«Natürlich bekommt man das mit»
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Vargas über FCL-Turbulenzen:«Natürlich bekommt man das mit»

Ruben Vargas – vom Maler zum Nati-Star
«Früher habe ich mich in den Schlaf geweint»

«Es hilft mir, bodenständig zu bleiben.» Nati-Star Ruben Vargas erzählt bei einem Besuch in der Augsburger Puppenkiste, wie ihn seine Zeit als Maler auf dem Bau prägte. Wie er sich die Bundesliga-Karriere erkämpfte. Und wie er über seine Tränen von der EM 2021 denkt.
Publiziert: 21.03.2023 um 15:37 Uhr
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Aktualisiert: 21.03.2023 um 15:50 Uhr
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Mit Ruben Vargas in der Augsburger Puppenkiste.
Foto: TOTO MARTI

Da sind sie, Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer. Ruben Vargas (24), der Nati-Star, sitzt in der Augsburger Puppenkiste zwischen einigen der 5000 Figuren, die im geschichtsträchtigen Museum ausgestellt sind. Vom Kasperl über Urmel aus dem Eis bis zu Politikern wie Angela Merkel – alle möglichen Figuren sind als Puppen oder Marionetten zu sehen.

Ruben Vargas ist das erste Mal hier, obwohl er mittlerweile seit dreieinhalb Jahren in Augsburg spielt – und beim FCA ist die Puppenkiste allgegenwärtig: Trifft sein Klub, wird als Tor-Musik «Eine Insel mit zwei Bergen» in Anlehnung an Jim Knopf gespielt. Kasperl gibt vor dem Spiel seinen Resultat-Tipp ab, selten gegen Augsburg.

Es sind die zwei Marken der Stadt, die in der Nähe von München liegt. Vargas fühlt sich wohl, auch die Nähe zur Schweiz gefällt ihm. Er nimmt oft die drei Stunden Fahrt in sein Heimatdorf Adligenswil bei Luzern in Angriff. «Im Prinzip immer, wenn ich zwei Nächte bei Mama schlafen kann», sagt er. Vergangenes Wochenende war er zu Hause – und sah seinen Bruder Manuel (21) für Kickers Luzern in der 2. Liga interregional stürmen. «Gegen Sursee – übrigens mit dem Bruder von Haris Seferovic …», sagt Vargas schmunzelnd.

Während Seferovic nicht für die Nati-Spiele gegen Belarus und Israel aufgeboten ist, gilt Vargas inzwischen als unumstrittener Stammspieler.

Hier spricht er über seinen Weg vom Maler zum Nati-Star.

Ruben, wir sind hier in der Augsburger Puppenkiste. Was bedeuten für Sie Märchen?
Ruben Vargas: Ich kenne natürlich Jim Knopf, die bekannteste Figur. Wir geben dem Gegner vor dem Spiel jeweils eine Marionette von ihm statt eines Wimpels. Und wenn ich all die Marionetten sehe, kommt mir Pinocchio noch in den Sinn. Von ihm habe ich als Kind viele DVDs geschaut.

Wie sind Sie aufgewachsen?
Ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Ich war viel draussen und spielte alles Mögliche.

Immer Fussball?
Nein, gar nicht. Mein Vater kommt aus der Dominikanischen Republik, er spielte Baseball und arbeitete als Golflehrer. Diese beiden Sportarten übte ich früh aus. In der Schule kam in den Pausen dann der Fussball dazu. Ich musste mich irgendwann zwischen Baseball und Fussball entscheiden – und hatte ein wenig Bammel, meinem Vater zu sagen, dass ich mich für Fussball entschieden hatte … Aber dann nahm er's ganz locker.

Wie viel Mentalität der Dominikanischen Republik steckt in Ihnen?
Die Lebensfreude, die Positivität, der Siegeswille, das Temperament – das bekam ich vererbt. Meine Grosseltern, Onkel und Tanten sowie einige Cousins leben dort, wir besuchen sie manchmal. Mir wird immer wieder bewusst, wie gut es uns Schweizern geht. Als Kind fragte ich mich immer, warum es in den Strassen so viele Löcher hat. Warum der Weg zu einem Supermarkt 20 Minuten über diese Schotterstrassen dauert. Warum man nicht wie bei uns in zwei Minuten am Supermarkt ist. Es ist ein Privileg, wie wir leben, dass wir nicht wie sie in Armut leben.

