«In Aserbaidschan warteten sie mit Maschinenpistolen»
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Nati-Koch Emil Bolli:«In Aserbaidschan warteten sie mit Maschinenpistolen»

Nati-Koch Emil Bolli schaut auf bewegte Zeit zurück
«Sie kamen mit Eisenstangen auf uns los»

Seit 1996 ist Emil Bolli (70) der Koch der Schweizer Nati. In Deutschland ist der 70-Jährige zum letzten Mal mit dabei. Er blickt auf eine bewegte Zeit beim SFV zurück.
Publiziert: 25.06.2024 um 20:44 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2024 um 11:20 Uhr
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Nach 28 Jahren tritt Emil Bolli als Nati-Koch ab.
Foto: Rebecca Spring / SFV

Gavranovic-Tor im Taxi

Der emotionalste Moment? «Der Sieg vor drei Jahren im Achtelfinal gegen Frankreich», sagt Emil Bolli ohne zu zögern. «Da hat die Mannschaft noch einmal einen Zacken draufgelegt.» Als Mario Gavranovic die Nati kurz vor Ende der regulären Spielzeit in die Verlängerung schiesst, ist Bolli allerdings bereits nicht mehr im Stadion. «Die letzten zwei Tore habe ich im Taxi miterlebt.» Im Hotel bereitet er das Essen für nach dem Spiel vor, für das Penaltyschiessen unterbricht er kurz seine Arbeit.

Küchen-Problem auf Kreta

Die EM 2021 ist für Bolli auch logistisch eine grosse Herausforderung, da die Nati quer durch Europa reist und ihre Spiele in Baku, Rom, Bukarest und St. Petersburg austrägt. Dass das Turnier während der Covid-Pandemie stattfindet, erschwert die Arbeit zusätzlich. Doch der Nati-Koch ist es sich gewohnt, mit Hindernissen umzugehen. Organisationstalent und Improvisation sind gefragt, wenn es um den Import oder das Besorgen von Lebensmitteln in fremden Ländern geht oder wenn eine Küche im Ausland nicht den hiesigen Standards entspricht. Dann wird, wie einst in Kreta, auch einmal verunreinigtes Geschirr in einem Dampfabzug eine halbe Stunde lang gedämpft.

Seit 28 Jahren bei der Nati

Erstmals für den SFV im Einsatz steht Bolli in der Ära von Uli Stielike Anfang der Neunzigerjahre. Und als die Nati an der EM 1996 schlechte Erfahrungen am Turnier in England macht, holt der Verband ihn definitiv ins Boot. Seither ist er dabei, das Turnier in Deutschland ist sein insgesamt neuntes Turnier mit der A-Nati. Auch die U21 der Männer bekochte er schon und flog mit ihr unter anderem an die Olympischen Spiele 2012 in London – und im letzten Jahr war er erstmals auch mit den Frauen an der WM in Neuseeland dabei. «Eine sehr tolle Erfahrung.»

Fische statt Eisenstangen

Bolli ist auch mit an Bord, als die Nati im Herbst 2005 in die Türkei reist für das Rückspiel im WM-Playoff. Bereits am Flughafen wird die Nati schikaniert. «Die Halle vor der Passkontrolle war voll, obwohl alle der rund 20 Schalter geöffnet waren. Aber sie machten extra langsam, bei jedem Spieler dauerte die Kontrolle zwei bis drei Minuten», erinnert sich Bolli. Beim Spiel selbst sitzt der Nati-Koch auf der VIP-Tribüne des Stadions. «Aber auch wir mussten fliehen, als plötzlich einige mit Eisenstangen auf uns losstürmten.» Bessere Erinnerungen hat der Nati-Koch an die WM in Brasilien 2014. In Porto Seguro, wo die Nati ihre Zelte aufschlägt, holt er jeden Morgen um halb fünf frischen Fisch an dem eine halbe Stunde entfernten Fischerhafen. «So kam ich immer wieder auch mit den Einheimischen in Kontakt.»

Mitarbeiter des Monats

Bolli findet fast zu allen einen Draht. Egal, in welche Ecke der Welt es die Nati verschlägt. Sein Erfolgsgeheimnis: «Ich glaube, ich habe eine gute Art, mit Menschen umzugehen. Ich weiss, wie ich mit ihnen arbeiten und vor allem, mit wem ich arbeiten muss.» Bolli ist sich nicht zu schade anzupacken und auch einmal mehrere Stunden Gemüse zu rüsten. Seine Arbeitstage beginnen morgens um fünf und enden oft spät am Abend. Im letzten Jahr in Neuseeland wurde er im Hotel der Frauen-Nati zum Mitarbeiter des Monats gekürt.

Ein Laptop als Geschenk

Auch bei den Spielern und Spielerinnen kommt er gut an. Sie schätzen die Arbeit Bollis, der immer wieder auch versucht, auf die Wünsche der Spieler einzugehen. Als Dank erhält er gelegentlich auch einmal ein Geschenk vom Verband oder von den Spielern. Ein Laptop, ein Gutschein für eine Uhr oder auch einmal ein Sack voller Trinkgeld. «Am meisten Freude hat mir aber jeweils der persönliche Dank bereitet. Denn Materielles ist vergänglich.»

Wenig Fleisch für Nati-Stars

Wie hat sich die Ernährung über all die Jahre verändert? Sportler gerecht sei schon immer gegessen worden, sagt Bolli, viele Esswaren seien heute aber laktose- oder glutenfrei, zudem werde mit ungesättigten Fettsäuren gekocht. «Mit Oliven- oder Rapsöl anstatt mit Butter.» Einige Spieler würden sich flexitarisch ernähren. «Sie essen grundsätzlich vegetarisch, gönnen sich gelegentlich aber ein gutes Stück Fleisch oder Fisch.» Und wie steht es mit veganer Ernährung? Aus Sicht von Bolli für einen Spitzensportler praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. «Vor allem wegen des Vitamins B12.»

Ein Schoggimousse zum Abschied

Nun tritt Bolli ab. Bereits der Sonntag könnte sein letzter Arbeitstag für den SFV sein. Ein bisschen Wehmut schwingt mit. «Es ist der Zahn der Zeit. Ich habe noch immer Freude und hätte auch weitermachen können.» Aber es sei auch sein Wunsch gewesen, mit 70 aufzuhören. Bolli hat vier Enkelkinder, besitzt eine Wohnung in Davos und im Tessin. Nun will er mit seiner Frau «reisen und das Leben geniessen». Sein letzter Wunsch für die Nati? «Ich hoffe, dass sie als Einheit auf dem Platz auftritt und eine gute Performance abliefert.» Und egal, ob die Schweiz am Samstag gegen Italien gewinnt, ein Schoggimousse von Emil Bolli ist ihr gewiss. «Wenn wir gewinnen, ist es für die Spieler als Belohnung gedacht. Wenn wir verlieren, als kleine Aufmunterung.»

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