«Er wurde von seinen Trainern schikaniert und malträtiert»
Lausanne-Sportchef rettete Mbappés Karriere

Lausannes Sportchef Souleymane Cissé (44) spricht über die Ziele der Waadtländer, die aktuelle Durststrecke und seinen Kontakt zu PSG-Superstar Kylian Mbappé (22).
Publiziert: 25.08.2021 um 00:39 Uhr
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Souleymane Cissé ist seit einem Jahr Sportchef bei Lausanne-Sport.
Foto: Getty Images
Alain Kunz

Blick: Souleymane Cissé, der Lausanne-Fehlstart ist total! Drei Spiele, null Punkte. Was läuft schief?
Souleymane Cissé:
Beobachter ziehen nun vorschnell Schlüsse. Diese Mannschaft ist erst im Entstehen begriffen. Sie ist die jüngste der Liga, viele Spieler kamen frisch aus dem Ausland. Der Trainer ist auch neu. Da reichen ein paar Wochen Vorbereitung nicht. Nein, das bedeutet nichts für die Fortsetzung.

Was ist das offizielle Ziel von Lausanne-Sport?
Keine Punktezahl! Und wir haben nie gesagt, wir wollten Meister werden. Sondern bloss die Liga halten und unser Projekt entwickeln. Es gibt keinerlei Druck. Weder auf den Trainer noch die Spieler. Der einzige Druck, den wir haben, ist, Spiel für Spiel besser zu werden.

Im Herzen der Waadtländer ist diese Mannschaft noch
nicht verankert.
Wir wollen das unbedingt ändern. Alles andere würde keinen Sinn machen. Der Klub gehört den Waadtländern. Deren Herz steht doch still, wenn Lausanne spielt.

Amdouni, Coyle, Brown, Kapo, Koyalipou, N'guessan – alles Namen, die kein Mensch kennt. Wie soll da eine Identität zwischen Fans und Team möglich sein?
Ich verstehe die Frage. Als wir die Equipe aufbauten, haben wir viele junge Ausländer geholt, das stimmt. Aber wir haben letzte Saison auch acht Talente aus dem Team Vaud in die erste Mannschaft integriert. Doch nur ganz wenige haben bewiesen, dass sie Super-League-tauglich sind. Eigentlich nur Puertas und Barès. Das ist die Realität. Es reicht nicht, Waadtländer zu sein. Das ist in keiner Mannschaft der Welt so. Solange die eigenen Talente noch nicht so weit sind, müssen wir Spieler von auswärts holen, um das Schiff über Wasser zu halten. Wir wissen aber auch, dass einige Talente des Teams Waadt das Potenzial für die Superleague haben. Wir haben einige von ihnen an die Challenge League ausgeliehen, um sie besser vorzubereiten. Die Identität eines Vereins oder einer Mannschaft entsteht nicht durch seine Herkunft, sondern durch seine Performance.

Aber so bleibt Lausanne ein anonymes Team.
Im Moment. Als ich kam, habe ich das Kader zu achtzig Prozent gewechselt. Obwohl wir gerade aufgestiegen waren. Und ich bin das Risiko eingegangen, nur junge Spieler zu holen. Wir haben nur gerade Kukuruzovic als wirklich erfahrenen Spieler im Team. Aber ich habe genau gewusst, was ich tue. Nun haben wir eine Basis.

Bereuen Sie den Trainerwechsel nach dem Fehlstart?
Viele Journalisten wollten vor einem, anderthalb Jahren das Fell von Giorgio Contini, weil sie nicht zufrieden waren mit ihm. Letzte Saison war es gar keine Amour fou mehr. Giorgio hat seinen Zyklus gemacht hier. Drei Jahre. Was viel ist. Dazu kommen gewisse Dinge, die wir nicht enthüllen können. Es brauchte frisches Blut, und so haben wir uns entschieden. Wir haben eine gute Wahl getroffen. Die mindestens so gut ist, wie wenn wir mit Giorgio weitergemacht hätten.

Danach dachten alle: Jetzt kommt ein grosser Name. Und Sie machen U21-Trainer Ilija Borenovic zum Chef ...
Heute lassen sich alle im Fussball verrückt machen. Man will grosse Namen. Aber Fussball tickt anders. Die Philosophie von Ineos, die ich voll teile, ist es, junge Spieler in die Super League zu bringen, die in zwei Jahren so weit sind, dass wir mit den Grossen
mithalten können. So weit sind wir noch nicht. Für diese Philosophie brauchten wir einen
Ausbildungstrainer, einen Talententwickler.

