«Tattoo war ein Fehler»
Nati-Elefantenrunde mit Xhaka, Shaqiri und Sommer

Es ist die Elefantenrunde der Schweizer Nati! Captain Granit Xhaka und seine Stellvertreter Yann Sommer und Xherdan Shaqiri sprechen im grossen Interview über alles: Lamborghinis, Tattoostudios, Figaro-Affäre und den Knüller gegen Frankreich.
Publiziert: 27.06.2021 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 27.06.2021 um 08:15 Uhr
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Sie haben in der Nati das Sagen: Granit Xhaka, Yann Sommer und Xherdan Shaqiri (v. l.).
Foto: TOTO MARTI
Andreas Böni

Eine knappe halbe Stunde ausserhalb von Rom bereitet sich die Nati in relativer Abgeschiedenheit auf den EM-Achtelfinal gegen Weltmeister Frankreich vor. Im Hotel Sheraton Parco de’ Medici hat sie sich nach der Rückkehr aus Baku in Aserbaidschan niedergelassen.

Es ist ruhig, ein Golfplatz säumt das Hotelgelände. Darauf räkeln sich Hunderte Schildkröten in den Weihern des Grün, Biber tummeln sich unter den Pinien- und Olivenbäumen. Hier war unter der Woche Kraftort der Spieler, bevor sie sich am Freitag mal wieder ins Flugzeug setzen. Der nächste Halt: Bukarest in Rumänien. Die Aufgabe: Geschichte schreiben.

Doch vor dem Knüller gegen den Weltmeister, so hat man es beim Schweizerischen Fussballverband entschieden, dürfen sich drei Spieler erstmals zum Einzelgespräch mit Journalisten treffen. Es sind die drei Captains Granit Xhaka (28), Yann Sommer (32) und Xherdan Shaqiri (29). Sie sprechen offen über Schlagzeilen um die Lamborghinis beim Einrücken, den Tattoostudio-Vorfall und die Figaro-Affäre.

«Mein erstes Journalistentreffen seit eineinhalb Jahren», sagt Sommer. Sein Klub, Borussia Mönchengladbach, hat jegliche direkten Kontakte unterbunden. Hat er sie vermisst? «Ein bisschen», sagt er lachend. Xhaka ergänzt schmunzelnd in Richtung Blick: «Solche wie dich sicher nicht ...»

Also, reden wir erst gleich Klartext zu den Schlagzeilen weg vom Sportlichen.

Granit, Sie sagen, man wolle diese Mannschaft kaputtmachen. Das ist schon eine heftige Behauptung.
Granit Xhaka: Ich möchte es so sagen, wir fühlten uns ungerecht behandelt. Mein Gefühl war, dass es von aussen Leute gab, die uns ärgern wollten. Aber wir haben es gut gemeistert, denn am Ende ist klar: Wenn die Resultate nicht stimmen, werden wir auch wegen Nebenschauplätzen kritisiert.

Gehen wir doch die einzelnen Dinge kurz durch. Warum, Shaq, sind Sie mit dem Lamborghini zur Nati-Zusammenkunft gefahren?
Xherdan Shaqiri:
Ach, das war doch schon vor zehn Jahren so, als andere Spieler jeweils mit teuren Autos kamen. Ihr habt doch immer schon darüber geschrieben, für uns war das in der Mannschaft nie ein grosses Thema. Für uns war die Leistung auf dem Platz immer wichtiger. Es kam so rüber, als ob wir eine Show inszenieren wollen. Das stimmt für mich nicht.

Was ja auch nicht schlimm ist, Fussball ist Entertainment. Wir freuen uns ja, wenn Sie mit solchen Autos kommen. Wenn jeder wie Yann mit dem Sponsoren-Wagen von VW käme, wärs ja langweilig.
Xhaka: Wir können ja auch nichts dafür, dass Yann so gut aussieht, dass er einen Sponsoringvertrag mit VW bekommt … (Lacht und klatscht mit Sommer ab.)

