So will der Lausanne-Boss die Liga bereichern
Herr Ratcliffe, spielen Sie jetzt um den Titel?

Warum Lausanne-Präsident Bob Ratcliffe nach dem Aufstieg nicht in Euphorie ausbricht. Und warum Milliardenkonzern Ineos Millionen in den Sport investiert.
Publiziert: 13.08.2020 um 15:38 Uhr
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Aktualisiert: 13.08.2020 um 17:18 Uhr
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Der FC Lausanne feiert den Challenge-League-Meistertitel.
Foto: Getty Images
Stefan Kreis

BLICK: Herr Ratcliffe, haben Sie nach dem Aufstieg kräftig gefeiert?
Bob Ratcliffe: Nein. Erstens überlasse ich das Feiern den Jüngeren. Und zweitens sind wir bloss dort, wo wir waren, als wir vor drei Jahren übernommen haben. Wir haben diesen Klub von Anfang an wie einen Profiklub behandelt und sind nun aus einer halbprofessionellen Liga aufgestiegen. Da kann ich nicht zu begeistert sein … Der Aufstieg ist toll, aber er ist die Basis.

Sie sagten einmal, dass sich Ineos bei der Ankunft auf der Pontaise «wie Fans verhalten und ziemliche Fehler begangen» habe. Was für Fehler?
Wir haben Spieler gekauft, die überbewertet waren. Und wir haben mitten in der Saison Wechsel vorgenommen, obwohl wir eigentlich auf dem richtigen Weg gewesen sind. Aber wir haben aus unseren Fehlern gelernt. Der Abstieg hatte eine heilsame Wirkung und hat uns auf unserem Weg geholfen, eine nachhaltige Organisation zu schaffen.

Wurden Sie nervös, als Lausanne nach dem Re-Start sechs Spiele in Folge nicht gewinnen konnte?
Ja. Was ich gesehen habe, hat mir ganz und gar nicht gefallen.

Im ersten Spiel nach dem Re-Start, im Cup-Viertelfinal gegen Basel, zeigte Lausanne aber ein Topspiel, brachte den Favoriten an den Rand einer Niederlage.
Das war der grosse Fehler. Wir hatten die längste Pause in der Geschichte des Fussballs, und dann spielst du plötzlich 120 Minuten, mit Verletzungen, mit Platzverweisen. Wir haben uns zu fest auf dieses eine Spiel fokussiert, statt uns auf die anderen Aufgaben zu konzentrieren. Auch weil wir in der Meisterschaft 15 Punkte Vorsprung hatten und sich eine gewisse Hybris breitgemacht hat.

Für gewöhnlich wird in solchen Krisen der Trainer gefeuert, Sie aber haben Sportchef Iglesias entlassen. Warum?
Weil wir mit Souleyman Cissé einen Mann als Nachfolger installiert haben, der seit Jahren einen phänomenalen Job macht. Ich war in Abidjan und habe gesehen, was er geleistet hat. Wie er mit jungen Spielern arbeitet, was für eine Philosophie er hat. Erst die Ausbildung, dann das Auftreten, dann erst der Fussball. Auch bei Bordeaux hat er gut gearbeitet. Die Frage war: Wie kriegen wir diesen Mann zu uns? Und als wir realisiert haben, dass er zu haben war, haben wir ihn verpflichtet.

Es war also eher eine Entscheidung für Cissé als gegen Iglesias?
Pablo ist ein super Typ, der uns weitergebracht hat. Aber um den nächsten Schritt zu machen, muss man manchmal harte Entscheidungen treffen.

Apropos harte Entscheidungen: Der Schweizer Profifussball kämpft wegen der Corona-Krise ums Überleben. Ohne Zuschauer droht vielen Klubs der Konkurs. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Sie zeigt mir, dass es in einem Land wie der Schweiz meiner Meinung nach in Zukunft bloss noch eine Profi-Liga geben kann. Und wir die Super League auf zwölf oder auf vierzehn Mannschaften aufstocken müssen. Es ist nicht schwierig, das durchzusetzen. Das ist keine Raketenwissenschaft. Aber unumgänglich.

Aber eine Aufstockung der Liga wird den Profifussball nicht retten. Wenn die Klubs weiter ohne Zuschauer weiterspielen müssen, bedeutet das für viele Vereine das Todesurteil.
Das ist ein Problem. Der Fussball in der Schweiz ist zu fest abhängig von den Ticketeinnahmen. Anders als die grossen Ligen, die von den TV-Geldern leben können. Deshalb braucht es eine Veränderung in der Schweiz. Und eine grössere Liga ist interessanter. Jedenfalls interessanter als das, was wir jetzt haben.

