«Ich spürte, dass es das letzte Fest war»
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Er wurde 87 Jahre alt:Ex-Nati-Trainer Paul Wolfisberg ist tot

«Ciao Paul!»
Paul Wolfisberg ist tot – ein Nachruf von Mario Widmer

Paul Wolfisberg ist am Montag mit 87 Jahren verstorben. Mario Widmer (80) hat den ehemaligen Nati-Trainer in seinem Leben eng begleitet. Ein Nachruf.
Publiziert: 25.08.2020 um 00:33 Uhr
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Aktualisiert: 25.08.2020 um 07:42 Uhr
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Lebe wohl! Am Montagmorgen hat das Herz von Paul Wolfisberg aufgehört zu schlagen.
Foto: Blicksport
Mario Widmer

Ich habe Mühe, die Buchstaben auf meinem Keyboard zu sehen. Ich sehe immer einen Mann, einen Ball und einen Bart. Dich. Verschwommen. Es sind die nassen Augen.

Du bist einfach gegangen. Dich selber geblieben. Wie immer. Vor ein paar Monaten, vor Corona, haben wir uns auf der Allmend noch abgesprochen. Zu einem chinesischen Essen. Der alten Zeiten wegen.

Die Zeiten sind weg. Was wären sie ohne Erinnerungen?

Ich habe in meinem Leben viele Menschen getroffen. Es war nur einer wie Paul Wolfisberg dabei. Und das hat so wenig mit Fussball zu tun. Ich bin es Dir schuldig. Und allen Menschen, die Dich und Deine Wölfe so leidenschaftlich mochten, ich muss ganz kurz auf diesen Fussball kommen. Paul Wolfisberg. FC Horw. Dann FC Luzern. Cupsieg 1960. Aus den Niederungen in die Nationalliga A. Die Nationalmannschaft. Die Wölfe. Fussball in Luzern. Das ist Paul Wolfisberg.

Danke, Paul

1981 rief mich ein gemeinsamer Freund an. Miklos Szvircsev. «Paul Wolfisberg», sagte er, «möchte Coach der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft werden. Wenn Du ihm hilfst.» Wir trafen uns zu dritt. Paul Wolfisberg, kein Mann der vielen Worte, wollte, dass ich mit dem BLICK ihm helfen würde, aus seinem Team eine Marke auf dem Weg zum Erfolg zu machen. Er sprach nicht von Defensive, nicht von Offensive, nicht von 4-4-2 oder anderer komplexen Taktik, er wollte einfach sein Team in die Herzen der Schweizer tragen. 1966 hatte letztmals eine Schweizer Mannschaft eine Weltmeisterschaft gesehen.

Es war die Geburt der Wölfe. Mit so grossartigen Spielern wie Andy Egli, Roger Wehrli, Alain Geiger, Claudio Sulser, Heinz Hermann. Seine Wölfe schafften es nicht. Sie waren aber das Fundament der Mannschaft, die 1994 mit Roy Hodgson an die WM nach Amerika flog, aus den Wölfen wurde der moderne Schweizer Fussball.

Ihr Geheimnis? Charisma. Charakter. Willen. Kampfgeist. Freude am Leben. Noch mehr Freude am Siegen. Schlitzohrigkeit. Echtheit. Die Eigenschaften des Paul Wolfisbergs.

Die Suche nach seinem Sohn

Ich kam Paul Wolfisberg sehr, sehr nahe. 1987 rief er mich an. «Mein Sohn», sagte er, «ist auf den Philippinen verschwunden. Bitte hilf mir.»

Ich liess die Ski-WM in Crans-Montana sausen. Zusammen mit Paul und Fotograf Paulo Foschini flogen wir ins Land der 7000 Inseln. Dank meinen Beziehungen zum Box-Promoter Lopez Sarreal, durch ihn zur Regierung, fanden wir die Spur des Vermissten. Zusammen mit etwa 15 anderen Backpackern aus aller Welt war er entweder auf der Überfahrt zur sagenhaften Aussteiger-Insel Boracay verunglückt oder aber von den Gangstern, die diese Überfahrten mit ihren Auslegerbooten verkauften, im Dschungel erschossen worden – für ihr Taschengeld.

Auf der Suche nach seinem Sohn landeten wir mit einem zweimotorigen, verrosteten Flugzeug auf einer Wiese im Dschungel. Der Pilot musste einmal im Tiefflug über die Wiese, auf der eine Herde Büffel weidete. Wir waren beim Aussteigen klatschnass. Auf dem Fussmarsch zum nächsten Dorf legte Paul mir den Arm über die Schulter und sagte: «Danke.»

Ich schaue auf mein Keyboard. Die Zeichen verschwinden unter einem Schleier. Ich sehe Paul. Einen Ball. Und einen Bart.

Danke, Paul. Dass ich Dich kennenlernen durfte. Danke, Paul. Und auf Wiedersehen.

Mario Widmer

Mario Widmer (80) schrieb als Sportchef und Chefreporter 34 Jahre lang für die Zeitungen SonntagsBlick und BLICK und hat Paul Wolfisbergs Leben und Karriere eng begleitet.

Mario Widmer.

Mario Widmer (80) schrieb als Sportchef und Chefreporter 34 Jahre lang für die Zeitungen SonntagsBlick und BLICK und hat Paul Wolfisbergs Leben und Karriere eng begleitet.

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