Lars Lunde, dieser blonde Rotzbengel im YB-Shirt, das er lässig über die Hose zog. Dem damaligen Trainer Alexander Mandziara hatte er oft Schimpf und Schande ausgeteilt – den Mitspielern auf dem Feld ebenfalls, wenn diese Fehler begingen. Nur vor den Gestandenen hatte er stets Respekt: Robert Prytz, Martin Weber, Jean-Marie Conz.
Das waren damals die Schlüsselspieler, die Meistermacher, die YB nach 26 Jahren des Wartens 1986 wieder zum Champion krönten. Lunde konnte sich vieles erlauben. Er bezahlte die Nachsicht mit Goals zurück, wurde mit 21 Treffern in 30 Spielen Torschützenkönig – und zum Publikumsliebling. Die treuen Berner Fans (damals war es noch nicht so hipp und cool wie heute, die gelb-schwarze Flagge zu zeigen) schlossen den eigenwilligen Dribbler und Sprücheklopfer in ihr Herz. Auch auf der Ausgangsmeile war der blonde Lars ein Star – gern und viel gesehen.
Sein Talent hätte ihm eine grosse Karriere bescheren können. Doch es kam ganz anders. Nach der YB-Meisterkrönung kaufte ihn Bayern. Schon seine Vorstellung in München verhiess nichts Gutes. Er musste in eine Wikingerverkleidung schlüpfen. Das war Slapstick und brachte ersten Spott, der schnell zur Häme wurde, weil Lunde einfach das Tor nicht mehr traf. Es war wie verhext. Nichts erinnerte mehr an den leichtfüssigen Wirbler aus YB-Zeiten.
Gescheitert kehrte er 1988 in die Schweiz zurück – zu Aarau, wo ihm Trainer Ottmar Hitzfeld zu neuer Blüte verhelfen wollte. Dann wurde es schwarz. Am 12. April 1988 nach dem Auswärtsspiel – ausgerechnet gegen YB – krachte Lunde in seinem VW Golf bei einem Bahnübergang im aargauischen Oberentfelden mit der Wynental-Suhrental-Bahn zusammen und lag darauf 240 Stunden im Koma. Schädel-Hirn-Trauma. Ob er wieder aufwachen würde? Und wenn ja, in welchem Zustand?
Lars Lunde hat überlebt, sitzt knapp 36 Jahre später an einem Tischchen im Kieser-Training an der Monbijoustrasse 10 in Bern, wo er seit zwei Jahren als Fitness-Instruktor angestellt ist. Am 21. März feiert er seinen Sechzigsten – ohne Groll, mit wenig Bedauern und vielen Emotionen blickt er zurück auf sein dramatisches Leben.
Lars Lunde, wie ist es, zweimal im Jahr Geburtstag feiern zu können?
Schon richtig, ich habe vor 36 Jahren ein zweites Leben geschenkt bekommen. Aber ganz ehrlich, der 12. April ist für mich als Datum nicht wichtig, ich habe es fast gestrichen aus meinem Gedächtnis. Ich feiere nur den 21. März.
Ist es schwierig, über den Unfall von damals zu sprechen?
Nein, er ist ein Teil meines Lebens, meiner Biografie. Meine Ambitionen als Fussballer musste ich damals zwar begraben, aber ich finde, ich habe trotzdem ein schönes und reiches Leben.
Hadern Sie mit Ihrem Schicksal?
Nein, ich denke gar nicht mehr oft an den Unfall. Ich habe Spass an meinem Job, ich geniesse jeden Tag. Das Leben hat so viele schöne Seiten. Nicht mal, wenn ich am Unfallort in Oberentfelden vorbeifahre, denke ich zurück. Es ist, als wäre das in einem anderen Leben passiert.
Ihre Karriere hätte ganz anders laufen müssen, Sie haben nach dem Meistertitel bereits einen Vertrag bei Xamax unterschrieben.
Präsident Gilbert Facchinetti hat mich zu sich eingeladen, mir einen Zehnjahresvertrag angeboten, den ich auch unterschrieben habe. Doch wenige Tage danach hat mich Uli Hoeness angerufen, mir ist fast der Hörer aus der Hand gefallen. Und wenn Bayern dich will, sagst du nicht Nein. Facchinetti hat mich verstanden, wir lösten den Vertrag ganz unkompliziert auf, und ich ging nach München. Hätte ich für Xamax gespielt, wäre wohl alles anders gelaufen.
