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Ex-FCB- und -YB-Spieler Siegenthaler blickt zurück
Nach dem Cupfinal fuhr ihn die Polizei nach Hause!

55 Jahre hat Urs Siegenthaler für den Fussball gelebt. Als Spieler, als Trainer, als Chefscout beim DFB. Vor dem Duell seiner Ex-Vereine blickt der 74-Jährige zurück und erzählt seine besten Anekdoten.
Publiziert: 29.08.2021 um 12:40 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2021 um 15:44 Uhr
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17 Jahre lang ist Urs Siegenthaler Chefscout beim DFB. An der Seite von Jogi Löw.
Foto: imago/Jan Huebner
Stefan Kreis

Es gibt Fussballer, die drucken Visitenkarten mit ihren früheren Erfolgen. Und dann gibts Typen wie Urs Siegenthaler. Die wissen nicht, wie viele Titel sie mit Basel und YB gewonnen haben. Und wollen das auch nicht wissen. «Die Vergangenheit ist Angeberei, die Zukunft eine Herausforderung», sagt der 74-Jährige. Siegenthaler sitzt in einem Basler Café am Rhein und sieht um Jahre jünger aus, als er ist. Über 55 Jahre im Fussballgeschäft scheinen spurlos an ihm vorbeigegangen zu sein.

Vor dem Duell seiner beiden Ex-Vereine blickt Siegenthaler zurück. Auf ein Leben für und mit dem Fussball.

Profi beim FCB

300 Franken bekommt der Jung-Profi, als er 1967 für die erste Mannschaft des FCB debütiert, nebenbei besucht der angehende Architekt die Akademie der bildenden Künste in Wien. «Der damalige Trainer Helmut Benthaus meinte aber, ich müsse mich entscheiden, ob ich für den FCB spielen oder studieren wolle», sagt Siegenthaler. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Kleinbasler entscheidet sich für Ersteres, macht sich nebenbei aber selbständig, gründet drei Jahre nach dem Profi-Debüt eine AG, die auch 50 Jahre später noch erfolgreich wirtschaftet. Als Spieler macht er sich als Defensivspezialist einen Namen, der prägnante Schnauzer wird auf dem Feld zum Markenzeichen. Darüber sprechen möchte er nicht gross: «Ich habe meiner Tochter und meinem Sohn immer gesagt, dass es unwichtig sei, was ich in der Vergangenheit geleistet habe. Wichtig ist das Hier und Jetzt.»

Profi bei YB

Mitte der 70er Jahre wechselt Siegenthaler zu den Young Boys, holt mit den Bernern den Cupsieg gegen St. Gallen, fährt nach der Feier im eigenen Auto nach Basel und gerät kurz nach Burgdorf in eine Polizeikontrolle. Als der Polizist fragt, ob er «der YB-Sigu» sei, nickt der von der Party Gezeichnete und glaubt, dass er nun mit ernsthaften Konsequenzen rechnen müsse. Der Beamte aber schickt Siegenthaler auf den Beifahrersitz und fährt den völlig verdutzten Fussballprofi zurück ins Baselbiet. «Zum Dank erhielt er ein Billett für einen YB-Match.» Neben dem FCB und YB spielt Siegenthalter noch für Xamax, Winterthur und Schaffhausen.

Trainer-Karriere

Anfang der 80er Jahre steigt Siegenthaler beim FC Laufen als Trainer ein, führt den Klub von der 1. Liga in die NLB, arbeitet danach als Assistent von Daniel Jeandupeux in Toulouse. Dann übernimmt er den FCB und rettet den Klub nach eigener Aussage vor dem drohenden Konkurs. «Wir mussten im Winter Tannenbäume verkaufen, um Geld reinzuholen», sagt Siegenthaler. «Zeitweise haben etliche bei mir geschlafen, weil sie die Miete für ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen konnten.» Einmal blieb der Teambus auf der Rheinbrücke stehen, weil kein Benzingeld vorhanden war. Gar auf Warmwasserduschen mussten die Basler phasenweise verzichten. Dass der sportliche Erfolg aufgrund der prekären Verhältnisse ausbleibt, ist nicht überraschend. Ende der 80er Jahre steigt der FCB in die NLB ab.

Chefscout beim DFB

Vor ein paar Wochen geht Siegenthalers Engagement beim deutschen Fussballbund (DFB) zu Ende. Nach 17 Jahren. Weil sein Freund und langjähriger Weggefährte Jogi Löw den Sessel räumt, ist auch für Siegenthaler Schluss. Es ist das Ende einer Ära, die 2004 mit einem Kafi im Restaurant «goldener Stern» in Basel beginnt und im Weltmeistertitel 2014 seinen Höhepunkt findet. Ein Jahr zuvor verliert Siegenthaler seinen Kumpel im brasilianischen Stau, nur eine von unzähligen amüsanten Anekdoten. «Ich war am Confederations-Cup und hatte von Jogi den Auftrag, die Partie zwischen Nigeria und Uruguay zu schauen, als er plötzlich anruft und sagt, dass er auch nach Brasilien fliegen werde.» Siegenthaler warnte seinen Kumpel noch, dass er frühzeitig anreisen solle, weil das Verkehrschaos unglaublich sei. Prompt bleibt Löw stundenlang im Stau stecken und fliegt – dermassen entnervt – gleich wieder zurück nach Deutschland.

Berater bei YB

Es ist ein legendäres Interview, das Urs Siegenthaler im Herbst 2016 gibt. In der FCB-Loge sitzend, hinter ihm die Basler Muttenzerkurve, sagt der damalige YB-Berater, dass es «völlig unrealistisch» sei, den damals noch übermächtigen FC Basel anzugreifen. Eine Aussage, die bei den YB-Bossen nicht auf uneingeschränkte Begeisterung stösst. Nur: Zu jenem Zeitpunkt wartet Gelb-Schwarz seit 30 Jahren auf einen Meistertitel, der FCB hingegen ist das Mass aller Dinge, schwimmt im Geld und reiht Rekord an Rekord. «Ich bereue meine Aussage von damals nicht», sagt Siegenthaler. Es sei nun mal so gewesen. Zudem habe er bei den Bernern keine offizielle Funktion gehabt. «Ich war weder bestimmt noch gewählt», so der 74-Jährige. «Und dies war die Bedingung meinerseits, weil ich zu jenem Zeitpunkt noch beim DFB angestellt war.»

Jenes Engagement endet vor ein paar Wochen nach 17 Jahren. Für Siegenthaler geht das vorläufig letzte Kapitel eines bewegten Fussballerlebens zu Ende. Am Sonntag wird er wieder einmal im Joggeli sitzen, wenn die Basler YB mal wieder auf Augenhöhe begegnen.

Wem Siegenthaler die Daumen drückt, möchte er nicht verraten. FCB-Trainer Patrick Rahmen sei aber ein langjähriger Freund. «Ihm wünsche ich alles Gute und viel Erfolg.»

Ob auch in diesem Spiel etwas Unerwartetes geschehen wird? Siegenthaler jedenfalls wird sich nach 55 Jahren im Fussballgeschäft nicht mehr überraschen lassen.

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