So viel Sport steckt im Chemiekonzern Ineos

Er ist milliardenschwer, global tätig und beschäftigt rund 22 000 Mitarbeiter: der Chemiegigant Ineos. Das Unternehmen betreibt Raffinerien und Gasfelder und versorgt Firmen mit Grundstoffen für Plastik, Farben und Medikamente. Firmengründer Jim Ratcliffe, einer der reichsten Briten, ist ein begeisterter Sportfan.

Zur Ineos-Sportgruppe gehören mit Lausanne und dem französischen Erstligisten Nizza (mit Ex-YB-Spieler Jordan Lotomba) zwei Fussballvereine sowie das Radsport-Team Ineos (früher Sky). Auch die am America’s Cup startende Segelcrew Britannia wird unterstützt, in der Formel 1 hat der Konzern eine Partnerschaft mit Mercedes abgeschlossen, und auch in der Leichtathletik ist das Unternehmen aktiv.

Das Konzept ähnelt jenem von Red Bull, das mit Salzburg, Leipzig und New York ebenfalls Fussballvereine besitzt – und zudem Hunderte von Einzelsportlern unterstützt. Auch Ineos setzt auf diese Karte. Unter anderem hat das Unternehmen den Marathonläufer Eliud Kipchoge unter Vertrag. Dieser bestritt ein bis ins letzte Detail geplantes Rennen mit sich abwechselnden Tempomachern und einem Laser, der die Ideallinie vorgab, um die «Ineos 1:59 Challenge» zu schaffen und den Marathon unter zwei Stunden zu laufen.

Dank des Sports ist Ineos auch ohne eigentliche Werbung in aller Munde. Zwar betont Bob Ratcliffe, der Bruder von Jim, im SonntagsBlick-Interview, dass das Unternehmen von der Leidenschaft für den Sport getrieben werde. Positive PR hat aber noch keinem Konzern geschadet. Vor allem dann nicht, wenn er in der Kritik von Umweltschützern steht.

Er ist milliardenschwer, global tätig und beschäftigt rund 22 000 Mitarbeiter: der Chemiegigant Ineos. Das Unternehmen betreibt Raffinerien und Gasfelder und versorgt Firmen mit Grundstoffen für Plastik, Farben und Medikamente. Firmengründer Jim Ratcliffe, einer der reichsten Briten, ist ein begeisterter Sportfan.

Zur Ineos-Sportgruppe gehören mit Lausanne und dem französischen Erstligisten Nizza (mit Ex-YB-Spieler Jordan Lotomba) zwei Fussballvereine sowie das Radsport-Team Ineos (früher Sky). Auch die am America’s Cup startende Segelcrew Britannia wird unterstützt, in der Formel 1 hat der Konzern eine Partnerschaft mit Mercedes abgeschlossen, und auch in der Leichtathletik ist das Unternehmen aktiv.

Das Konzept ähnelt jenem von Red Bull, das mit Salzburg, Leipzig und New York ebenfalls Fussballvereine besitzt – und zudem Hunderte von Einzelsportlern unterstützt. Auch Ineos setzt auf diese Karte. Unter anderem hat das Unternehmen den Marathonläufer Eliud Kipchoge unter Vertrag. Dieser bestritt ein bis ins letzte Detail geplantes Rennen mit sich abwechselnden Tempomachern und einem Laser, der die Ideallinie vorgab, um die «Ineos 1:59 Challenge» zu schaffen und den Marathon unter zwei Stunden zu laufen.

Dank des Sports ist Ineos auch ohne eigentliche Werbung in aller Munde. Zwar betont Bob Ratcliffe, der Bruder von Jim, im SonntagsBlick-Interview, dass das Unternehmen von der Leidenschaft für den Sport getrieben werde. Positive PR hat aber noch keinem Konzern geschadet. Vor allem dann nicht, wenn er in der Kritik von Umweltschützern steht.

Lausanne muss sich – im Gegensatz zu anderen Klubs – finanziell keine Sorgen machen. Mit Ineos hat der Klub einen Milliardenkonzern im Rücken. Spielen Sie nächste Saison schon um
den Titel?
Nein. Das ist nicht der Fokus. Wir wollen Lausanne in den nächsten drei Jahren in der Liga etablieren und dafür bekannt sein, dass wir die besten jungen Spieler rausbringen und attraktiven, intelligenten Fussball spielen. Wenn wir dabei um den Titel mitspielen, ist das ein Bonus.

Was bedeutet attraktiver, intelligenter Fussball?
Intelligenter Fussball heisst für mich, den Ball flach zu halten, schnelles Umschaltspiel, das ist wichtig. Technisch starke Spieler zu haben, die über einen guten Teamspirit verfügen und zusammenspielen.