Ja, aber nochmals ernsthaft. Das Problem war ja, dass sich diese Vorfälle häuften. Sie, Granit, gingen am freien Wochenende ins Tattoostudio, liessen sich stechen und ohne Maske fotografieren. Dies, nachdem der Trainer gesagt hatte, Sie sollen alle zu Hause bleiben und sich nur im innersten Familienkreis bewegen.
Xhaka: Es war ein Fehler, da brauchen wir nicht drumherum zu reden. Und wir haben das intern sofort geklärt. Ich war einfach in der Euphorie, zum zweiten Mal Vater geworden zu sein. Und wollte auch den zweiten Namen tätowieren vor dem grossen Turnier. Das Foto ohne Maske wurde nur wegen des Bildes gemacht. Und Gott sei Dank wurde ich dann ja negativ getestet und alles war gut.

Danach kam der Coiffeur eingeflogen und schnitt Ihnen die Haare.
Xhaka: Nicht nur mir, sondern der Hälfte der Mannschaft. Wenn wir einen Coiffeur in Rom gekannt hätten, hätten wir logischerweise nicht einen Bekannten von uns kommen lassen. Rückblickend betrachtet löste aber eher die neue Haarfarbe die Reaktionen aus.
Shaqiri: Das Wichtigste war doch, dass die Covid-Massnahmen eingehalten wurden. Er hatte ja einen negativen PCR-Test und immer eine Maske an.

Waren Sie überrascht über die heftigen Reaktionen der Menschen in der Schweiz?
Yann Sommer: Ja, es ist schon so, dass wir an den letzten Turnieren Geschichten hatten, die einfach nicht gut waren. Aber am Ende des Tages kommen die auch, wenn man nicht gut ist. Wir waren gegen Italien nicht gut, dann wird alles aufgebauscht und zusammengenommen. Sachen, die intern kein grosses Thema sind, da fragt keiner den anderen, warum er mit einem teuren Auto kommt. Jeder soll im Leben machen, was er will – ob er Lamborghini oder Ferrari oder VW fährt, ist egal. Dafür macht er ja auch einen Job.

Eine Diskussion ist, dass man den Journalisten versteckten Rassismus unterstellt. Dass man Sie nur im Erfolgsfall als Schweizer wahrnehmen wolle. Wie empfinden Sie das?
Shaqiri: Ich hatte in der Schweiz nie mit Rassismus zu tun. Es gibt immer den einen oder anderen, der dich nicht gern hat. Aber schaut mal, wegen der Identifikation: Wir drei, die hier sitzen, haben zusammen über 200 Spiele für die Nati bestritten. Granit 97, Yann 64 und ich 94. Da müssen wir doch nicht über Identifikation reden, wir haben immer alles für die Schweiz gegeben und immer mit Stolz und Leidenschaft unser Land vertreten und für unser Land gespielt.
Sommer: Sie gehen schon vergessen, diese Zahlen. Heinz Hermann, mein früherer Trainer, wird sicher ein besonderes Auge darauf haben.

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Sein Rekord liegt bei 118 Länderspielen. Wer bricht ihn?
Xhaka:
Am besten gleich wir beide.

Und Shaq noch die 42 Tore von Alex Frei. Shaq steht jetzt bei 25.
Xhaka: Ja, Alex wird rasiert jetzt (lacht).
Shaqiri: Er hat auch alle Penaltys geschossen. Ich habe keine Penaltys geschossen. Zieht sie ihm bitte mal ab.

Wir rechnen nach: Von seinen 42 Toren traf Frei viermal per Penalty. Shaqiri hat noch einen Weg vor sich, um Frei abzufangen. In der Zwischenzeit lacht Yann Sommer. Eine Schildkröte kommt herangekrochen.

Reden wir noch von Frankreich. Yann, Benzema hat Ihnen schon in der Champions League einen reingemacht für Real gegen Gladbach.
Sommer: Korrekt. Aber ich freue mich auf ihn. Das Spiel wird ein Highlight, so viele Topstars, der Weltmeister. Und trotzdem gehen wir mit dem Ziel ins Spiel, eine Runde weiterzukommen.