Unterstützen Sie Ihre Familie finanziell?
Natürlich, das gehört dazu.

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Ihre Mama war EM-Teilnehmerin im Trampolinspringen, sie ist aus Italien und der Schweiz. Was bekamen Sie von ihr mit?
Das Ruhige. Gelassen zu sein.

Erlebten Sie die Trennung Ihrer Eltern bewusst mit?
Ich war noch sehr klein und es wurde dann normal. Es hat mich nie gestört. Meine Mutter fand einen neuen Mann, der mein Stiefvater wurde und sehr gut für meinen Bruder und mich schaute. Und alle zusammen haben es gut. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: An der WM 2022 in Katar waren alle zusammen vor Ort. Mein Vater, meine Mutter, mein Stiefvater mit seiner Tochter und seinem Sohn aus erster Ehe, mein Bruder. Das ist wunderschön, dass das geht.

Reden wir über Ihre Kindheit. Ihre Mama sagte auf die Frage, ob Sie gut in der Schule waren: «Er ging hin ...
»Das hat sie echt gesagt? (Lacht.) Na ja, sie hat ja recht. Die Schule war nicht ganz so einfach für mich. Ich war froh, wenn Pause war. Oder wenn wir Turnen hatten, da war ich gut. Aber ich habe mein Bestes gegeben, auch wenn es mir schwerfiel, ruhig zu sitzen. Und zum Beispiel Mathe mochte ich gar nicht, es lag mir nicht. Später war darum schnell klar, dass neun Jahre Schule für mich genug waren – ich wollte eine Lehre machen.

Sie entschieden sich für eine Lehre auf dem Bau.
Erst mal war es gar nicht so einfach, einen Lehrbetrieb zu finden, der mich unterstützt, weil ich ja beim FC Luzern dann im Nachwuchs viel Zeit für den Fussball brauchte. Mein Stiefvater – er ist Schreiner – kannte einen Chef auf dem Bau. Ich machte eine Maler-Lehre und schloss sie nach drei Jahren ab.

Was brachte es Ihnen, auf der Baustelle zu arbeiten?
Ich lernte Disziplin. Morgen früh aufzustehen, sich etwas zu erarbeiten. Es machte mir einfach Spass, zum Beispiel im Sommer an der Fassade zu stehen und zu arbeiten – das ist ein tolles Gefühl, etwas zu schaffen. Und ich hatte gute Leute um mich herum, einen tollen Chef. Ich habe mit einigen von ihnen bis heute Kontakt, sie schreiben mir vor Spielen. All das hilft mir, die Bodenhaftung nie zu verlieren. Und wir sind in der Nati nun zwei Maler, Renato Steffen arbeitete ja auch auf dem Beruf.

Wie kamen Sie als angehender Profi um die vielen Biere auf der Baustelle herum?
Am Anfang haben mich die Kollegen noch gefragt. Irgendwann nicht mehr, zum Glück … Ich habe nie ein Feierabend-Bier getrunken, es passte nicht zu mir als Fussballer.

Würden Sie Ihre Wohnung noch selber renovieren?
Das könnte ich sicher noch. Wenn es etwas auszubessern gibt, dann mache ich das.

Sie sind nun der zweite Fussball-Star aus Adligenswil.
Stephan Lichtsteiner war schon ein Star, als ich ein kleines Kind war. Als ich 14 oder 15 war, kam er zu uns nach Adligenswil. Wir durften Autogramme holen und ich stellte mich für ein Selfie neben ihn. Als er nach Augsburg kam, zeigte ich ihm das Bild und fragte ihn, ob er mich noch kennt (lacht).

Beim FC Luzern hatten Sie ein paar Probleme als Junior. Sie sagten einst, Sie hätten in jener Phase auch viel geweint. Warum?
Ich hatte Defizite. Ich war viel kleiner und viel schwächer als andere und war dann vor allem zwischen der U13 und der U15 oft nicht im Kader. Einmal wurde ich nicht für ein Turnier aufgeboten, das ich mir sehr gewünscht hatte. Ich erinnere mich, wie ich mich in den Schlaf geweint habe. Und wenn es darum ging, wer drin bleibt in den Mannschaften, musste ich immer zittern. Ein Jahr ging ich darum in der U17 nach Kriens, bevor es dann in der U18 in Luzern besser wurde. Ein Grund war, dass ich mit 17 einen Wachstumsschub hatte. Heute bin ich 1,77 Meter.

