Der Ruf der Fussball-WM in Katar hat in den letzten Tagen nochmals richtig gelitten. Das jüngste Kapitel markierte die kurzfristige Kehrtwende des Gastgeber-Landes im Umgang mit Alkohol in und ums Stadion. Die ohnehin schon allgegenwärtige Kritik am Turnier wurde nochmals lauter.
Einer, der die Katar-Schelte nicht so stehenlassen will, ist Fifa-Boss Gianni Infantino. Der 52-Jährige holt am Samstag in einer Pressekonferenz so richtig zum Gegenschlag aus. Infantino poltert gegen alles und jeden, der die Endrunde im Wüstenstaat für eine schlechte Idee hält. Er redet sich regelrecht in Rage – und sorgt so einen Tag vor dem Eröffnungsspiel zwischen Katar und Ecuador für einen denkwürdigen Auftritt.
Fifa-Boss Giovanni Infantino kam zwar 1970 in Brig VS zur Welt. Seit Oktober 2021 lebt der oberste Fussballfunktionär aber zusammen mit seiner Familie hauptsächlich in Katar. Gerüchte, wonach der Walliser auch einen Umzug des Fifa-Hauptsitzes von Zürich in den Wüstenstaat in Erwägung ziehe, wurden aber stets dementiert.
Fifa-Boss Giovanni Infantino kam zwar 1970 in Brig VS zur Welt. Seit Oktober 2021 lebt der oberste Fussballfunktionär aber zusammen mit seiner Familie hauptsächlich in Katar. Gerüchte, wonach der Walliser auch einen Umzug des Fifa-Hauptsitzes von Zürich in den Wüstenstaat in Erwägung ziehe, wurden aber stets dementiert.
«Ich bin selber Sohn von Gastarbeitern»
«Ich habe sehr starke Gefühle», eröffnet Gianni Infantino seine Rede am Pressetermin vom Samstagmorgen in Doha. «Heute fühle ich mich als Katarer. Heute fühle ich mich als Araber. Heute fühle ich mich als Afrikaner. Heute fühle ich mich als Homosexueller. Heute fühle ich mich als Mensch mit Behinderung. Heute fühle ich mich als Gastarbeiter.» Über eine Minute lässt sich der Präsident der Fifa Zeit für diese Aufzählung, bei der er sich vor allem an die Kritiker des Turniers und deren Ausbeutungs- sowie Diskriminierungs-Vorwürfe wendet.
Dann folgt die grosse Retourkutsche des Wallisers: «Ich bin selber Sohn von Gastarbeitern.» Er selbst habe rote Haare und Sommersprossen gehabt und sei deswegen geplagt und ausgeschlossen worden. «Man muss Freunde machen, nicht ständig andere beschimpfen und anprangern. Das wollen wir hier tun.»
Nicht in der Position für moralische Lektionen
Die ständige Kritik an Katar tut Infantino als Scheinheiligkeit ab. «Diese einseitige Moralpredigt ist reine Heuchelei.» Es falle ihm wirklich schwer, diese Kritik zu verstehen.
Viele europäische Unternehmen würden laut Infantino Milliarden von Katar erhalten, aber keines würde sich auch nur annähernd so für die Rechte von Einwanderern oder anderen Minderheiten engagieren, wie es die Fifa nun tue. Verurteilungen aus der westlichen Welt seien darum absolut unangebracht. «Für das, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren getan haben, sollten wir uns eher für die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, den Menschen moralische Lektionen zu erteilen.»
Die zornige Rede Infantinos dauert rund eine Stunde. In Erinnerung bleiben dürfte sie aber wohl wesentlich länger. Allerdings kaum so, wie sich das die Fifa und das gesamte WM-Komitee gewünscht haben.