«Keine Philosophie, keine Linie!»
GC-Sportchef rechnet mit chinesischen Vorbesitzern ab

Warum GC-Sportchef Stephan Schwarz (54) in Transferfragen Geduld verlangt. Was der Ursprung allen Übels ist. Weshalb er die Chinesen kritisiert. Und warum er manchmal allen Nörglern die Meinung geigen will.
Publiziert: 10.08.2024 um 14:14 Uhr
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Aktualisiert: 10.08.2024 um 14:40 Uhr
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Ist erst seit wenigen Monaten im Amt: GC-Sportchef Stephan Schwarz.
Foto: Sven Thomann
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Stefan KreisReporter Fussball

Blick: Stephan Schwarz, was halten Sie von Wortspielen mit Ihrem Namen?
Stephan Schwarz: Darüber habe ich mir bislang noch keine Gedanken gemacht. Warum meinen Sie?

Weil viele schwarz sehen, wenns um die Zukunft der Grasshoppers geht. Können Sie das nachvollziehen?
Ja, weil ich der Sportchef bin. Und in der Öffentlichkeit. Dann sehen die Leute Schwarz (lacht).

Ernsthaft: Haben Sie die Situation unterschätzt, als Sie im Frühling bei GC angeheuert haben?
Nein, nicht wirklich. Wenn du Ende März von einem Verein angesprochen wirst, dann ist es meistens kein gutes Zeichen. Dann gehts ums Überleben. Das war bei GC der Fall.

Sie sprachen Ende Juli davon, dass der Verein professioneller aufgestellt werden muss, dass Strukturen verändert werden müssen. Können Sie das konkretisieren?
Es betrifft den ganzen Klub. Sowohl die Geschäftsstelle als auch den sportlichen Bereich. Ich war zwei, drei Tage im Amt und habe gedacht: Oh, oh, oh, da gibt es einiges zu tun. Nehmen wir den Jugendbereich. Schon in der ersten Woche hat jemand Alarm geschlagen, dass GC sein Label verliert. Dass wir dringend handeln müssen. Das hatte für uns oberste Priorität. Aus diesem Grund haben wir im Nachwuchsbereich zwei erfahrene Personen in leitenden Positionen eingestellt.

Wurde dieser Bereich von den chinesischen Vorbesitzern vernachlässigt?
Talente und Trainer standen auf verlorenem Posten. Es war keine Linie mehr drin, keine Philosophie. Das müssen wir schleunigst ändern.

Wie sieht diese Philosophie aus?
Wir wollen nach Balleroberung einen schnellen, zielstrebigen Fussball spielen. Schnell in die Box gelangen und dort eine gewisse Anzahl von Spielern haben. Das ist der grundlegende Ansatz. Wir wollen vorwärts verteidigen, Tiefe ins Spiel bringen, laufintensiven Fussball spielen. Was Atalanta Bergamo im Uefa-Cup-Final gegen Leverkusen gezeigt hat, ist State of the Art. Uns ist aber bewusst, dass es ein ständiger Prozess ist und dass das nicht von heute auf morgen klappen wird.

Mit Dion Kacuri hat GC jüngst ein vielversprechendes Talent an Basel verloren.
Das war vor meiner Zeit, das kann ich nicht beurteilen. Für uns gehts darum, dass wir unsere Talente so ausbilden, dass wir ihnen Perspektiven aufzeigen können. Dass sie irgendwann die Möglichkeit bekommen, für GC als Profi zu debütieren. Man kann nicht immer nur Spieler einkaufen.

2023 schrieb GC im Geschäftsjahr mehr als 14 Millionen Franken Verlust. Präsidentin Stacy Jones meinte im Frühling: «Geld in den Verein zu pumpen, wird das Problem nicht lösen.» Was dann?
Wir müssen mehr Einnahmen generieren, sportlich erfolgreicher sein. Langfristig gesehen ist das internationale Geschäft das Ziel. Vorerst aber müssen wir stabiler werden und realistisch bleiben.

Nach der diskussionslosen 0:3-Niederlage gegen Basel meinten Sie, dass es nicht an der Qualität der Mannschaft gelegen habe. Woran denn sonst?
An der Stabilität. In den ersten beiden Spielen gegen Lugano und Luzern haben wir eine gute erste Halbzeit gespielt, es aber nicht über die Ziellinie gebracht. Grundsätzlich aber sind wir in beiden Spielen defensiv solid gestanden. Gegen Basel sind wir nach dem ersten Tor aber zusammen gebrochen.

