Mit Füssen getretene Menschenrechte, Zwangsarbeiter, Einschränkungen der Pressefreiheit, ein plötzliches Bierverbot und jetzt noch die wirrste Infantino-Rede aller Zeiten. Wir haben uns in den letzten Wochen nochmals richtig an der Fifa und an Katar als WM-Austragungsort abgearbeitet. Zu Recht haben wir aufgezeigt, warum diese WM in vielerlei Hinsicht keinen Sinn macht.
Die Vergabe passierte 2010 und keine der involvierten Parteien hatte damals die Geistesgegenwart, aufzustehen und zu sagen: «Nicht mit uns!». Sie waren entweder selber zu stark involviert, sie sahen bei einem Veto ihr eigenes Business in Gefahr (in diese Gruppe gehören wir Medien), oder sie glaubten noch naiv an die Trennbarkeit von Politik und Sport.
Einige glaubten ebenso naiv daran, dass Gianni Infantino die Fifa besser machen würde. Spätestens seit heute haben wohl noch einige Fifa-Mitglieder mehr auf ihre To-do-Liste notiert: «Neuen Präsidenten suchen. Dringend.» Der Walliser wird für den Weltverband mehr und mehr zum Risiko.
Kurz vor Turnierstart bleibt die Gretchen-Frage: Darf ich mich denn nun überhaupt auf WM-Fussball freuen? Ja. Ich bin überzeugt, dass dieses Turnier – abgesehen vom unguten Boden, auf dem es ausgetragen wird – sportlich richtig gut werden wird. Und ich freue mich auf ein Schweizer Team mit viel Potenzial. Darum lasst sie jetzt tschutten!
Und schreiben wir uns das hinter die Ohren: Wenn sich Firmen und Staaten, abseits des fussballerischen Flutlichts, schamlos von Katar finanzieren lassen, dann sollten wir dort genauso den Finger draufhalten, wie wir es im Sport tun. Und wir sollten uns auch nach WM-Ende noch für die Gastarbeiter in Katar interessieren. Der Sport wird nie besser sein als der gesellschaftliche Durchschnitt.