Was will Ineos genau mit Lausanne?
Wo Lausanne heute steht, hat es einzig Ineos zu verdanken. Die haben viel Geduld und Geld hineingesteckt, um Lausanne in die Super League zu bringen. Vieles, was über Ineos gesagt wird, ist unrichtig. Lausanne vegetierte doch dahin. Jetzt haben wir ein neues Stadion. Eine neue Philosophie. Einen neuen Fussball. Lausanne-Sport muss Ineos einfach Danke sagen.

Aber noch mal: Was ist das finale Ziel? YB oder Basel den Titel streitig zu machen? Die Champions League?
Alle Mannschaften wollen doch eines Tages Meister sein. Aber zuerst muss man den Klub strukturieren und sich etablieren, bevor man gefrässig werden kann. Es braucht den Nachwuchs. Es muss alles seriös aufgebaut werden. Ich bin ein Baumeister. Man kann sich nicht zurücklehnen nach dem ersten Stein, den man gelegt hat.

Und doch denken die Leute, weil es im Ausland viele Modelle gibt: Ineos kommt, klotzt – und will sofort Meister werden.
Damit müssen sie aufhören. Ineos kommt nicht mit Milliarden und grossen Namen. Man kann vielleicht mal einen Titel erkaufen. Ein Jahr später ist man dann unter Umständen bloss noch Mittelmass und ein weiteres Jahr später unten.

Klar. Aber die meisten Teams haben keine derart potenten Geldgeber dahinter.
Auch in Nizza kaufen wir keine grossen Stars ein. Auch da wollen wir aufbauen und ausbilden. Und Talente entwickeln.

Eines schönen Tages will doch Nizza auch dort sein, wo Lille letzte Saison war.
Klar. Bitte verwechseln Sie nicht den seriösen Aufbau mit Kampfgeist. Wir haben Ambitionen, das ist doch klar.

Haben Sie sich an Red Bull mit Leipzig und Salzburg orientiert bei Ihrem Modell mit Nizza und Lausanne?
Nein. Wir sind Ineos Football. Wir wollen niemanden kopieren. Auch wenn ich phänomenal finde, was Red Bull im Fussball macht.

Kann Ineos garantieren, dass das Projekt Lausanne nachhaltig ist?
Unbedingt. Ineos investiert nur intelligent. Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Wie gehts diese Saison weiter?
Gut! Ich habe gesagt, wir würden mal in ein Loch fallen. Darin sind wir nun. Aber das ist ein Teil der Ausbildung.

Reden wir zum Schluss über etwas ganz anderes: Sie gelten als Entdecker von Kylian Mbappé. Wie war das genau mit Ihnen und ihm bei Monaco?
Das lief so: Kylian war 14, als ich nach Monaco kam. Ich merkte bald, dass er von seinen Trainern nicht verstanden, schikaniert und malträtiert wurde. Ich nahm ihn unter meine Fittiche. Ich sorgte dafür, dass er zuerst in der U17 spielte, dann ein Jahr in der U19. Mit 15 machte er sein erstes Spiel bei mir, in den Reserven. Dann sorgte ich dafür, dass er mit 16 in die erste Mannschaft kam. Ich denke, ohne mich hätte er damals mit Fussball aufgehört. Ich habe zwei eigene Söhne. Aber Kylian ist auch so etwas wie ein Sohn.

Haben Sie noch regelmässig Kontakt mit ihm?
Ich habe gerade am Mittwoch mit ihm telefoniert. Wir tauschen uns regelmässig aus. Ich nahm ihn damals, als er ein Kind war, mit in die Ferien. Er war bei mir in Bordeaux, in Nizza, und eines Tages zeige ich ihm auch Lausanne. Ganz diskret.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Zürich
FC Zürich
14
7
26
2
FC Basel
FC Basel
14
20
25
3
FC Lugano
FC Lugano
14
6
25
4
Servette FC
Servette FC
14
2
25
5
FC Luzern
FC Luzern
14
4
22
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
14
6
20
7
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
14
2
20
8
FC Sion
FC Sion
14
0
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
14
-5
16
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
14
-10
15
11
FC Winterthur
FC Winterthur
14
-21
11
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
14
-11
9
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