Fangewalt im Schweizer Fussball
Knatsch zwischen Liga und Politik verschärft sich

Die Swiss Football League geht mit der Politik auf Konfrontationskurs. Sie kritisiert personalisierte Tickets als kontraproduktiv und teuer und fordert eine Wiederaufnahme des Dialogs. KKJPD-Co-Präsidentin Karin Kayser-Fritschi verteidigt die Massnahmen.
Publiziert: 17.10.2024 um 01:13 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2024 um 07:29 Uhr
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Liga-CEO Claudius Schäfer wehrt sich gegen personalisierte Tickets.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Liga lehnt personalisierte Tickets als kontraproduktiv und provokativ ab
  • Kosten pro Klub könnten bis zu einer Million Franken betragen
  • Gewalttätige Ereignisse bei Fussballspielen sind auf 17 Prozent gesunken
  • Dialog zwischen Liga und KKJPD über Sicherheitsmassnahmen gefordert
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Am Horizont des Schweizer Fussballs sind sie schon ganz leicht zu erkennen: die personalisierten Tickets.

Für die Konferenz der kantonalen Justiz- und PolizeidirektorInnen KKJPD ist es eine von mehreren Massnahmen, um die Fangewalt rund um und in Stadien einzudämmen.

«Wir sind daran, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, um eine einheitliche Einführung zu ermöglichen», sagt denn auch KKJPD-Co-Präsidentin Karin Kayser-Frutschi. Die Zustimmung sei breit. «Letzte Woche hat die sicherheitspolitische Kommission des Ständerats den Weg geebnet zu einer Anpassung der gesetzlichen Grundlagen auf Bundesebene.»

SFL sieht in personalisierten Tickets keinen Sinn

Als untaugliches Mittel sieht hingegen die Swiss Football League (SFL) diese Tickets. Neu ist es nicht, dass sie die Liga ablehnt. Neu ist aber die Tonart. Was nicht erstaunen darf. Die SFL sitzt in dieser Sache am kürzeren Hebel. Wenn die Politik diese Tickets will, werden sie kommen. Sonst könnten Fussballspielen die Bewilligungen verweigert werden. Fast scheint es, dass die SFL mit einer Medienrunde zu diesem Thema «All in» geht. 

Liga-CEO Claudius Schäfer: «Personalisierte Tickets sind weder verhältnismässig noch zielführend. Sie sind kontraproduktiv und provokativ.» Als Beleg nennt Schäfer den – ausgerechnet – gemeinsam mit der KKJPD erarbeiteten Bericht «Bilglietto+». «Dieser zeigt, dass eine Einführung umstritten ist, hohe Risiken birgt und sich aktuell nicht aufdrängt.» Zudem würden Unruhe, Unsicherheiten, stundenlange Wartezeiten bei den Zugangskontrollen und massive Fanproteste drohen.

Massnahmen seien existenzbedrohend

Personalisierte Tickets würden auch ein erheblicher Kostenfaktor sein. «Pro Klub würden sich die Kosten auf bis zu einer Million Franken belaufen», so Schäfer. Und weil die Liga davon ausgeht, dass personalisierte Tickets auch einen drastischen Zuschauerrückgang in der ganzen Schweiz zur Folge hätte, sieht sie manche Vereine sogar in ihrer Existenz bedroht. Denn die Ticketeinnahmen machten bei vielen Klubs bis zu einem Viertel der Budgets aus.

Kayser-Frutschi sieht das wenig überraschend anders: «Wir dürfen aber nicht ausklammern, was die Allgemeinheit für die Sicherheit des Super-League-Spielbetriebs aufwendet. Die Polizeieinheiten an einem Hochrisikospiel, mit rund 120 Einsatzkräfte während zehn Stunden, die Sachbeschädigungen im öffentlichen Raum und zerstörte Zugabteile kosten jede Saison viele Millionen von Franken. Investitionen zur Bewältigung des Gewaltproblems in den Stadien bedeuten also Einsparungen.»