Der in Nyborg (Dänemark) geborene Lars Lunde kam 1984 von Bröndby zu YB. In Bern erzielte er in 55 Spielen 30 Tore. 1986 wurde er Torschützenkönig und mit YB Meister. Im Oktober 1986 verpflichtete ihn Bayern München. Er traf in 30 Spielen dreimal, spielte achtmal in der Champions League (damals Europapokal der Landesmeister), darunter auch im Final gegen Porto (1:2). 1988 wechselte er auf Leihbasis zurück in die Schweiz zum FC Aarau in die NLA, nachdem er zuvor auch mit GC verhandelt hatte. Nach seinem schweren Autounfall im April 1988 heuerte er noch beim FC Zug und beim FC Baden an. Mit 26 Jahren trat er als Fussballer zurück. Lunde ist zweimal geschieden, hat einen 30-jährigen Sohn und lebt mit seiner Lebenspartnerin in Münsingen BE.
Der in Nyborg (Dänemark) geborene Lars Lunde kam 1984 von Bröndby zu YB. In Bern erzielte er in 55 Spielen 30 Tore. 1986 wurde er Torschützenkönig und mit YB Meister. Im Oktober 1986 verpflichtete ihn Bayern München. Er traf in 30 Spielen dreimal, spielte achtmal in der Champions League (damals Europapokal der Landesmeister), darunter auch im Final gegen Porto (1:2). 1988 wechselte er auf Leihbasis zurück in die Schweiz zum FC Aarau in die NLA, nachdem er zuvor auch mit GC verhandelt hatte. Nach seinem schweren Autounfall im April 1988 heuerte er noch beim FC Zug und beim FC Baden an. Mit 26 Jahren trat er als Fussballer zurück. Lunde ist zweimal geschieden, hat einen 30-jährigen Sohn und lebt mit seiner Lebenspartnerin in Münsingen BE.
Was ist von diesem 12. April präsent? Woran können Sie sich noch erinnern?
Ich erinnere mich noch an vereinzelte Szenen aus dem Spiel in Bern. Und auch an die Rückfahrt. Der Teambus von Aarau musste zehn Minuten auf mich warten, weil ich nach dem Duschen noch mit mehreren meiner Ex-Kollegen aus Bern geredet habe. Als wir im Brügglifeld ankamen, regnete es. Danach stiegen wir in unsere Autos. Im Nachhinein hat mir Ottmar Hitzfeld erzählt, dass wir uns an einem Lichtsignal noch zugewunken hätten, aber das weiss ich nicht mehr.
Sie sind über das Rotlicht gerast – ein Versehen?
Später in der Reha in Deutschland hat mich eine Psychologin gefragt, ob mein Unfall ein Selbstmordversuch war, weil ich bei Rot weiterfuhr. Natürlich war er das nicht, eher eine Mischung aus jugendlichem Übermut und momentanem Frust, weil ich an diesem Tag schlecht gespielt habe – ausgerechnet in Bern. Das ist für mich die einzige Erklärung für diesen Scheissdreck, den ich damals gemacht habe.
Welches waren die ersten Erinnerungen nach dem Aufwachen aus dem Koma?
Ich habe Ottmar Hitzfeld am Lift gesehen. Er trug eine rote Krawatte. Das mit der Krawatte stimmte, aber offenbar stand er nicht am Lift, sondern an meinem Bett und hielt meine Hand, wie ich später von ihm erfuhr. Jedenfalls habe ich ihm Hallo gesagt, zumindest im Traum. Richtig aufgewacht bin ich erst später, nach meiner Verlegung von Aarau nach Bern.
Wie muss man sich das Aufwachen vorstellen?
Ich lag im Bett, wusste nicht, wo ich war, dämmerte vor mich hin. Plötzlich ging die Tür auf, und mein Bruder und mein Berater Bruno Huber traten ins Zimmer. Mein Bruder wohnte ja nicht in der Schweiz, darum war ich erstaunt und fragte ihn, was er denn hier mache.
War Ihnen schnell klar, wie schlimm es um Sie steht?
Mein Bruder hat mir erzählt, was passiert ist, aber ich wollte gar nicht an Fussball denken, wusste einfach, dass etwas nicht mehr stimmt mit mir. Ich war sehr schwach, hatte Mühe mit der Balance, stürzte einmal sogar aus dem Bett. Sitzen, stehen, gehen, ich musste alles wieder lernen. Zudem war ich ziemlich schlecht gelaunt. Ich habe meinen Bruder terrorisiert.
Wie?
Mit Sonderwünschen. Beispielsweise wollte ich in den Garten runter, kaum waren wir unten, wollte ich wieder rauf, kaum oben angekommen, wieder runter. Ich war ungeduldig, wollte raus aus dem Spital, war unausstehlich. Dabei ist mein Bruder der wichtigste Mensch in meinem Leben.
Als Sie entlassen wurden aus dem Spital – wohin gings?
René und Alain Sutter haben mich vom Spital abgeholt und luden mich zu ihnen nach Hause nach Bümpliz ein, wo die Mutter etwas Feines gekocht hatte. Bei Sutters auf dem Balkon habe ich zum ersten Mal wieder versucht, ein bisschen mit dem Ball zu jonglieren. Es ging nicht mehr. Sie wohnten im zwölften Stock, der Ball flog nach wenigen Berührungen übers Geländer in die Tiefe.
