Trainer-Ausbildungsdiskussion
Darum ist der Fall Hakan Yakin so heikel

Die Blick-Berichterstattung über die Trainerausbildung in der Schweiz gibt zu reden. Knackpunkt sind die Zulassungshürden für die Uefa-Pro-Lizenz: Ein Arbeitsrechtler sagt, warum der Fall Hakan Yakin rechtlich heikel sein könnte.
Publiziert: 19.06.2022 um 18:16 Uhr
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Aktualisiert: 19.06.2022 um 19:56 Uhr
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Hakan Yakin will Schaffhausen-Trainer werden. Fraglich, ob er wegen seines fehlenden Uefa-Pro-Diploms zugelassen wird.
Foto: keystone-sda.ch
Sebastian Wendel und Michael Wegmann

Der Mann hat 87 Länderspiele mit der Schweiz auf dem Buckel, hat mit Basel und GC national sowie international zahlreiche Schlachten geschlagen, hat Auslanderfahrung in Frankreich, Deutschland und in der Türkei gesammelt. Doch aus Sicht einer Jury des Schweizer Fussballverbands taugt Hakan Yakin bislang nicht für eine Karriere als Profitrainer, weshalb ihm der Zugang zum Lehrgang Uefa-Pro-Lizenz verweigert wurde.

Klar: Ein guter Spieler ist nicht automatisch ein guter Trainer. Dass jedoch einer wie Hakan Yakin nicht einmal zur höchsten Trainerausbildung zugelassen wird, obwohl er alle vorherigen Diplomlehrgänge absolviert und bestanden hat, erstaunt.

Auch Nati-Assistent ist nicht zum Kurs zugelassen

Mit der Berichterstattung zum Thema «Trainerausbildung» hat Blick in den vergangenen Tagen in ein Wespennest gestochen. Zahlreiche Reaktionen aus beiden Lagern sind eingegangen: Er fühle sich, als würde er nach Abschluss der Ausbildung «am offenen Herzen operieren», sagt ein Trainer, «dabei geht es doch nicht um Leben oder Tod, sondern nur um Fussball». Ein anderer findet hingegen, die strengen Zulassungskriterien für die Uefa-Pro-Lizenz und die Aussortierung ungeeigneter Kandidaten seien gerechtfertigt – ein Trainer sei schliesslich längst nicht mehr nur fürs Sportliche zuständig, sondern auch Interviewpartner, Klubrepräsentant, Krisenmanager und Psychologe. Viel problematischer findet er, dass für das Amt des Sportchefs und Präsidenten Hinz und Kunz zugelassen sind, ohne Vorweisen von Diplomen. Und sie seien es dann, die über das Schicksal der hoch ausgebildeten Trainer entscheiden.

Auch Vincent Cavin, Assistenztrainer der Nati, würde gerne so schnell wie möglich die Uefa-Pro-Lizenz lösen. Aber er kann sich in der Schweiz wohl erst für den übernächsten Lehrgang anmelden, weil er noch keine zwei Jahre Erfahrung als Assistenztrainer vorweisen kann und weil der Job des Nati-Assistenztrainers bislang nicht als Aufnahmebedingung gelistet ist.

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Eishockey-Trainer kann jeder werden

Wer den Uefa-Pro-Lehrgang in der Schweiz bestreiten will, braucht neben Berufserfahrung eine Empfehlung des Instruktors, bei dem er das vorherige A-Diplom absolviert hat. Erst mit dieser Empfehlung ist man zugelassen für das Assessment, in dem aus allen Anmeldungen zwölf Teilnehmer/-innen für den alle zwei Jahre stattfindenden Lehrgang ausgewählt werden. Das Assessment beinhaltet eine schriftliche Prüfung, eine Präsentation zu einer gestellten Aufgabe und eine mündliche Anhörung.

Zum Vergleich: Wer in der Schweiz einen Profi-Eishockeyklub trainieren will, muss keine Ausbildung absolvieren und keine Diplome vorweisen. Yakin und Cavin könnten theoretisch morgen beim SC Bern oder den ZSC Lions beginnen.

Sind diese Einschränkungen im Fussball gerechtfertigt? «Zu einem gewissen Teil schon», sagt der Anwalt für Arbeits- und Sportrecht Dr. Martin Kaiser. «Dass Fussballtrainer ein Diplom vorweisen müssen, erscheint grundsätzlich verhältnismässig und im Interesse des Sports. Wer ein Restaurant eröffnen will, benötigt auch ein Wirtepatent. Oder Taxifahrer eine Lizenz.» Als juristisch heikel bezeichnet Kaiser hingegen die Zulassungsbeschränkungen für den Uefa-Pro-Lehrgang: «Hier stellt sich die Frage der Rechtsgleichheit und der Verhältnismässigkeit. Wer, wenn nicht ein international erfolgreicher Fussballer wie Hakan Yakin, bringt das Flair und das Rüstzeug für eine Trainerkarriere mit?» Anders gesagt: Wenn einer Person ohne Fussball-Background der Zugang zum Uefa-Pro-Diplom verweigert wird, sei das verständlich. Bei ehemals erfolgreichen Fussballern indes weniger. «Ein Lehrgang ist ja auch dazu da, die Kandidaten weiter auszubilden und allfällige Defizite zu verbessern», so Kaiser.

Anwalt: «Kann kartellrechtlich problematisch sein»

Letztlich stellt sich in der Praxis heraus, ob ein Trainer im Markt besteht oder nicht – so wie in jedem anderen Beruf. Im Ausbildungssystem des Schweizer Fussballverbands entscheidet jedoch mitunter die Meinung einer Expertenjury, ob einem Trainer überhaupt der Zugang zur höchstmöglichen Ausbildung gewährt wird. «Wer eine Ausbildungsstufe erfolgreich abgeschlossen hat, sollte grundsätzlich zur nächsten zugelassen werden», so Kaiser, «wenn die Zulassung aber nur auf einer subjektiven Meinung beruht, ist die Rechtsgleichheit gefährdet, was im schlimmsten Fall zu willkürlichen Entscheiden führen kann.» Der Verband hat eine Monopolstellung bei der Entscheidung, wer zum Trainerberuf zugelassen ist. «Das kann auch kartellrechtlich problematisch sein», so Kaiser.

Und was, wenn dereinst ein abgewiesener Aspirant seine Teilnahme an einem Lehrgang einklagen will? Kaiser: «In diesem Fall müsste der Verband objektiv nachvollziehbar darlegen, weshalb die konkreten Zulassungshürden in dieser Art notwendig sind und weshalb der abgewiesene Aspirant für die Ausbildung bzw. für den Beruf nicht geeignet ist.»

Der Schweizer Fussballverband sieht keinen Anlass, am bestehenden Ausbildungssystem etwas zu ändern. Reto Gertschen, Ressortleiter Trainerausbildung, sagt: «Eine Lockerung der Aufnahmekriterien steht Stand heute nicht zur Diskussion.»

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