«Projektionsfläche für Gruppen, die Zwischenfälle provozierten»

Statt auf personalisierte Tickets, will die Liga im Kampf gegen Fangewalt auf Dialog setzen. So wie sie das in den vergangenen Jahren durchaus mit Erfolg getan hat. Das sollen Zahlen belegen. Eine vom Bund erhobene Auswertung sagt, dass Fussballspiele mit gewalttätigen Ereignissen seit der Saison 2021/22 von 27 auf 17 Prozent gesunken sind. Die Anzahl der Partien ohne Zwischenfälle ist dagegen um 13 auf 55 Prozent gestiegen.

«Heisst das jetzt, dass wir zufrieden sind, wenn es nur noch in 17 Spielen zu Gewalt kommt? Nein, das dürfen wir niemals sein. Auch diese sind zu viel. Und im Moment gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass sie verschwinden. Fussball hat nach wie vor das Problem, Projektionsfläche zu sein für kleine Gruppen, welche gravierende Zwischenfälle provozieren», hält Kayser-Frutschi entgegen.

Zwischen Juni 2023 und 2024 sei es bei über 100 Super-League-Spielen zu gewalttätigen Ereignissen gekommen. Bei 40 zu besonders Schweren. Diese Zahl hätte zugenommen. Sie ergänzt: «Ich will mich jetzt nicht in einen Wettkampf begeben, welche Statistiken besser seien. Aber manchmal müssen absolute Zahlen auf den Tisch anstatt relativierender Prozentsätze …»

«Was ist die Erwartungshaltung?»

Da ist Schäfer seinerseits nicht einverstanden: «Ist die Erwartung, dass wir bei all diesen Spielen und der hohen Zuschauermasse null Gewaltvorfälle haben? Es wäre eine Erwartungshaltung, die nicht umsetzbar wäre. Darum habe ich auch das Gefühl, dass man in der Öffentlichkeit und auch mit den Behörden wieder mehr über die Erwartungen diskutieren muss.»

Er sei sicher, dass der Dialog mit den Fangruppierungen wirksam sei. Unspektakulär, aber wirksam. Kayser-Frutschi kontert: «Unter dem Strich ist es an und im Umfeld von Fussballspielen nach wie vor nicht wirklich ruhig.»

Wer hat sich nun dem Dialog verweigert?

Schäfers abschliessende Forderung: «Statt einseitig repressive Massnahmen einzuführen, erwarten wir von der KKJPD eine rasche Wiederaufnahme des gemeinsamen Dialogs ohne gegenseitige Forderungen und Bedingungen.» Bedeutet also: Die KKJPD hat den Dialog abgebrochen und stellt nun Bedingungen für die Wiederaufnahme?

Kayser-Frutschi: «Es war die Liga, welche im Frühling einen Tag vor der Vorstellung des Kaskadenmodells den Ausstieg aus der Arbeitsgruppe Bewilligungsbehörden bekanntgab. Dies, nachdem wir zweieinhalb Jahre am gleichen Tisch gesessen waren und versucht hatten, den Dialog aufrechtzuerhalten.»

Die KKJPD habe den Dialog immer wieder initiiert. Dies umfasste sogar den Einbezug der Klubs in die Entscheidfindungen im Nachgang zu Ausschreitungen. «Aufgabe der Kantone ist aber immer die Sicherstellung der Sicherheit für die gesamte Bevölkerung. Es wird auch in Zukunft nicht möglich sein, hierauf einfach zu verzichten und den Fussball als rechtsfreien Raum zu behandeln.» Wenn das die Basis sei für einen Dialog, werde es ganz schwierig.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Zürich
FC Zürich
14
7
26
2
FC Basel
FC Basel
14
20
25
3
FC Lugano
FC Lugano
14
6
25
4
Servette FC
Servette FC
14
2
25
5
FC Luzern
FC Luzern
14
4
22
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
14
6
20
7
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
14
2
20
8
FC Sion
FC Sion
14
0
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
14
-5
16
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
14
-10
15
11
FC Winterthur
FC Winterthur
14
-21
11
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
14
-11
9
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