neu zu definieren und das «Captainproblem» zu lösen. Findet der Coach eine patente Lösung, wird das die Nati nur noch stärker machen. Und das kann unter Umständen enorm wichtig sein, um sich für Katar zu qualifizieren. Denn die Playoff-Spiele steigen im März 2022.