Uli Hoeness hat sich später fürsorglich um Sie und Ihre Genesung gekümmert. Wie wichtig war er für Sie?
Sehr wichtig. Ich war ja noch Spieler von Bayern, war nach Aarau ausgeliehen. Die Familie Hoeness hat damals alles für mich getan. Ulis Tochter ist zu ihrem Bruder gezogen, damit ich für drei Wochen in ihrem Kinderzimmer leben konnte. Ich wurde bekocht und umsorgt und konnte in München die Reha machen. Ich konnte mit Uli jedes Problem besprechen.
Sie haben es danach noch mal versucht mit Fussball – gingen von Aarau zum FC Zug, später zum FC Baden in die Nationalliga B. Warum hat es nicht mehr geklappt?
Die Automatismen funktionierten nicht mehr, es haperte an der Koordination und am Timing, und man hat nicht mehr an mich geglaubt, mir kein Vertrauen geschenkt, das war das Schlimmste, weil ich so auch mein Selbstvertrauen und meinen Instinkt als Fussballer verlor.
Wann haben Sie sich selber eingestanden, dass es keinen Sinn mehr macht mit Fussball?
Ich konnte es fast nicht glauben, als mir mein Berater sagte, ich müsste beim FC Baden ins Probetraining. Ich war doch Lars Lunde, das war doch nicht möglich. Ich bekam zwar einen Vertrag, aber danach kaum Einsatzzeiten, und im Training klappten auch die einfachsten Dinge nicht mehr. Ich fühlte mich auf dem Platz so, als hätte ich einen zwanzig Kilogramm schweren Stein auf dem Rücken und schaffte es nicht mehr, die Verteidiger auszudribbeln. Eines Tages gab es ein ehrliches Gespräch mit Trainer Raimondo Ponte. Wir wussten beide, dass es nicht mehr geht, und machten einen Schlussstrich. Das wars. Es tat weh.
Sie haben danach dreissig Jahre als Lagerungspfleger im Spital gearbeitet und vielen Menschen geholfen – war das Ihre wahre Bestimmung?
Ich war ja bloss ein Rädchen, aber der Job hat mir Freude gemacht, und ich habe meine Rolle schnell gefunden und bin damit klargekommen – mit all dem Leid. Nur mit schweren Kopfverletzungen nach Autounfällen hatte ich Mühe. Ich möchte diese Zeit nicht missen. Ich hätte viele wunderbare Menschen nicht kennengelernt, wenn ich den Unfall nicht gehabt hätte.
Wie viel vom ungestümen Lars Lunde von früher steckt heute noch in Ihnen?
Ich bin immer noch ein Träumer, ein Kind, der Spass haben will. Aber heute ist da etwas in mir, das auf die Bremse tritt. Eine Stimme, die sagt: Pass auf, Lars! Beispielsweise steige ich seit zehn Jahren nicht mehr in ein Flugzeug. Das schaffe ich einfach nicht mehr.
Spielen Sie noch Fussball?
Ja, manchmal mache ich noch bei Plauschmätschli mit. Dann freue ich mich, alte Kollegen wiederzutreffen. Aber das hat bei mir nichts mehr mit Fussball zu tun. Da geht nicht mehr viel.
Welches wäre das schönste Geburtstagsgeschenk, das man Ihnen machen könnte?
Mir kann man nichts mehr schenken. Ich habe alles, ich bin glücklich, mir geht es körperlich und geistig gut, die Schweizer haben mich gern, und ich darf in Bern leben, dem schönsten Ort auf dieser Welt.
Macht Ihnen das Altern Angst?
Mir macht der Gedanke an die Pension zu schaffen. Mir gefällt dieser Job bei Kieser so gut. Hier mit diesen Menschen zusammenzuarbeiten, meine Erfahrungen weiterzugeben, ist wie ein Lottosechser. Was, wenn ich das nicht mehr habe? Und ich habe Angst vor dem Leiden und vor dem Sterben. Ich möchte gesund bleiben und uralt werden.
Das wünschen wir Ihnen, lieber Lars Lunde, alles Gute zum Geburtstag.
Herzlichen Dank.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Lugano | 18 | 6 | 31 | |
2 | FC Basel | 18 | 21 | 30 | |
3 | FC Lausanne-Sport | 18 | 9 | 30 | |
4 | FC Luzern | 18 | 3 | 29 | |
5 | Servette FC | 18 | 2 | 29 | |
6 | FC Zürich | 18 | -1 | 27 | |
7 | FC Sion | 18 | 4 | 26 | |
8 | FC St. Gallen | 18 | 6 | 25 | |
9 | BSC Young Boys | 18 | -4 | 23 | |
10 | Yverdon Sport FC | 18 | -12 | 17 | |
11 | Grasshopper Club Zürich | 18 | -10 | 15 | |
12 | FC Winterthur | 18 | -24 | 13 |