FCB-Goalie Nikolic hat den Cup im Visier
«Marcel Koller hat einen schönen Abschied verdient!»

Nach dem Abgang von Jonas Omlin (26) ruhen die Hoffnungen der Basler auf Djordje Nikolic (23). Wie der Goalie mit Druck umgeht, was er über die Unruhen im Verein denkt. Und wie er zu seinem Spitznamen kam.
Publiziert: 23.08.2020 um 18:44 Uhr
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Djordje Nikolic (23) ist die neue Nummer 1 beim FC Basel.
Foto: keystone-sda.ch
Stefan Kreis

Djordje Nikolic, Sie werden in Basel «der Mann mit den Bratpfannen-Händen» genannt. Wie kam es dazu?
Djordje Nikolic: Georg Heitz hat diesen Spruch vor ein paar Jahren gebracht, und damals habe ich es sehr lustig gefunden. Aber mittlerweile werde ich in jedem Interview darauf angesprochen – und ehrlich gesagt ist nun langsam, aber sicher auch mal gut. Auch wenn ich, glaube ich, die grössten Goalie-Handschuhe habe, die es gibt (lacht).

Wie wichtig sind grosse Hände für einen Goalie?
Für mich ist es sicher ein Vorteil, manchmal sind Zentimeter entscheidend. Aber es gibt auch Top-Goalies, die nicht so grosse Hände haben.

Ihre Mutter war Profi-Basket­ballerin, Ihre Schwester auch. Warum fangen Sie Bälle, statt Körbe zu werfen?
Für mich war von Anfang an klar, dass ich Goalie werde. Auch wenn meine ganze Familie basketball­verrückt war.

Welchen Einfluss hat eine Mutter, die Profisportlerin ist? Wurden Sie speziell gepusht?
Von ihr habe ich sicher meine Grösse, sie misst 1,84 Meter. Aber meine Mutter hat mich nie speziell gepusht, ganz im Gegenteil. Für sie stand die Schule im Fokus – und nicht der Sport. Sie hat selbst ein Studium abgeschlossen, weil sie wusste, dass es mit Risiko verbunden ist, alles auf die Karte Sport zu setzen.

Haben Sie ebenfalls studiert?
Ja, ich habe letztes Jahr per Online-Studium meinen Bachelor in Sport-Management erfolgreich abgeschlossen.

Wie haben Sie das neben Ihrem Pensum als Fussballprofi geschafft?
Für mich wars nicht so schwierig, mich zu motivieren, weil es mich sehr interessiert hat. Und ich hatte das Glück, dass sie in Serbien Verständnis für meine Situation hatten. Wann immer ich mit der Nationalmannschaft unterwegs war, ging ich zu den Prüfungen.

Wollen Sie irgendwann mal Sportchef eines Klubs werden?
Damit habe ich mich nicht beschäftigt, das ist weit weg. Ich hoffe schon, dass ich noch 15 Jahre spiele.

Dann wären Sie 38. Warum spielen Goalies länger als Feldspieler?
Mit 38 bist du körperlich zwar nicht mehr auf dem Höhepunkt, dafür hast du viel Erfahrung gesammelt und bist im Kopf weiter. Hinzu kommt, dass du weniger in die Zweikämpfe musst und weniger Verletzungen hast.

Sie wechselten als Kind von Roter Stern Belgrad zu Partizan. In Fussball-Serbien ist das eine Todsünde …
Zur selben Zeit wechselte mit Stojkovic der beste Goalie Serbiens zu Partizan, obwohl er in seiner Jugend bei Roter Stern war. Die ganze Nation war in Aufruhr. Aber ich persönlich habe nie etwas Negatives gehört. Auch nicht von meiner Familie, obwohl mein Vater Fan von Roter Stern war. Mein Grossvater aber Partizan unterstützte.

Mit 17 debütierten Sie bei Jagodina in der ersten serbischen Liga. Für gewöhnlich kommen Goalies später zu ihrem ersten Pflichtspiel.
Ich war damals der jüngste, ja. Aber Yann Sommer beispielsweise war bei seinem Debüt nicht viel älter.

Sie kamen nach Basel, als Sommer den FCB Richtung Gladbach verliess, waren im ersten Jahr aber nicht spielberechtigt.
Ja, ich durfte damals leider nur trainieren, weil Serbien nicht zur EU gehört. Ich weiss auch nicht mehr genau, was damals passiert ist.

Dann wurden Sie ausgeliehen, spielten für Schaffhausen, Thun und Aarau. Wie sehen Sie diese Zeit?
Für einen Goalie ist es ein Vertrauensbeweis des Klubs, wenn man ausgeliehen wird. Auch Yann Sommer spielte erst bei Vaduz und GC, ehe er die Nummer 1 beim FCB wurde. Wichtig ist die Spielpraxis und das Vertrauen des Stammklubs.

Bei Thun konnten Sie sich aber nicht durchsetzen, verloren Ihren Platz an Guillaume Faivre.
Ich habe nicht immer gespielt, aber es war eine wichtige Zeit für meine Entwicklung. Weil ich nun weiss, dass es nicht immer so kommt, wie ich es mir vorstelle. Das war eine gute Schule. Zu akzeptieren, dass ich zwar mein Maximum gegeben habe, die Resultate aber nicht gestimmt haben. Fussball ist manchmal eine Achterbahnfahrt.

