Die Bilder sind noch präsent: Nachdem im April 2021 zwölf Grossklubs aus England, Spanien und Italien die Gründung einer internationalen Super League ankündigt hatten, gingen auf dem ganzen Kontinent die Fans auf die Strasse. Vor allem der Widerstand der Anhänger von Chelsea, Manchester City, Liverpool und Arsenal war heftig. Tenor der Fans: Der Geldgier der Klubs einen Riegel schieben. Und die bisherige Konstellation des Klubfussballs bewahren, wonach man sich mit guten Leistungen in der nationalen Liga für den Europacup qualifiziert. In der Super League hingegen sollten gemäss Idee der Initianten nur Grossklubs mittun dürfen.
Prominente Unterstützung für die Fans gabs von den Star-Trainern Pep Guardiola und Jürgen Klopp, die sich öffentlich gegen die Pläne ihrer Arbeitgeber ManCity und Liverpool stellten.
Als in der Folge die Uefa mit massiven Geldstrafen und dem Ausschluss aus dem Europacup und den nationalen Ligen drohte, bekam der Grossteil der Initianten kalte Füsse – und zog sich vom Projekt «The Super League» zurück. An den Plänen festhielten damals nur Real Madrid, Barcelona und Juventus Turin. Mittlerweile haben auch die Italiener ihren Ausstieg angekündigt. Übrig sind Real und Barça: Und die haben 2022 einen Teilerfolg errungen vor spanischen Gerichten, die der Fifa und der Uefa untersagten, die Gründung des neuen Formats zu behindern.
Seither wurde an verschiedenen Schrauben gedreht. Das neuste Modell, das den Initianten vorschwebt, besteht aus drei Spielklassen mit insgesamt 60 bis 80 Klubs. Gleichzeitig wurde der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) mit der Frage beauftragt, ob Fifa und Uefa jene Klubs, die an der Super League teilnehmen, vom Europacup und den nationalen Ligen verbannen dürfen. Die Urteilsverkündung ist für Donnerstagvormittag angekündigt.
Widerspricht die Uefa-Monopolstellung dem EU-Recht?
Gemäss dem Anwalt Jean-Louis Dupont hat das Urteil «das Potenzial, Bosman hoch zehn zu sein». Hintergrund: Dupont vertrat den belgischen Fussballprofi Jean-Marc Bosman, der 1995 vor Gericht erwirkte, nach Ablauf seines Vertrages ablösefrei den Klub wechseln zu dürfen. Die Stunde Null des heutigen Transfermarkt-Wahnsinns.
Zum neuen, für die Zukunft des europäischen Klubfussballs wegweisenden Urteil sagt Dupont gegenüber «Zeit Online»: «Diesmal geht es nicht um die Regulierung des Arbeitsmarktes, sondern um die grundsätzlichen Bedingungen, unter welchen auf dem Fussballmarkt Wettbewerbe stattfinden dürfen.»
Die Uefa als Ausrichter von Champions League, Europa League und Conference League findet, eine Super League ausserhalb der Uefa-Strukturen sei nicht rechtens. Weil das europäische Sportmodell besage, dass pro Sportart nur ein Verband zuständig sein soll. Die Kläger Real Madrid und Barcelona wiederum argumentieren, die Monopolstellung der Uefa widerspreche dem EU-Recht. Laut den Artikeln 101 und 102 der europäischen Verträge darf es in der EU keine Kartelle geben.
Gemäss Experten sind die Chancen, dass der EuGH im Sinne der Uefa entscheidet, grösser als umgekehrt. Weil der EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos in seiner Einschätzung zum Schluss kam, dass die Gründung einer Super League grundsätzlich zwar möglich sei. Die Uefa und die nationalen Verbände dürften den mitmachenden Klubs aber in der Folge die Teilnahme am Europacup und den nationalen Ligen untersagen. Die Einschätzung von Rantos ist nicht bindend, dient den Richtern am EuGH aber als wichtige Orientierung.
Sollte die Uefa tatsächlich recht behalten, wäre das nicht nur das endgültige Ende vom Mega-Projekt «The Super League». Gleichzeitig bekäme die Uefa dadurch die Erlaubnis, die übriggebliebenen Initianten Real Madrid und FC Barcelona für ihre Pläne abzustrafen. Finanziell und mit dem Ausschluss aus der Champions League.