Offensiv oder defensiv?
Shaqiri: Dafür haben wir einen Trainer, der uns einstellt.

Aber der Spielstil ist offensiv dominant geworden, gegen Frankreich könnte man damit ins Messer laufen. Und defensiv wie früher werden Sie ja kaum spielen.
Sommer: Den Stil komplett zu ändern, wäre der falsche Weg. Aber man muss sich schon auf sie einstellen, da kommt extrem viel Tempo auf uns zu. Das müssen wir uns bewusst sein, Ballverluste im Zentrum, das wird schwierig. Aber gegen grosse Mannschaften haben wir oft gut ausgesehen.

Die Chancen in Prozent, Granit?
Xhaka: Auf dem Papier sind sie besser, klar.
Sommer: 50:50. Optimistisch geschätzt.
Xhaka: Sagen wir 55:45 für sie. Aber wir müssen Fussball spielen, werden uns nicht 90 Minuten hinten reinstellen.

Wie ist es, gegen Pogba und Kanté zu spielen?
Xhaka: Pogba kann jedes Spiel entscheiden. Kanté hat anscheinend acht Lungen, gewinnt viele Zweikämpfe. Für mich zwei der besten Spieler der Welt. Wir müssen uns vor niemandem verstecken – aber wir brauchen einen sehr, sehr guten Tag, um Frankreich zu schlagen.
Shaqiri: Gegen Ungarn hatten sie Mühe. Wir müssen einfach kaltblütig sein, in 90 Minuten kann alles passieren. Aber für uns ist doch gut, dass sie sich schon eine Runde weiter sehen.

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Ex-Star Willy Sagnol sprach von einem «unterklassigen Gegner».
Sommer:
Das ist gut. Uns stört das nicht, wir wissen, was wir können. Wichtig ist, dass wir unsere Werte wieder auf den Platz bringen. Jene Werte, die gegen Italien fehlten und gegen die Türkei da waren. Solidarisch, mutig, gute Körpersprache. Das muss top sein am Montag.
Shaqiri: Ich sehe noch ein gutes Zeichen. Portugal wurde 2016 Europameister als Gruppendritter. Von daher, es ist möglich. Aber wir müssen über unsere Grenzen gehen und auch Glück haben.

Also wie an der WM 2014 gegen Argentinien, einfach mit gutem Ausgang. Blerim Dzemaili traf ja den Pfosten kurz vor Schluss, sonst hätte es 1:1 gestanden und Penaltyschiessen gegeben.
Shaqiri: Ich sage ihm das jedes Mal, wenn ich ihn sehe …
Xhaka: Ich sage nicht zu viel, euer Fotograf da ist ja der beste Freund von Blerim … (Lacht.)
Sommer: Wir brauchen diesmal einfach vielleicht auch ein bisschen mehr Glück.

Granit, Abschlussfrage an Sie: Hier in Rom gefiel es Ihnen?
Xhaka: Es ist sehr schön, ja.

Haben Sie Arsenal gesagt, dass Sie zur AS Roma gehen möchten?
Xhaka: Arsenal weiss, was ich machen will.

Shaq, Sie bleiben in Liverpool?
Shaqiri: Mal schauen nach der EM, ich habe noch ein Jahr Vertrag.

Aber Spielpraxis, Stammspieler zu sein, das werden Sie bei Liverpool kaum noch erreichen.
Shaqiri: Mal schauen. Im Moment ist EM und ich will unbedingt in den Viertelfinal mit der Nati. Aber ich werde so oder so das Gespräch mit Liverpool suchen. Ob ich bleibe oder gehe, sehen wir dann.

Shaq, um zum Schluss nochmals den Bogen zu den Haaren zu schlagen: Hat Ihre Haar-Transplantation eigentlich wehgetan?
Shaqiri: Wir reden hier jetzt über Fussball. Nun kommt Frankreich. Und wir wollen in den Viertelfinal.

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