Nati-Coach Petkovic nervt sich über Klopp
«Shaqiri hat sich nicht bei uns verletzt!»

Vladimir Petkovic (57) stellt sich der Kritik am Nati-Jahr, spricht über Granit Xhakas Probleme bei Arsenal, Xherdan Shaqiris Muskelverletzung und eine mögliche Rückkehr von Roman Bürki.
Publiziert: 27.12.2020 um 01:00 Uhr
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Aktualisiert: 27.12.2020 um 08:12 Uhr
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Nati-Coach Vladimir Petkovic zieht Jahres-Bilanz.
Foto: TOTO MARTI
Interview: Andreas Böni

BLICK: Herr Petkovic, war 2020 ein negatives Jahr für Sie privat?
Vladimir Petkovic: Nein, meine Liebsten sind alle gesund geblieben. Und das ist in diesen Zeiten das wichtigste. Auch wenn es mir zu schaffen macht, dass ich meine Eltern nun fast eineinhalb Jahre nicht gesehen habe. Aber wenn ich nach Sarajevo gehe, gefährde ich sie. Weil du ja auch mit einem Test nie die 100-prozentige Sicherheit hast. Und ich mache mir Gedanken auch um die jungen Menschen, was diese Krankheit hervorrufen kann.

Viele Nati-Spieler sind erkrankt.
Ja, und einige konnten kaum noch laufen, schmeckten nichts, hatten richtig schlimme Schmerzen, konnten schlecht atmen. Wir sprechen hier von topfitten Menschen, von Leistungssportlern. Und in dieser Zeit sind die 8 Millionen Menschen, die sonst alle Nationaltrainer sind, plötzlich auch noch die besten Virologen… (lacht)

2020 war ein schlechtes Nati-Jahr. 7 Spiele, kein Sieg auf dem Rasen.
Es waren nur zweieinhalb Monate… Ich sehe es nicht schwarz. Von den Resultaten her wars grau. Die Entwicklung in einem grünen Bereich. Ich finde spielerisch und als Gruppe haben wir grosse Fortschritte gemacht. Aber man hat wieder gesehen, dass wir als Schweiz 120 Prozent geben müssen, um die Grossen auch zu schlagen. Mit 100 Prozent reicht es nicht. Und wenn Du Fehler machst, werden diese knallhart bestraft.

Wie sehr ärgert es Sie, dass Sie mit 1,74 Punkten pro Spiel im Schnitt hinter Roy Hodgson (1,78) und Ottmar Hitzfeld (1,77) zurückgefallen sind?
Ich will mich mit den Stärksten messen. Wenn das heisst, dass ich persönlich etwas auf meine Kappe nehmen muss, bitteschön. Wir werden sehen, wenn wir im März in Bulgarien und gegen Litauen die ersten Spiele der WM-Qualifikation haben, wo wir stehen.

Danach steht die EM an, glauben Sie an Spiele in Aserbaidschan und Italien?
Wir werden es erst kurz vorher sehen. Mit diesem Virus ist das unmöglich vorauszusehen. Wir werden sehen.

Ziel ist Viertelfinal, oder?
Das ist das Ziel der Journalisten.

Wie sehen Sie Italien?
Als einen der stärksten Gegner in Europa oder sogar auf der Welt. Sie haben zuletzt viel gewonnen, allerdings auch nicht nur gegen grosse Gegner gespielt. Und ich habe gelesen, dass sie auch nicht gerne gegen uns spielen...

Ihre beiden Stars in England machen Sorgen. Granit Xhaka hat in England wieder Schlagzeilen gemacht, weil er einen Gegenspieler würgte. Wie sehen Sie die Aktion?
Granit weiss es selbst, dass das unnötig und unglücklich war. Aber so ist es im Leben, wenn es nicht läuft, dann passieren solche Dinge. Granit ist ein emotionaler Typ - das wissen auch die Gegner und provozieren ihn vielleicht. So oder so: Ich bin aber überzeugt, dass er auch aus diesem Fall seine richtigen Schlüsse zieht und noch stärker zurückkommt. Er wird das nächste Mal anders reagieren.

Patrice Evra trat nach, erzählte die Episode, dass Thierry Henry den Fernseher abstellte und sagte: «Ich kann meinem Team nicht zusehen, wenn Xhaka Captain ist.» Wie sehen Sie diese Aussagen?
Es gab schon vor der Aktion Polemik in England, von Meinungsmachern und TV-Experten. Als Vlado Petkovic kann ich nur sagen: Granit weiss, dass ich ihm immer zur Seite stehe. Er hat meine komplette Unterstützung. Ich bin immer für ihn da, als Mensch und Freund.

Polemik gegen ihn gabs oft. Mehrere Roter Karten am Anfang, Verhöhnen der Fans und die damit verbundene Absetzung als Captain, böse Beschimpfungen auf Social Media. Muss er sich überlegen, ob er nach den schwierigen Jahren bei Arsenal mal eine Luftveränderung braucht?
So weit will ich nicht gehen. Das sind die Dinge, die Granit, seine Familie und sein Management am besten wissen und entscheiden müssen. Aber sicher, es ist viel passiert mit Granit in Arsenal. Und im Fussball sucht man immer Schuldige. Dann ist es einfacher, auf starke Persönlichkeiten zu gehen - das macht man auch als Trainer, um ein Zeichen zu setzen. Und als Journalist sowieso.

Xherdan Shaqiri hatte eine Muskelverletzung. Als er von der Nati zu Liverpool zurückkehrte, sagte sein Trainer Jürgen Klopp: «Er hat eine kleine Muskelverletzung vom Nationalteam mitgebracht. Das hat er selbst gar nicht wirklich realisiert, bis er wieder mit uns trainiert hat.»
Er hat sich nicht bei uns verletzt, er hat bei uns normal trainiert, als das Ukraine-Spiel abgesagt wurde. Er hatte bei uns nichts gespürt, sondern erst im Training bei Liverpool.

Seither fehlt er wieder wochenlang.
Wenn man viele Verletzungen hatte, hat man auch viele Narben und der Muskel ist nicht mehr so elastisch wie früher. Er arbeitet extrem viel daran. Ich glaube fest daran, dass er Liverpool viel bringen kann.

Haben Sie Klopp Ihren Unmut mitgeteilt?
Nein. Aber ich hätte es passender gefunden, wenn sich der Klub beim Nati-Arzt gemeldet hätte. Statt sich öffentlich zu äussern.

Yann Sommer hatte vor den zwei gehaltenen Penalties gegen Sergio Ramos ein paar Probleme. Dachten Sie mal: Es wäre vielleicht schon gut, wenn wir Roman Bürki auf der Bank hätten?
Yann hat so viel Gutes gemacht für uns, dass er dieses Vertrauen verdient hat. Er ist ein starker und positiver Charakter. Zu Roman...

… bitte.
Die Tür ist immer offen. Ich schätze ihn sehr und habe ihn als Mensch gerne. Aber er muss ein Signal setzen, ich habe schon viel unternommen. Wenn er will, können wir jederzeit zusammensitzen und reden.

Das perfekte Jahr für Vladimir Petkovic wäre, den EM-Viertelfinal und die WM direkt zu erreichen und bis 2024 zu verlängern.
Sie lachen ja selber! Schritt für Schritt.

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