Im 2012 erschienenen Buch «Der Wolf» schreibt der damalige Nati-Coach Ottmar Hitzfeld (71) im Vorwort über seinen Vor-Vorgänger Paul Wolfisberg: «Paul Wolfisberg. Was wird nicht alles mit diesem Namen und dieser grossen Persönlichkeit assoziiert? Der Bärtige. Der Trainerfuchs. Der Architekt aus der Luzerner Agglomerationsgemeinde Horw, der zeitweise den FC Luzern und gleichzeitig die Schweizer Nationalmannschaft coachte. Der Erfolgreiche.»
Wolfisberg, den die ganze Schweiz nur der «Wolf» nannte, ist der erste erfolgreiche Nati-Coach nach der Ära der «ehrenvollen Niederlagen» nach der WM 1966. «Wolfs» Bilanz zwischen 1981 bis Ende 1985: 52 Spiele, 17 Siege, 20 Unentschieden, 15 Niederlagen.
Seine beinharten Defensiv-Leute erhalten den Spitznamen «Abbruch GmbH», GmbH steht für Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Spieler werden schlicht die «Wölfe» genannt. Zwei aus dem Rudel festen am letzten Samstag zum letzten Mal mit Wolfisberg. Roger Wehrli (64) und Andy Egli (62) sind bei einem Geburtstagsfest im Sternen in Kastanienbaum LU als Überraschung geladen.
«Paul war urchig und witzig»
Der «Wolf» kommt mit dem Rollator. Egli: «Natürlich war er nicht mehr so mobil. Aber Paul machte einen aufgeweckten Eindruck. Sein Schalk und seine Liebenswürdigkeit kamen bei jedem Treffen zum Ausdruck.» Wehrli: «Ich habe während der Geburtstagsfeier ein paar Mal zu ihm rübergeschaut, da rief er plötzlich: ‹Hey, ich läbe dä no!›» Ein typischer Wolf-Spruch. Claudio Sulser (64), erfolgreichster Stürmer in Wolfisbergs Ära, sagt: «Wolfisberg war ein unkonventioneller Trainer. Er schaute nicht so sehr auf die Taktik, sondern setzte vielmehr auf die Motivation und die Werte. Es gab lebhafte Teamsitzungen, der Coach klopfte Sprüche. Er hatte eine einfache Sprache und noch einfachere Methoden. Er war wie eine Vaterfigur.»
St. Gallens Sportchef Alain Sutter (52) hat mit 17 unter Wolfisberg in der Nati debütiert. «Er war ein sehr angenehmer Mensch. Ich hatte grossen Respekt vor ihm.» Egli: «Paul war urchig, witzig, charmant. Mit seinem Bart und dem schelmischen Lächeln hat er den urchigen Schweizer verkörpert. Er war fachlich hoch kompetent. Und seine Gabe, mit Menschen umzugehen, war überragend. Für mich war er absolut auf einer Höhe mit dem späteren Nati-Coach Roy Hodgson.»
Das Walliser Raubein Charly In-Albon (63): «Die Nachricht vom Tod hat mich extrem traurig gemacht. Mit 87 musst du noch nicht unbedingt gehen. Paul war ein unheimlich menschlicher Trainer, der dir als Spieler unglaublich viel Vertrauen geschenkt hat. Ich wusste: Wenn ich bei GC mal ein schlechtes Spiel hatte und der Wolf dabei auf der Tribüne sass, hat er mich drei Tage später dennoch aufgeboten und mich auch spielen lassen. Er hatte Vertrauen in seine Spieler. Seine väterliche Art war Gold wert. Solche Vater-Typen gibts heute nicht mehr.»
Der Rekord-Internationale Heinz Hermann (62) macht unter dem «Wolf» 48 seiner 118 Länderspiele. Jetzt sitzt er auf Ibiza (Sp) fest und sagt am Telefon: «Es war bei ihm weniger hektisch als unter anderen Trainern. Trotzdem war er sehr bestimmt. Wir konnten damals schon einiges bewegen, sind aber immer knapp gescheitert.»
«Er war eine Prachts-Person»
Unvergessen bleiben aus Wolfs Ära der 2:1-Sieg in der WM-Quali 1981 gegen England. Das 1:1 in einem Test vor 62 000 Fans in Recife gegen Brasilien mit den Weltstars Socrates und Zico. Das 1:0 gegen Weltmeister Italien 1982 – die erste Heimniederlage der Azzurri nach elf Jahren! Oder die legendäre Geschichte, als der «Wolf» auf der Afrika-Tournee im Dezember 1983 mit seinen Spielern einen Joint raucht. Wolfisberg in seiner Biografie: «Ehrlich gesagt, das war völlig harmlos. Ich habe aus Höflichkeit mitgeraucht, gespürt habe ich nichts.» «Giftzahn» Wehrli gestern: «Ich nahm nur einen Zug, danach mein Leben lang nie mehr, ehrlich. Paul liess uns Freiheiten. Er war eine Prachts-Person.»