André Sitek war mal der König von Basel
«Mein Herz blutet gleich doppelt»

Als der FCB in den Neunzigern wiedererwachte, schoss der Holländer André Sitek Tor um Tor für Rotblau. Jetzt spricht er über die Krisen seiner Herzklubs und seinen eigenen tiefen Fall.
Publiziert: 02.11.2023 um 16:24 Uhr
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Aktualisiert: 03.11.2023 um 07:56 Uhr
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Der Holländer André Sitek stürmte in den frühen Neunzigern für den FC Basel und wurde zum Liebling der Fans.
Foto: FCB Archiv
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Patrick MäderAutor Blick Sport

Zwei Saisons lang war André Sitek der König von Basel – als Stürmer im Joggeli und als Entertainer in den Bars der Altstadt. Ein lustiger Schlaks, der so viel Talent besass, dass er auch ohne professionelle Einstellung ein guter Stürmer wurde. 

Es waren düstere FCB-Zeiten in der Zweitklassigkeit. Doch im alten Joggeli bewegte sich etwas. Sitek (60) erinnert sich: «Plötzlich kamen immer mehr Fans, zuerst 5000, dann 10'000, dann 30'000 und mehr. Es war geil, Teil dieses Aufschwungs zu sein.»

Doch Sitek, der auch ein guter Sänger hätte werden können, stolperte am Ende seiner Basler Zeit über seinen Lebenswandel. Als der FCB nach sieben Jahren in der Versenkung wieder ins Oberhaus aufstieg, war er selber bereits im tiefen Fall.

Konkurs und Obdachlosigkeit

Locarno war seine letzte Station in der Schweiz, dann folgte der persönliche Konkurs, die Obdachlosigkeit, das schwarze Loch. «Acht Monate lang lebte ich zusammen mit meiner damaligen Frau und den beiden Kindern in einem Haus für Obdachlose. Es stand mitten im Rotlichtquartier von Amsterdam. Ich musste mich neu erfinden.»

Inzwischen hat sich Sitek gefangen. Er arbeitet als Fussball-Journalist bei der holländischen Zeitung «De Telegraaf». Ein Traumjob, wie er selber sagt. «Ich kann meine Kinder ernähren, meiner Familie etwas bieten. Das ist schon sehr viel wert.»

Sitek ist im April sechzig geworden. Noch nie hat er das neue Joggeli von innen gesehen, Kontakte nach Basel gibt es nicht mehr. Doch sein Herz schlägt immer noch für den FCB. «Am Sonntag habe ich die Tabelle angesehen. Es hat wehgetan, Basel da auf dem letzten Platz zu sehen. Mein Herz hat gleich doppelt geblutet, weil zeitgleich auch Ajax Amsterdam am Ende der Tabelle stand – erstmals seit ich denken kann.»

Gründe für die Ajax-Krise

Ajax, der 36-fache holländische Meister, der Klub von früheren Fussballgrössen wie Johan Cruyff, Marco van Basten oder Dennis Bergkamp, der noch vor vier Jahren Europa mit tollem Fussball und einer Garde von Hochtalentierten begeisterte und in der Champions League im Halbfinal stand, ist der andere Herzensklub von Sitek, dessen Farben er schon als Knirps hochgehalten hat.

Das ist André Sitek

Der am 17. April 1963 in Amsterdam geborene André Sitek wechselte 1988 vom HFC Haarlem zum FC Chur in die NLB. Er spielte danach zwei Jahre beim FC Baden, bevor er zwischen 1991und 1993 in 61 Spielen 44 Tore für den FC Basel schoss und dort zum Publikumsliebling wurde. Locarno war danach seine letzte Station als Spieler. Aktuell ist er Sportjournalist beim «De Telegraaf» in Holland. Mit seiner Ex-Frau hat er zwei Kinder. Heute lebt er mit seiner Freundin und den gemeinsamen Zwillingen in Amsterdam.

André Sitek (60) stürmte in den frühen Neunzigern für den FC Basel und ist heute Sportjournalist in Holland.
ZVG

Der am 17. April 1963 in Amsterdam geborene André Sitek wechselte 1988 vom HFC Haarlem zum FC Chur in die NLB. Er spielte danach zwei Jahre beim FC Baden, bevor er zwischen 1991und 1993 in 61 Spielen 44 Tore für den FC Basel schoss und dort zum Publikumsliebling wurde. Locarno war danach seine letzte Station als Spieler. Aktuell ist er Sportjournalist beim «De Telegraaf» in Holland. Mit seiner Ex-Frau hat er zwei Kinder. Heute lebt er mit seiner Freundin und den gemeinsamen Zwillingen in Amsterdam.

«Seit 2019 geht es bergab. Spieler wie De Ligt und De Jong wurden verkauft. Trainer ten Haag ging bald darauf zu Manchester United. Aber Fehler wurden schon vorher gemacht. Denn heute sieht man, dass auch der Nachwuchs im Keller ist. Früher gewannen die jungen Ajax-Hoffnungen ihre Spiele zweistellig, heute verlieren sie zweistellig. Der Weg zurück wird nicht einfach.»

Als Türöffner zum freien Fall sieht Sitek den Abgang des langjährigen Sportdirekors Marc Overmars. «Er hat lange tolle Arbeit geleistet und dann diesen dummen Fehler gemacht.» Overmars trat im Februar 2022 zurück, nachdem bekannt wurde, dass er unangemessenen Nachrichten an Geschäfts-Kolleginnen verschickt habe. «Er hat es verstanden, gute Spieler zu kaufen und zu fördern und sie dann mit Gewinn zu verkaufen.»

Buhmann Sven Mislintat

Als Verantwortlicher für die Kaderplanung für die aktuelle Saison wurde der Deutsche Sven Mislintat geholt, der zuvor beim VfB Stuttgart Sportchef war. Sitek lässt an Mislintat kein gutes Haar. Der Deutsche wurde denn auch nach nur vier Monaten im Amt freigestellt, Trainer Maurice Steijn ist seit ein paar Tagen auch weg. Und nun kommen die Parallelen zum FC Basel.

Beide Klubs haben sich auf dem Trainerposten gerade neu aufgestellt. Basel mit Fabio Celestini, Ajax mit John van ’t Schip, dem ehemaligen Spieler, der 273 Mal für die Amsterdamer die Schuhe gebunden hat. Dazu hat Ajax Hollands Trainer-Legende Louis van Gaal als Berater engagiert. «Mit Van Gaal gibt es keinen Besseren, der den Klub aus dieser Krise retten könnte», glaubt Sitek. «Ich bin sicher, dass Ajax diese verflixte Saison noch auf einem europäischen Platz beenden wird, und hoffe von ganzem Herzen, dass auch Basel die Wende zum Guten schaffen wird.»

Siteks Basel-Traum

Einen Wunsch hat er noch und der lässt ihn nicht los. «Ich möchte mich irgendwann mal noch vor Ort von den tollen Basler Fans verabschieden. Das blieb mir damals nach meinem abrupten Abgang vorenthalten. Das wäre mein grösster Traum. Denn die Zeit in Basel, die wird mir auf immer und ewig in guter Erinnerung bleiben. Diese tolle Stadt ohne Spitzenfussball? Kann und will ich mir einfach nicht vorstellen.»

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