Apropos Achterbahn: Mit Aarau führten Sie in der Barrage gegen Xamax nach dem Hinspiel mit 4:0, stiegen aber trotzdem nicht auf.
Das war unglaublich. Weil niemand erwartet hat, dass wir auswärts vier Tore erzielen können. Und dann kommt dieses zweite Spiel, und was soll ich sagen? Das ist Fussball. Wir kriegen früh zwei Gegentore und machen unsere Chancen nicht. Dann ists gelaufen.

Ganz Aarau war vor dem Rückspiel in Feierlaune. Hat man die Situation unterschätzt?
Nein, wir haben nach dem Hinspiel jedenfalls nicht gross gefeiert. Aber nach dem Rückspiel war die Stimmung in der Stadt speziell. Ich wollte irgendwo noch etwas essen gehen, aber alles war zu. Sogar der Tankstellenshop.

Gabs Sprüche von Kemal Ademi und Amifico Pululu, die damals bei Xamax waren?
Ein bisschen. Und es ist ja auch normal und verständlich.

Seit dem Abgang von Jonas Omlin sind Sie die Nummer 1. Spüren Sie den Druck?
Ruedi Zbinden sagte mir, dass es für ihn keine Nummer 1 und keine Nummer 2 gibt. Es gibt nur einen, der spielt, und einen, der nicht spielt. Ich bin froh, dass ich derzeit spiele, aber ich muss meine Leistung bringen und die Bälle halten. Ich habe mehr als vier Jahre auf dieses Ziel hingearbeitet.

Im Europa-League-Viertelfinal gegen Schachtar sind Sie nach zwei Minuten ins Leere gesegelt. Wären Sie im Nachhinein nicht lieber auf der Linie geblieben?
Natürlich war es im Nachhinein die falsche Entscheidung. Aber als Goalie musst du innert Sekunden Entscheidungen treffen. Ich bin ein Goalie, der oft auf Flanken geht. Klar ist es schade, dass wir in Rückstand geraten sind, aber Donezk war ein sehr starker Gegner.

Kurz darauf haben Sie eine gute Parade gezeigt. Wie wichtig wars, gleich wieder im Spiel zu sein?
Das war sehr wichtig, speziell nach dem Fehler. Jede Parade ist wichtig.

Wie verarbeiten Sie ein solches Spiel?
Ich habe mir das Spiel zusammen mit Goalie-Trainer Massimo Colomba noch einmal angeschaut. Und ich habe einen Mentaltrainer, der mich unterstützt. Auch auf meine Teamkollegen konnte ich mich verlassen, niemand hat mir einen Vorwurf gemacht.

Sie sind im Team sehr beliebt, werden für Ihre Sozialkompetenz gelobt.
Wir sitzen alle im selben Boot und müssen uns gegenseitig unterstützen. Das macht den Fussball aus, der Teamgeist. Wir sind nicht nur elf Spieler auf dem Platz, sondern ein Verein. Ich identifiziere mich sehr stark mit dem FCB.

In der Führungsetage scheinen aber nicht alle im selben Boot zu sitzen. Wie nehmen Sie die Unruhen rund um den Verein wahr?
Wir Spieler bekommen das natürlich mit. Aber ich finde, wir gehen ganz gut damit um: Die Mannschaft ist fokussiert auf dem Platz und weiss, was unsere Aufgabe ist. Wir spielen am Dienstag gegen Winterthur den Cup-Halbfinal und wollen in den Final.

Marcel Koller wird nach der Saison nicht mehr Trainer sein. Wie haben Sie ihn am Tag nach der Entscheidung im Training erlebt?
So wie immer. Er ist schon so lange dabei, seit über 40 Jahren im Fussballgeschäft. Er ist ein Profi und verfügt über einen enormen Erfahrungsschatz. Wir wollen ihm einen schönen Abschied bereiten, er hat das verdient.

Was würde Ihnen der Cupsieg bedeuten?
Viel. Weil es mein erster richtiger Titel wäre. In meinem ersten Jahr unter Urs Fischer haben wir zwar das Double gewonnen, aber das sehe ich nicht wirklich als meine Titel, weil ich kaum gespielt habe.

Cabral, Cömert, Campo und Ramires werden dem FCB im Halbfinal wegen Corona fehlen.
Ein herber Verlust. Campo und Cabral spielen überragend, Eray ist der Abwehrchef. Aber ihre Ausfälle sind auch eine Chance für die anderen Spieler.

Haben Sie mitbekommen, dass der FCB mit Ex-GC-Goalie Heinz Lindner verhandelt?
Ja, klar habe ich das mitbekommen, aber da wissen Sie wahrscheinlich mehr als ich. Ich fokussiere mich auf meine eigene Leistung.

Bislang trugen Sie bei all Ihren Stationen nie die Nummer 1. Soll sich das nächste Saison ändern?
Die Nummer 1 ist ein Traum. Zubi hat sie in Basel getragen, Costanzo, Sommer, Vaclik, Omlin. Das bedeutet etwas.

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