Entspricht das aktuelle Team schon diesen Vorstellungen?
Im letzten Spiel gegen Ouchy hat jeder selbst denn Abschluss gesucht, statt den Pass zu spielen. Das war wie ein Truthahn-Wettschiessen. Das wollen wir nicht sehen. ManCity-Star Kevin de Bruyne wurde mal gefragt, welches sein schönstes Tor war. Er antwortete: Mein schönstes Tor war ein Assist. Das muss eines unser Mottos sein: Sei stolz auf deine Assists.

Ineos besitzt mit Nizza und Abdijan zwei weitere Vereine. Sind Sie zufrieden mit der sportlichen Entwicklung?
Wir haben uns mit Nizza für die Europa League qualifiziert, sind mit Lausanne aufgestiegen und haben auch mit Abidjan Erfolg. Wir sind auf gutem Weg, ja.

Ist Lausanne eine Art Farmteam von Nizza?
Nein, das sind zwei voneinander unabhängige Vereine, die viel voneinander profitieren können. Wir wollen das Lausanne eigenständig bleibt und in der Schweiz seinen eigenen Fussabdruck hinterlässt.

Aber dass mit Dan Ndoye einer der talentiertesten Lausanner im Sommer nach Nizza wechselt, riecht nach Farmteam oder?
Wenn wir nicht im Besitz von Nizza wären, hätten wir Dan in dieser Saison wohl nicht in Lausanne halten können. Er hat hervorragende Perspektiven und dementsprechende Angebote auf dem Tisch. Der Wechsel zu Nizza ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Investiert Ineos nur deshalb in den Sport, um von den ökologischen Schäden abzulenken, die durch die umstrittene Fracking-Methode entstehen?
Es ist interessant. Während der Corona-Krise wurde uns diese Frage nie gestellt, weil wir in unseren Fabriken Desinfektionsmittel für Spitäler hergestellt und diese gratis beliefert haben. Vor der Krise haben alle gesagt, Plastik sei schlecht, nun brauchen wir ihn zur Herstellung der Schutzmasken. Es ist immer eine Frage der Agenda. Welches Thema gerade aktuell ist.

Das beantwortet die Frage nicht …
Der Grund, warum mein Bruder und seine beiden Partner in den Sport investieren, ist einfach: Weil sie es können. Und weil sie es wollen. Das sind keine Opern-Typen, das sind keine Kultur-Typen. Das sind Sport-Typen.

Ineos wollte Chelsea kaufen, der Deal ist aber nicht zustande gekommen. Wie schwierig ist es, einen Premier-League-Klub zu kaufen?
Schwierig ist es nicht. Die Frage ist nur, ob sich eine solche Investition wirklich lohnt. Und wir haben derzeit genug zu tun mit Nizza, Lausanne und Abidjan.

Ihr Sohn, der Chelsea-Fan, hätte sicher nichts dagegen gehabt …
Wir lebten nur einen Kilometer von der Stamford Bridge entfernt. Mein Sohn war gefesselt von Chelsea und es war als Vater schön, das zu sehen. Als der Klub gegen Sunderland seinen Heimrekord verloren hat, hat er geweint. Es ist etwas Wunderbares, wenn man sieht, wie ein Fan geboren wird.

Ist so etwas auch in Lausanne möglich?
Ja. Wir hoffen, dass wir in den kommenden Jahren viele Fans dazugewinnen und unser neues Stadion dank attraktivem Fussball füllen können.

Ratcliffe persönlich

Bob Ratcliffe (65) ist der Bruder von Jim Ratcliffe, dessen Vermögen auf vier bis fünf Milliarden Dollar geschätzt wird und der zu den reichsten Briten gehört. Über die Familie ist privat aber nur sehr wenig bekannt. Er sei in Hull City aufgewachsen, sagt Bob. Danach sei die Familie nach Manchester gezogen. Die meiste Zeit seines Lebens aber hat er in London verbracht. Ratcliffe ist der Sohn eines Schreiners und einer Büroangestellten.

Bob Ratcliffe (65) ist der Bruder von Jim Ratcliffe, dessen Vermögen auf vier bis fünf Milliarden Dollar geschätzt wird und der zu den reichsten Briten gehört. Über die Familie ist privat aber nur sehr wenig bekannt. Er sei in Hull City aufgewachsen, sagt Bob. Danach sei die Familie nach Manchester gezogen. Die meiste Zeit seines Lebens aber hat er in London verbracht. Ratcliffe ist der Sohn eines Schreiners und einer Büroangestellten.

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