Neun von elf Spielern waren schon in der letzten Saison dabei, als man bis zuletzt um den Abstieg kämpfte. Geht da noch was an der Transferfront?
Da werden wir noch tätig werden. Momentan aber ist es noch zu früh. Die grossen Ligen befinden sich noch in der Sommerpause, erst jetzt nimmt der Markt langsam Fahrt auf. Wir sind eher am Ende der Nahrungskette. Darum gehts jetzt in erster Linie darum, Geduld zu bewahren. Klar ist, dass wir nicht blauäugig in die Saison reingehen werden, sondern Spiele gewinnen wollen.

Vor allem in der Offensive brauchts Verstärkung. In der letzten Saison war man hinter SLO die zweitschwächste Mannschaft der Liga.
Die Tabelle hat gezeigt, dass wir zu wenig Tore schiessen, ja. Aber es gibt mehrere Ansätze. Auch die Art, wie wir Fussball spielen wollen.

Mit Sonny Kittel ist ein offensiver Mittelfeldspieler im Gespräch.
Aktuell werde ich mich nicht zu Namen äussern, es sind viele Gespräche am Laufen.

Im Juli meinten Sie, dass nicht jeder Spieler Hurra schreie, wenn man Grasshoppers Zürich sage. Haben Sie den Klub unterverkauft?
Nein. Weil der Verein in den letzten Jahren nicht das ausgestrahlt hat, was man als Grasshopper Klub ausstrahlen müsste. Der Klub hat zwar eine grosse Vergangenheit, aber leistungsmässig war das in den letzten Jahren doch ziemlich bescheiden.

Mit Raimondo Ponte hat Sie eine GC-Legende in einer Kolumne öffentlich kritisiert. Weil Sie nach der 0:3-Niederlage gegen GC gesagt haben, dass es nicht an der Qualität der Mannschaft gelegen habe.
Das habe ich nicht mitbekommen, aber jeder hat seine Meinung.

Wie wichtig sind die ehemaligen Spieler für den Verein?
Grundsätzlich sind wir mit unseren Legenden sehr verbunden. Ich finde das wichtig. Sie sind ein Teil des Vereins, das sollte man nie vergessen. Wir arbeiten gerade an einem Programm. Unsere Legenden sind immer herzlich willkommen.

GC will nicht mehr Rekordmeister sein. Der GC-Song wurde entsorgt, auch der aufblasbare Riesenheugümper ist Geschichte. Verschwinden nun auch die beiden Sterne auf dem Logo?
Die Sterne bleiben, sie gehören zum Verein. Du sollst deine Vergangenheit nicht verleugnen. Wir sind Rekordmeister – der Klub hat 27 Meistertitel geholt, das ist Fakt. Aktuell ist GC aber nicht mehr auf diesem Niveau. Und es braucht viel, um da wieder hinzukommen.

Der Ursprung allen Übels ist der Abriss des Hardturm-Stadions. Einverstanden?
Ja, das ist auch mein Gefühl, der Verein hat seine Heimat verloren. 

Kennen Sie das alte Hardturm-Stadion?
Natürlich. Ich war früher als Scout oft dort. Und auch oft auf den Juniorenplätzen. Unter anderem habe ich Diego Benaglio nach Stuttgart geholt. Ich habe heute noch Kontakt mit ihm und er meinte jüngst, dass er ohne mich vielleicht nicht Profi geworden wäre. Damals waren die Juniorenmannschaften der Grasshoppers das Mass aller Dinge in der Schweiz. Arrogant, aber nicht überheblich.

Kann GC das wieder werden?
Es ist viel passiert in den letzten Jahren. Und es lief komplett in die falsche Richtung. Und das kann man nicht innerhalb von ein paar Wochen und Monaten korrigieren. Aber wir werden alles versuchen, damit GC wieder zur Adresse wird.

Verstehen Sie die Schwarzseher?
Manchmal möchte ich allen Bruddlern, das ist ein schwäbisches Wort für Nörgler, sagen, dass die ganze Kritik zu weit geht. Dass man akzeptieren muss, wo man aktuell steht, der Wahrheit ins Auge blickt. Und die heisst nun einmal, dass wir gerade erst die Barrage geschafft haben – und nicht in der Champions League spielen.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
FC Lugano
18
6
31
2
FC Basel
FC Basel
18
21
30
3
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
18
9
30
4
FC Luzern
FC Luzern
18
3
29
5
Servette FC
Servette FC
18
2
29
6
FC Zürich
FC Zürich
18
-1
27
7
FC Sion
FC Sion
18
4
26
8
FC St. Gallen
FC St. Gallen
18
6
25
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
18
-4
23
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
18
-12
17
11
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
18
-10
15
12
FC Winterthur
FC Winterthur
18
-24
13
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