Das ist Ruben Vargas

Ruben Vargas wird am 5. August 1998 in Adligenswil LU geboren, wo er auch aufwächst. Er beginnt dort beim Dorfklub mit Fussball, wechselt mit «10, 11 Jahren nach Luzern». Vargas' Papa ist aus der Dominikanischen Republik, seine Mama Schweiz-Italienerin. Er hat einen Bruder, der Manuel (21) heisst.

Mit 19 schafft er den Durchbruch beim FC Luzern – und wechselt mit 21 Jahren in die Bundesliga zu Augsburg, wo er inzwischen 108 Spiele (14 Tore) machte. Für die Nati spielte er bisher 31-mal (4 Tore).

Der gläubige Katholik spielt in der Freizeit gerne Golf und ist Single.

Ruben Vargas wird am 5. August 1998 in Adligenswil LU geboren, wo er auch aufwächst. Er beginnt dort beim Dorfklub mit Fussball, wechselt mit «10, 11 Jahren nach Luzern». Vargas' Papa ist aus der Dominikanischen Republik, seine Mama Schweiz-Italienerin. Er hat einen Bruder, der Manuel (21) heisst.

Mit 19 schafft er den Durchbruch beim FC Luzern – und wechselt mit 21 Jahren in die Bundesliga zu Augsburg, wo er inzwischen 108 Spiele (14 Tore) machte. Für die Nati spielte er bisher 31-mal (4 Tore).

Der gläubige Katholik spielt in der Freizeit gerne Golf und ist Single.

Wie sehr half Ihnen dabei Ihr Glaube?
Sehr. Ich bete täglich, manchmal mehrfach. Es hilft mir sehr im Beruf und im Privatleben.

Wenn Sie ein Tor schiessen, zeigen Sie nach oben.
Ja, um Gott zu danken. Ich widme ihm jeden Erfolg, zeige ihm so meine Dankbarkeit. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Bundesliga- und Nati-Spieler zu sein, darauf bin ich wirklich stolz. Und dennoch fühle ich mich am Anfang meiner Karriere. Die letzten zwei Jahre verliefen nicht optimal, nachdem ich im ersten in Augsburg durchgestartet bin. Erst stagnierte ich, dann war ich oft verletzt. Nun will ich wieder voll angreifen.

Man erwartet von Ihnen eigentlich im Sommer den nächsten Schritt zu einem grösseren Klub als Augsburg.
Da mache ich mir keine Gedanken. Ich war verletzt und muss mich jetzt erst wieder zurückkämpfen.

Wie lange brauchten Sie, das 1:6 an der WM gegen Portugal zu verdauen?
Die Enttäuschung hielt schon lange an, weil man so nicht ausscheiden will. Es war nicht die Leistung, die wir abliefern wollten. Einige waren krank vorher, anderen fehlte die Frische. Aber man muss auch sagen, Portugal hat eine Riesen-Mannschaft. Alleine der Fakt, dass dort Cristiano Ronaldo auf der Bank sass, sagt viel aus.

Das Aus ein Jahr vorher im EM-Viertelfinal gegen Spanien im Penaltyschiessen war noch härter. Das Bild von Ihnen, wie Sie nach dem Aus weinten, ging um die Welt. Wie erinnern Sie sich an die Szene?
Ich war unglaublich enttäuscht. Im Achtelfinal gegen Frankreich machte ich ihn rein, erlebte die schönsten Emotionen meines Fussballerlebens. Dann lernst du die andere Seite kennen. Es war ganz brutal, es wäre an diesem Turnier alles möglich gewesen. Und ich schämte mich nicht für meine Tränen.

Liverpool-Star Thiago hat Sie getröstet. Was sagte er ihnen?
Ich solle nicht traurig sein, ich hätte Mut gezeigt. Ich solle stolz auf mich sein und nicht das Negative sehen. Ich solle den Kopf nicht hängen lassen. Auch andere Spanier kamen zu mir und sprachen Mut zu. Dass ein Gegner so viele tröstende Worte ausspricht, das berührt mich bis heute.

Haben Sie den verschossenen Penalty mal wieder angeschaut?
Nein. Warum sollte ich? Ich will mich an schöne Dinge erinnern, nicht an Misserfolge.

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