Mit Feuerzeug, Messer und Steinen beworfen
Die Angst des Goalies, wenn er den Mob im Nacken spürt

Fussball-Torhüter leben gefährlich. Sie wissen nie, was von hinten geflogen kommt. Nicht alle sind so cool, wie einst GC-Legende Roger Berbig (70).
Publiziert: 17.12.2024 um 15:07 Uhr
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Bochum-Goalie Patrick Drewes legt sich nieder. Er wurde am Samstag von einem Feuerzeug, das aus dem Union-Block geworfen wurde, am Kopf getroffen.
Foto: imago/Nordphoto
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Patrick MäderAutor Blick Sport

Als ich am Samstag am TV die Szene sah, die zum Fast-Abbruch des Bundesliga-Duells zwischen Union Berlin und Bochum führte, kroch ein vergessen geglaubtes Gefühl in mir hoch. Ein Gefühl, das Torhüter während des Spiels überkommen kann, wenn sie den Mob im Nacken spüren.

Bochums Keeper wurde am Samstag von einem Feuerzeug, das aus dem Union-Block geflogen kam, am Kopf getroffen, zumindest gestreift. Er konnte nicht mehr weiterspielen, die Partie wurde lange unterbrochen. Der Feuerzeugwerfer wurde per Videobeweis schnell überführt. Und die Bundesliga hat einen Skandal. 

Dieser löst bei mir Erinnerungen aus an längst vergangene Tage. Einige sind lustig: Zuschauer, die in Cupspielen in der Provinz, wo die Banden oft bloss zwei Meter hinter der Torlinie angebracht sind, bei Eck- und Freistössen mit der Regenschirmspitze oder ähnlich langen Gegenständen meinen Allerwertesten bearbeiteten. Die hatten ihren Spass, mich amüsiert das immerhin im Rückblick. Zu den mehr oder weniger amüsanten Dingen, denen ich als Goalie ausgesetzt war, gehörten Spucke, volle Bierbecher, WC-Rollen oder simple Beschimpfungen bis weit unter die Gürtellinie.

Basler Fans rasten aus

Doch gab es auch die wirklich ernsten Vorfälle wie diesen, der lange her ist, doch jetzt bei mir wieder präsent: Tatort Stadion Esp, Baden gegen Basel, Frühjahr 1992, Auf-Abstiegsrunde, Hochrisikospiel, Alkoholausschanksverbot. Da der unmittelbar ans Esp grenzende FC Fislisbach gleichzeitig ein Grümpelturnier austrug, kam der FCB-Anhang trotz der Massnahmen problemlos an Alkohol. 

Hinter meinem Tor war also einiges los. Die Meute war in Form. Ihr Hass richtete sich vor allem gegen GC-Legende Raimondo Ponte (69), der damals Badens Spielertrainer war. Ich stand dazwischen, quasi mitten auf dem Schlachtfeld. Begleitet von verbalen Attacken flogen Münzen, Bananen, Feuerzeuge, volle PET-Flaschen, Steine, Büchsen.

Gegen Ende des Spiels – der Mob hatte in der Pause ebenfalls die Seite gewechselt – wurde es immer heftiger. Die Polizeikräfte, die das Spiel hätten sichern sollen, hatten vor dem Stadion alle Hände, Fäuste und Schlagstöcke voll zu tun. Drinnen brodelte es. Ein Messer flog an meiner Wade vorbei, eine Flasche legte mich flach. FCB-Captain Massimo Ceccaroni (56) und Basler Staff-Mitglieder versuchten die rotblaue Brut zu beruhigen – vergebens.

Die letzten Spielminuten stand ich möglichst dreissig Meter vor dem Tor. Wir gewannen die Partie 2:1, und nie war ich nach Schlusspfiff schneller in der Kabine als damals. Als ich dort ankam, waren alle Mitspieler schon da, Raimondo Ponte als erster – knapp vor dem Schiedsrichter.

Reaktion als Steilpass

Kürzlich sprach ich mit einem langjährigen Herzblut-FCB-Fan über diese unschöne Geschichte. Bruno R. sagte, dass ich auf die Provokationen reagiert hätte, sei ein grosser Fehler gewesen, ein willkommener Steilpass für die auf Radau Gebürsteten.

Und er erzählte mir diese Geschichte: Der FCB-Anhang hat einst neben all dem üblichen Zeugs einen Schweinekopf auf GC- und Nati-Goalie Roger Berbig (70) geworfen, der ihn nur knapp verfehlte. Berbig zuckte nicht mit der Wimper, hat den Schweinekopf am Ohr gepackt und hinter die Outlinie geworfen.

Den Basler Block habe er dabei keines Blickes gewürdigt, mit keiner abfälligen Geste bestraft. Er habe auch nicht den Schiri gerufen. Dieses totale Ignorieren, sagte Bruno, habe ihn und die anderen aus dem Block damals schwer beeindruckt. Roger Berbig ist noch heute der einzige GC-Spieler, über den FCB-Fan Bruno positiv spricht.

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